European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00146.17B.1025.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben. Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 2.288,70 EUR (darin 381,45 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Zur Vermeidung unnötiger Weitläufigkeiten ist voranzustellen, dass schon im Rekursverfahren lediglich die Frage strittig war, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin eine Ausgleichszahlung für die ihr zugewiesenen Vermögenswerte zu leisten hat. Ohne Berücksichtigung der Rentenversicherungen des Antragsgegners und der alleinigen Nutzung einer zu den ehelichen Ersparnissen gehörenden Wohnung durch diesen ergebe sich bei einer Aufteilung im Verhältnis 1:1 rechnerisch eine von der Antragstellerin zu erbringende Ausgleichszahlung in Höhe von 94.000 EUR.
Die bereits erwähnte Wohnung erwarb der Antragsgegner während der Ehe, wobei anfangs Mieterlöse von ca 2.000 ATS (gemeint: monatlich) erzielt wurden. Seit etwa 17 Jahren vor Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft nutzte er sie selbst mit seiner Freundin. Dabei wurden zur Verschleierung Mietverträge gefälscht und der Antragsgegner behob laufend kleinere Beträge vom gemeinsamen Konto der Ehegatten, um das Geld dann als Mietzinszahlungen im Namen der erfundenen Mieter wieder auf das gemeinsame Konto einzuzahlen. Während der Ehe schloss der Antragsgegner insgesamt drei Rentenversicherungen ab, bei denen er jeweils Einmalbeträge leisten musste und seither monatlich Rentenzahlungen erhält. Bei einem Vertrag leistete er eine Einmalzahlung von ca 15.000 EUR und bezieht eine monatliche Rente von 123 EUR längstens bis 1. 3. 2026. Aus den anderen beiden Verträgen bezieht er monatlich je ca 35 EUR, längstens bis 2033. Bis zur Trennung wurden auch die Erträge der Rentenversicherungen „im Einvernehmen aufgeteilt“.
Zu den Rentenversicherungen brachte die Antragstellerin vor, diese hätten insgesamt einen Wert von 26.800 EUR gehabt. Durch die bloß fingierte Vermietung der Wohnung habe der Antragsgegner einen Vermögensaufbau im Ausmaß von 40.000 EUR verhindert.
Das Erstgericht erkannte die Antragstellerin– ausgehend von einer Vermögensaufteilung im Verhältnis 1:1 – schuldig, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von 70.000 EUR zu zahlen. Die Rentenversicherungen stellten nach der Rechtsprechung keine aufzuteilenden Vermögenswerte dar. Die Nutzung der Wohnung durch den Antragsgegner sei im Rahmen der Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen. Angesichts der Dauer der Eigennutzung, der Größe und Lage der Wohnung entspreche es der Billigkeit, die der Antragstellerin sonst aufzuerlegende Ausgleichszahlung um 24.000 EUR zu reduzieren.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Die rechtliche Wertung des Erstgerichts, jene Vorsorgeprodukte, aus denen der Antragsgegner monatliche Rentenzahlungen bezieht, als der Altersvorsorge dienend zu beurteilen und nicht in die Aufteilung einzubeziehen, sei nicht korrekturbedürftig. Der Umstand, dass der Antragsgegner die Wohnung 17 Jahre lang selbst nutzte, anstatt sie zu vermieten, habe vermögensrechtliche Auswirkungen gehabt. Der Sachverständige sei für das Jahr 2015 zu einem jährlichen Reinertrag von rund 2.400 EUR gelangt. Unter Berücksichtigung der unbekämpften Feststellung, dass die Wohnung ursprünglich um ca 2.000 ATS vermietet gewesen sei, sei der der Antragstellerin durch die unterlassene Vermietung entgangene Vermögenszuwachs durch den vom Erstgericht bei der Bemessung der Ausgleichszahlung berücksichtigten Betrag von rund 24.000 EUR in angemessener Weise abgegolten worden, um die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen, die ihr durch das ehewidrige Verhalten des Antragsgegners entstanden sind, auszugleichen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Unzulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts zulässig, weil die Beurteilung, das in Form der Rentenversicherungen vorhandene Vermögen sei bei der Aufteilung nicht zu berücksichtigen, in der höchstgerichtlichen Judikatur keine Deckung findet. Er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
1. Die von den Vorinstanzen unter Anwendung des § 83 EheG angenommene Vermögensaufteilung im Verhältnis 1:1 steht mit den Tatsachenfeststellungen im Einklang, sodass insoweit auf die Erwägungen des Rekursgerichts verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit die Revisionsrekurswerberin behauptet, beide Ehegatten hätten im Wesentlichen ein gleich hohes Einkommen gehabt und sie habe sich darüber hinaus überwiegend um Kindererziehung und Haushaltsführung gekümmert, setzt sie sich in deutlichen Widerspruch zu den Feststellungen des Erstgerichts, nach denen der Antragsgegner mehr verdient hat. Warum auch der Umstand der alleinigen Wohnungsnutzung durch den Antragsgegner über viele Jahre bei der Festsetzung der Aufteilungsquote zu berücksichtigen wäre, vermag die Revisionsrekurswerberin nicht zu erklären.
