OGH 1Ob198/17z

OGH1Ob198/17z15.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr.

 Bydlinski als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, die Hofrätinnen Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Kodek als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Ing. P***** H*****, vertreten durch Dr. Paul Bauer, Dr. Anton Triendl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Antragsgegnerin S***** H*****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen

Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Juni 2017, GZ 53 R 25/17s‑24, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 25. Jänner 2017, GZ 33 Fam 53/15s‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00198.17Z.1115.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 12. 6. 2015 aus dem überwiegenden Verschulden des Antragstellers geschieden. Die eheliche Wohnung befand sich auf einer von ihm in die Ehe eingebrachten Liegenschaft, auf der er noch vor Eheschließung ein Haus errichtet und zum weit überwiegenden Teil fertiggestellt hatte.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsteller zur Leistung einer Ausgleichszahlung von 113.723,04 EUR an die Antragsgegnerin und wies deren Begehren auf Einräumung eines Wohnrechts an der vormaligen Ehewohnung ab. Bei der Ermittlung der Ausgleichszahlung berücksichtigte es unter anderem die im Laufe der Jahre eingetretene Wertsteigerung der Ehewohnung, an der die Antragsgegnerin aus Billigkeitsgründen teilnehmen solle, und ging im Übrigen davon aus, dass diese nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen sei.

Dem dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Rechtsmittel gab das Rekursgericht nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich das außerordentliche Rechtsmittel der Antragsgegnerin, in dem ausschließlich die Frage nach der Einbeziehung der vormaligen Ehewohnung in die

Aufteilungsmasse thematisiert wird. Damit spricht sie aber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung an.

1. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Ehewohnung, weil die während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft bewirkte

Wertschöpfung in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen ist (vgl dazu RIS-Justiz RS0057681), nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG grundsätzlich nicht der Aufteilung unterliegt. In einem solchen Fall ist nach § 82 Abs 2 EheG die Ehewohnung unter anderem dennoch in die

nacheheliche Aufteilung einzubeziehen, wenn dies vereinbart wurde oder der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist. Die Vorinstanzen haben letzteres unter Berufung auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verneint, weil die Weiterbenützung der Ehewohnung für die Antragsgegnerin keine Existenzfrage darstellt, wie dies etwa bei drohender länger dauernder Obdachlosigkeit der Fall wäre (RIS-Justiz RS0058357 [T6]; RS0058370; RS0058382 [T1, T2]; Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht § 82 EheG Rz 31).

2. Die Revisionswerberin zieht die Rechtsauffassung der Vorinstanzen insoweit auch gar nicht in Zweifel, sondern meint, die Einbeziehung der Ehewohnung sei zwischen den Parteien vereinbart worden, und beruft sich dazu auf eine Regelung im Zuge des Verfahrens über die Scheidung. Die Auslegung von Vereinbarungen bildet aber ganz allgemein keine erhebliche Rechtsfrage, deren Beantwortung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen würde (RIS-Justiz RS0042776; RS0044358 uva). Dies gilt auch für die Auslegung eines Vergleichs (RIS-Justiz RS0113785), den die Antragsgegnerin hier im Ergebnis anspricht.

3. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, die etwa dann vorläge, wenn die Vorinstanzen infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hätten (dazu RIS-Justiz RS0042936), vermag die Antragsgegnerin schon deswegen nicht aufzuzeigen, weil der Antragsteller nach den Feststellungen im Scheidungsverfahren lediglich „informativ“ erklärte, zu einem Zugestehen des überwiegenden Verschuldens bereit zu sein, sofern die Antragsgegnerin in einem allenfalls folgenden Aufteilungsverfahren auf ein allfälliges Wahlrecht zur Übernahme des Eigentumsrechts an der Ehewohnung verzichte und jedenfalls mit einer Ausgleichszahlung in Geld einverstanden sei, und die Antragsgegnerin ihrerseits deponierte, jedenfalls mit einer Ausgleichszahlung einverstanden zu sein und auf die Einräumung eines Wohnrechts zu verzichten. Schon der objektive Erklärungswert (vgl RIS-Justiz RS0014696 [T1, T3]) gibt keinen Anhaltspunkt für die nunmehr von der Antragsgegnerin behauptete ausdrückliche Vereinbarung, die Ehewohnung in die Aufteilungsmasse mit einzubeziehen und ihr ein Wohnrecht finanziell abzugelten. Explizit enthält die Einigung nur die Zusage der Antragsgegnerin, auf eine Übertragung des Eigentumsrechts an sich zu verzichten, sofern ihr eine solche rechtlich zustehen sollte; dagegen war die Frage eines allfälligen „Wohnrechts“, eines Verzichts darauf oder einer finanziellen Abgeltung dafür kein Thema. Dafür, dass die Parteien vom Wortlaut abweichend im Sinn eines natürlichen Konsenses, bei dessen Vorhandensein der sonst rechtlich erhebliche objektive Erklärungswert seine Bedeutung verliert (dazu RIS-Justiz RS0017741), übereinstimmend eine Vereinbarung mit dem von der Antragsgegnerin unterstellten Inhalt gewollt hätten, fehlt es schon an den erforderlichen Behauptungen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte