Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 2.011,32 EUR (darin 335,22 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Im Revisionsrekursverfahren geht es allein um die Frage, ob ein bestimmter Vermögenswert, nämlich Ansprüche des Antragsgegners aus näher darzulegenden Veranlagungen, in die Aufteilungsmasse fällt.
Im Sommer 1990 trat der Antragsgegner - nach bisheriger beruflicher Tätigkeit in Österreich - eine Stelle an einer amerikanischen Universität an, an der er bis Mai 1997 tätig war. Er verdiente im Jahr 50.000 USD brutto. Angesichts seiner Tätigkeit bei einer staatlichen Universität war er verpflichtet, einen Pensionsfonds zu „zeichnen", wobei der Arbeitgeber 50 % der Einzahlungen übernimmt. Im Juni 1998 betrug die Summe aller Einlagen der vom Antragsgegner ausgewählten Fonds 92.178,96 USD, wovon 35.062,94 USD auf Arbeitgeberbeiträge entfielen. Der Gesamtwert der Einlagen schwankte. Er betrug zum 31. 12. 2008 143.525,93 USD. Mit Erreichen des 55. Lebensjahres des Antragsgegners, also im November 2013, ist der Gesamtbetrag verfügbar. Bei vorzeitiger Kapitalentnahme sind die Arbeitgeberbeiträge zurückzuzahlen und ist der entnommene Betrag in den USA zu versteuern. Bisher tätigte der Antragsgegner keine Behebungen.
Anlässlich der Übersiedlung der Familie nach Deutschland im Juni 1997 erkundigten sich die Ehegatten über die Möglichkeiten, die Fonds vorzeitig aufzulösen. Es wurde ihnen mitgeteilt, dass ein Betrag von rund 28.000 USD ausbezahlt werden könnte, von dem noch die Steuern zu entrichten gewesen wären. Nachdem dies den Ehegatten unwirtschaftlich erschien, sahen sie einvernehmlich von einer vorzeitigen (teilweisen) Entnahme aus den Fonds ab.
Die eheliche Lebensgemeinschaft wurde Ende Juli 1998 durch den Auszug des Antragsgegners aus der gemeinsamen Ehewohnung aufgehoben.
Das Erstgericht wies den Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner - bei Verbleiben der Ansprüche aus diesen Fonds bei ihm - zur Leistung einer Ausgleichszahlung zu verpflichten, ebenso ab wie das auf eine „Natursplittung" - also die teilweise Übertragung von Ansprüchen an die Antragstellerin - gerichtete Eventualbegehren. Während der Ehe erworbene Anwartschaften auf zukünftige Werte oder Optionen - etwa ein künftiger Pensionsanspruch - blieben von der Aufteilung ausgeklammert. Zum Aufteilungsvermögen gehörten nur Sachen, die zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft zum ehelichen Gebrauchsvermögen oder zu den ehelichen Ersparnissen gehört hätten. Es bestehe zwar die Möglichkeit, die in Frage stehenden Rentenfonds zu splitten; diese Vorgangsweise decke sich inhaltlich mit einem Versorgungsausgleich nach deutschem Recht, der allerdings dem österreichischen (Familien- und Sozialversicherungs-)Recht unbekannt sei. Habe ein Ehegatte während der Dauer der Ehe Versicherungsmonate erworben, bleibe er auch nach Ehescheidung ungeschmälert im Besitz seiner Anwartschaften gegenüber dem Versicherungsträger. Von einer Ersparnis könne nur bei Wertanlagen gesprochen werden, die ihrer Art nach üblicherweise für die Verwertung bestimmt seien. Die Anerkennung von Versorgungsanwartschaften als eheliche Ersparnis stünde auch mit dem Unterhaltsrecht in Widerspruch, weil dem Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Aufteilungsverfahrens die Hälfte seiner Versicherungsanwartschaften und damit die Grundlage zur Tilgung der (künftigen) Unterhaltspflichten entzogen würde; die Antragstellerin werde mit ihrem Unterhaltsanspruch gegenüber dem Antragsgegner in Zukunft ohnehin an den amerikanischen Rentenfonds teilhaben. Es käme auch nicht in Betracht - etwa wie bei Lebensversicherungen - die Arbeitnehmerbeiträge des Antragsgegners (abzüglich der darauf entfallenden Steuerbelastung) als eheliches Ersparnis zu betrachten und in die Aufteilung einzubeziehen. Der Antragsgegner habe die Rentenfonds nicht freiwillig, sondern - wie seine Kollegen - deshalb abgeschlossen, weil er dazu verpflichtet gewesen sei. Im Aufteilungsverfahren gebe es auch keinen „Anspannungsgrundsatz", nach dem ein Ehegatte verpflichtet werden könnte, bereits erworbene Anwartschaften frühzeitig zu realisieren.