2. Zu Recht wendet sie sich aber gegen die– kaum begründete – Auffassung der Vorinstanzen, die zum Trennungszeitpunkt vorliegenden Kapitalwerte der Rentenversicherungen des Antragsgegners seien nicht als eheliche Ersparnisse zu berücksichtigen. Gemäß § 81 Abs 3 EheG sind eheliche Ersparnisse Wertanlagen, gleich welcher Art, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt haben und die ihrer Art nach üblicher Weise für eine Verwertung bestimmt sind. In der Rechtsprechung wird dazu etwa formuliert, diese Wertanlagen müssten ihrem Wesen nach, also nach der Verkehrsauffassung, für eine Verwertung bestimmt sein (RIS‑Justiz RS0057524), sei es nun substanziell (Veräußerung) oder durch die Erzielung von Erträgnissen (1 Ob 117/11d unter Hinweis auf 1 Ob 628/80, RIS‑Justiz RS0057331 [T8] sowie entsprechende Lehrmeinungen). Dass diese Verwertung – etwa durch Erzielung von Erträgnissen oder Inanspruchnahme in Raten – (zumindest zum Teil) erst in der Zukunft erfolgen soll, steht einer Einordnung als Ersparnis nicht entgegen, sofern es sich nicht um eine Altersvorsorge handelt, die das Ziel verfolgt eine gemessen an den üblichen Ansprüchen aus dem staatlichen Pensionssystem unzureichende finanzielle Versorgung aufzustocken. Wenn die Revisionsrekurswerberin etwa darauf hinweist, die monatlichen Auszahlungen aus diesen Versicherungen hätten an beide Ehegatten auf das gemeinsame Konto erfolgen sollen, stimmt dies insoweit mit den getroffenen Feststellungen überein, als (auch) diese Erträgnisse sogar noch nach der Trennung „bis zuletzt“ aufgeteilt wurden.
Die vom Revisionsrekursgegner in diesem Zusammenhang erwähnte zu 1 Ob 187/09w ergangene Entscheidung hatte einen anders gelagerten Fall zu beurteilen, nämlich Anwartschaftsrechte aus einem ohne ganz erhebliche Einbußen erst in Zukunft verfügbaren Pensionsfonds, in den ein Ehegatte während seiner beruflichen Tätigkeit im Ausland – zu gleichen Teilen mit dem Arbeitgeber – eingezahlt hatte, um das unzureichende ausländische staatliche Pensionssystem auszugleichen. Im vorliegenden Fall kann aber von einer vergleichbaren Situation keine Rede sein, nimmt der Antragsgegner offenbar ohnehin die volle inländische staatliche Pension in Anspruch und behauptet auch gar nicht, dass diese seinen „standesgemäßen“ Bedarf nicht decken würde. Es wäre auch nicht gerechtfertigt, einen Ehegatten, der Geldbeträge auf einem Sparbuch zurücklegt, um davon in der Pension monatlich „Aufbesserungen“ zu entnehmen, anders zu behandeln als den, der eine Rentenversicherung mit Einmalerlag abschließt und diesen vorher angesparten Betrag anschließend in monatlichen Raten (einschließlich der erzielten Veranlagungsgewinne) zurück bekommt. Auch solche Rentenversicherungen sind daher mit ihrem aktuellen „Barwert“ bzw „Rückkaufswert“ ebenso als eheliche Ersparnisse zu berücksichtigen, wie dies etwa bei den üblichen Er‑ und Ablebensversicherungen der Fall ist (vgl nur 6 Ob 628/80, 1 Ob 187/09w, 1 Ob 117/11d mwN). Dass die Werte der Rentenversicherungen des Antragsgegners (zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft) nicht feststehen, steht einer endgültigen meritorischen Erledigung nicht entgegen. Das Rechtsmittel der Antragstellerin hätte– wie noch zu zeigen sein wird – auch dann keinen Erfolg, wenn man von dem von ihr behaupteten Wert von insgesamt 26.800 EUR ausginge, von dem ihr die Hälfte zustünde.
