OGH 1Ob10/18d

OGH1Ob10/18d30.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers K* M*, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, gegen die Antragsgegnerin I* M*, vertreten durch Mag. Judith Gingerl, Rechtsanwältin in Wien, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Dezember 2017, GZ 43 R 254/17x‑174, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 3. April 2017, GZ 7 Fam 5/13f‑150, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120719

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 83 Abs 1 EheG ist die Aufteilung des während der ehelichen Gemeinschaft erworbenen Vermögens nach Billigkeit vorzunehmen, wobei besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten Bedacht zu nehmen ist.

Im vorliegenden Fall haben die Ehegatten im genannten Zeitraum Vermögen im Wert von 51.000 EUR geschaffen (Liegenschaft in Ungarn). Der Revisionsrekurswerberin wurde von den Vorinstanzen eine Eigentumswohnung im Wert von 72.000 EUR zuerkannt. Inwieweit der Frau dadurch ein zu geringer Teil des Aufteilungsvermögens zukommen sollte, ist in keiner Weise erkennbar. Sie zeigt auch keinen Grund auf, warum sie darüber hinaus an den vom Mann eingebrachten Werten partizipieren sollte.

2. Die Revisionsrekurswerberin übersieht offenbar, dass es dem Grundgedanken der gerechten Verteilung des während der ehelichen Lebensgemeinschaft geschaffenen Vermögens widersprechen würde, einen Ehegatten (zumindest wertmäßig) auch an solchen Vermögensbestandteilen partizipieren zu lassen, die der andere iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG in die Ehe eingebracht hat. Auch wenn diese später in eheliches Gebrauchsvermögen „umgewidmet“ wurden und der Aufteilung unterliegen, ist der Wert des Eingebrachten doch regelmäßig nur zugunsten des einbringenden Ehegatten (wertverfolgend) zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0057490 [T1, T4]; zuletzt 1 Ob 148/17a mwN). Durch die Eigentumsübertragung von einem Ehegatten auf den anderen tritt ja eine Vermögensvermehrung gerade nicht ein. Für die (aufteilungsrechtliche) Bewertung einer Schenkung unter Ehegatten ist vor allem entscheidend, ob eine von der weiteren Entwicklung der Ehe unabhängige, endgültige Vermögensverschiebung beabsichtigt war (6 Ob 576/87 = RIS‑Justiz RS0057377 [T1]). Für die typischen Fälle wird judiziert, dass der Wert einer einem Ehegatten vom anderen geschenkten Sache – häufig einer Liegenschaft oder eines Liegenschaftsanteils – dem schenkenden Ehegatten ohne wertmäßigen Ausgleich rückzuübertragen ist (2 Ob 25/10f = SZ 2010/164 = EF‑Z 2011/40, 67 krit Gitschthaler = iFamZ 2011/119, 163 krit Deixler‑Hübner; RIS‑Justiz RS0113358; 1 Ob 99/13k ua). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass derartige Schenkungen in der Regel in der Annahme erfolgen, die Ehe werde Bestand haben (vgl nur 1 Ob 158/08d = RIS‑Justiz RS0033063 [T1]).

Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin entspricht die angefochtene Entscheidung durchaus den dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung. Im vorliegenden Fall erfolgten die Schenkungen durch den Mann deshalb, weil er aufgrund der damals geplanten Unternehmensgründung sicherstellen wollte, dass „er“ im Falle einer Insolvenz seinen Liegenschaftsbesitz nicht verliert; an der der Frau nun verbleibenden Eigentumswohnung ließ er sich etwa ein bücherliches Wohnrecht einräumen. Auch hier liegt also den Zuwendungen bei typisierender Betrachtung die Annahme zugrunde, die Ehe werde Bestand haben und der Mann könne weiterhin Nutzen aus den geschenkten Sachen ziehen, erfolgen derartige Eigentumsübertragungen doch regelmäßig nur an Personen, zu denen ein enges Naheverhältnis besteht, von dessen Weiterbestehen ausgegangen wird. Warum es gerechtfertigt sein sollte, echte Schenkungen aus Freigebigkeit anzunehmen, die bei der nachehelichen Aufteilung nicht als Vermögensbeitrag des Mannes zu werten wären (vgl 5 Ob 506/93 = RIS‑Justiz RS0018850), vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

3. Schwer verständlich ist die Argumentation der Revisionsrekurswerberin, bei sinngemäßer Anwendung des § 1299 (gemeint 1266) ABGB bei der Behandlung von Schenkungen sei das Scheidungsverschulden zu berücksichtigen. Einerseits gehen die §§ 81 ff EheG dem § 1266 ABGB als leges speciales vor (RIS‑Justiz RS0022434, RS0022395). Andererseits legt sie nicht dar, inwieweit sich daraus die von ihr angestrebte Rechtsfolge, sämtliche Geschenke behalten zu dürfen, ableiten ließe.

4. Dass es sich bei ihrem Vorbringen, sie benötige eine größere Wohnung, weil zu erwarten sei, dass sie in näherer Zukunft ihre Söhne bei sich aufnehmen wird, um eine unzulässige Neuerung handelt, erkennt die Revisionsrekurswerberin selbst.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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