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Der Antragsgegner sei dazu verpflichtet gewesen, im Rahmen eines „Mehrsäulensystems" der Alterssicherung anlässlich seiner Beschäftigung an der amerikanischen Universität bestimmte Fonds zu zeichnen, die schon in ihrer Bezeichnung auf den Pensionsfall („retirement") verweisen. Es gehe also um Pensionsanwartschaften zur Altersvorsorge, wodurch der eigentliche Zweck der vom Antragsgegner erworbenen Anwartschaften bestimmt werde. Es handle sich damit nicht um Wertpapiere, die ihrer Art nach üblicherweise für die Verwertung bestimmt seien, was aber Voraussetzung für eine Einbeziehung in die nacheheliche Aufteilung als Ersparnisse wäre. Die vom Erstgericht somit zutreffend als „Pensionsfonds" bezeichneten Wertpapiere ließen sich durchaus mit Anwartschaften auf Pensionsabfindungen vergleichen, denen das Höchstgericht die Einbeziehung in die Aufteilungsmasse versagt habe. Sie seien hingegen nicht mit Er- und Ablebensversicherungen vergleichbar, weil solche - jedenfalls in der Regel - nicht der Pensionsvorsorge dienten. Daran werde die Antragstellerin dereinst unterhaltsrechtlich partizipieren können. Ihr Argument, der Antragsgegner müsse die Wertpapiere nach Erreichen des 55. Lebensjahres ja nicht auflösen, lasse den im Unterhaltsrecht geltenden Anspannungsgrundsatz unberücksichtigt. Ob der Antragsgegner während seiner Tätigkeit in den USA darüber hinaus „credits" gesammelt habe, die für den Erwerb einer staatlichen Pension ausreichten, sei rechtlich unbeachtlich.
Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur allfälligen Einbeziehung der in den US-Rentenfonds angesammelten Werte in die nacheheliche Aufteilung sei der Revisionsrekurs zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts und der Antragstellerin erweist sich deren Revisionsrekurs als unzulässig, weil eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu lösen ist. Es ist nicht Aufgabe des österreichischen Obersten Gerichtshofs, Grundsatzentscheidungen zu den verschiedensten ausländischen Modellen zur Pensionsvorsorge zu treffen und in jedem Einzelfall die Frage der Einbeziehung derartiger Vermögenswerte in die nacheheliche Aufteilung zu beurteilen. Das Rekursgericht ist bei seiner Entscheidung von den in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs entwickelten Grundsätzen ausgegangen und hat diese in unbedenklicher Weise auf den zu lösenden Einzelfall angewendet.
Neben den Gegenständen des ehelichen Gebrauchsvermögens fallen gemäß § 81 Abs 3 EheG als eheliche Ersparnisse auch Wertanlagen in die Aufteilungsmasse, die die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft angesammelt haben und die „ihrer Art nach üblicherweise" für eine Verwertung bestimmt sind. Zutreffend legt die Revisionsrekurswerberin dazu dar, dass in der Rechtsprechung etwa Ansprüche aus den üblichen Lebensversicherungsverträgen als ihrer Art nach üblicherweise für eine Verwertung bestimmte Wertanlagen angesehen werden, wobei der Rückkaufswert der Aufteilung unterliegt; Pensionsanwartschaften oder Ansprüche auf vorzeitige Pensionsauszahlungen sind hingegen nicht als eheliche Ersparnisse anzusehen (vgl nur RIS-Justiz RS0057331).