3. Im Zusammenhang mit der unterbliebenen hypothetischen Vermögensvermehrung wegen der langjährigen Nutzung der Wohnung durch den Antragsgegner zu eigenen Zwecken verweist die Revisionsrekurswerberin in erster Linie auf § 91 Abs 1 EheG, der allerdings nur jene Fälle regelt, in denen ein Ehegatte – in einem bestimmten Zeitraum – eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in einer der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten widersprechenden Weise verringert hat. Eine solche Verringerung hat hier aber nicht stattgefunden, hat der Antragsgegner doch die vorher in kleineren Beträgen entnommenen Gelder dem gemeinsamen Konto monatlich wieder gutgebracht. Selbst wenn man die genannte Vorschrift analog anwenden wollte, was die Revisionsrekurswerberin mit ihren Ansinnen anstrebt, der Antragsgegner sei so zu behandeln, als wäre ihm der Mietertrag zumindest der letzten beiden Jahre zugekommen, hätte man sich auf den Einnahmenentfall in diesem Zeitraum zu beschränken, den die Revisionsrekurswerberin bei ihrer Berechnung mit (nur) 3.200 EUR in Ansatz bringt; nach den Ausführungen als Rekursgericht wäre für zwei Jahre ein Reinertrag von rund 4.800 EUR möglich gewesen. Wie man unter Anwendung der §§ 81 ff EheG zu einem erheblich höheren Betrag gelangen könnte, vermag sie nicht nachvollziehbar zu erklären. Wenn sie argumentiert, die Veranlagung wäre Aufgabe des Antragsgegners gewesen und dieser sei dabei nicht nur nicht sorgfältig vorgegangen, sondern habe sogar vorsätzlich die möglichen ehelichen Ersparnisse verringert, ist nicht ersichtlich, aus welchen gesetzlichen Normen sich die von ihr angestrebte Rechtsfolge ergeben sollte, eine Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichszahlung entfallen zu lassen (oder diese erheblich zu vermindern). Soweit sie ganz allgemein auf den Grundsatz der Billigkeit verweist, legt sie nicht dar, welches der in § 83 EheG genannten Kriterien hier zum Tragen kommen könnte. Das Argument, der Antragsgegner habe sich die Anmietung einer anderen, für seine außerehelichen Aktivitäten geeigneten, Wohnung erspart, lässt unbeachtet, dass sogar ein eigenmächtiger und „ehewidriger“ Verbrauch von Ersparnissen gemäß § 91 Abs 1 EheG nur für einen Zeitraum von Bedeutung wäre, der zwei Jahre vor der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft beginnt.
4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich ohne Berücksichtigung der alleinigen Wohnungsnutzung durch den Antragsgegner unter Einbeziehung der Rentenversicherungen rechnerisch eine von der Antragstellerin zu leistende Ausgleichszahlung von mindestens 80.600 EUR ergäbe. Wenn nun die Vorinstanzen unter Berufung auf den Billigkeitsgedanken des § 83 EheG davon im Ergebnis einen Abzug von (zumindest) 10.600 EUR vorgenommen haben, kann sich die Antragstellerin nicht beschwert erachten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG.
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