Richtig ist zweifellos, dass bestimmte Mischformen von „Zukunftsvorsorgeprodukten" nicht auf den ersten Blick als der Aufteilung unterliegend oder aber von ihr ausgenommen qualifiziert werden können. Jeweils ist zu fragen, ob es sich nach dem grundsätzlichen Abgrenzungsmodell des § 81 Abs 3 EheG um ihrer Art nach üblicherweise - also nach der Verkehrsauffassung (RIS-Justiz RS0057524) - für eine Verwertung bestimmte Wertanlagen handelt. Dies trifft nun auf typischerweise der Altersvorsorge dienende „Finanzprodukte" nicht zu, sodass diese - von Missbrauchsfällen abgesehen - in die nacheheliche Aufteilung regelmäßig nicht einzubeziehen sind.
Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen zutreffend darauf abgestellt, dass die (verpflichtende) Veranlagung bestimmter Teile des Einkommens (zuzüglich entsprechender Zuzahlungen durch den Dienstgeber) der Altersvorsorge dienen sollte, was um so mehr einleuchtet, als in vielen Staaten - so wohl auch in den USA - das staatliche Pensionssystem nur eine Minimalversorgung gewährleistet und insbesondere höher qualifizierten Beschäftigten keine standesgemäße Altersversorgung sichert. Dazu kommt, dass gerade im wissenschaftlichen Bereich ein häufigerer Arbeitsplatzwechsel über Staatsgrenzen hinaus keineswegs selten ist, was den Erwerb von Pensionsansprüchen in den Pensionssystemen einzelner Staaten weiter erschwert. Dem soll offenbar die für Universitätslehrer verpflichtende Beteiligung an bestimmten (auch vom Dienstgeber dotierten) Altersvorsorgemodellen abhelfen, die dem betroffenen Arbeitnehmer unabhängig vom allfälligen Erwerb staatlicher Pensionsansprüche ab einem gewissen Alter Geldleistungen sichern sollen.
In unbedenklicher Weise haben daher die Vorinstanzen die Ähnlichkeit der hier vom Antragsgegner in Anspruch genommenen Altersvorsorge mit etwa auch in Österreich üblichen Modellen mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen bejaht und eine Anwendung der Rechtsprechung zu Lebensversicherungsverträgen, die üblicherweise - als „Sparform" - viel eher ihrer Art nach für eine Verwertung bestimmt sind, verneint. „Ihrer Art nach" zielt die hier zu beurteilende Veranlagung eben in erster Linie auf die materielle Versorgung des Berechtigten im Alter ab, mag daneben auch eine frühere Auszahlung möglich sein, die allerdings mit wirtschaftlich ganz unvernünftigen Verlusten verbunden wäre, und dies daher schon deshalb bei der Frage, wofür die Anlage - objektiv betrachtet - „üblicherweise" bestimmt ist, in den Hintergrund rücken muss. Davon, dass diese Altersvorsorge der in Deutschland oder Österreich als fondsgebundene Er- und Ablebensversicherung üblichen Zukunftsvorsorge entspräche, kann entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin keine Rede sein. Ebensowenig kommt es darauf an, ob es sich um „verfügbares Vermögen" handelt, das verwertet hätte werde können bzw jederzeit - allerdings mit ganz erheblichen Nachteilen - verwertet werden kann.
Haben nun die Vorinstanzen in unbedenklicher Weise die Auffassung vertreten, dass die Ansprüche des Antragsgegners nicht in die Aufteilungsmasse fallen, kommt auch die von der Antragstellerin hilfsweise angestrebte „Splittung" der Ansprüche (und teilweise Übertragung an sie) nicht in Betracht. Dass der Antragsgegner etwa übermäßige, mit seinen Lebensverhältnissen und Unterhaltspflichten unvereinbare Einzahlungen in die Vorsorgefonds getätigt hätte, behauptet die Antragstellerin gar nicht, sodass auch nicht unter diesem Aspekt zu prüfen ist, ob ein Teil des angesparten Vermögens allenfalls als eheliche Ersparnisse zu qualifizieren wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 203 Abs 9 AußStrG neu iVm § 234 AußStrG alt. Der Antragsgegner hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Antragstellerin hingewiesen, sodass sich sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt. Nach dem Billigkeitsgrundsatz des § 234 AußStrG alt erscheint die volle Kostenersatzpflicht der Revisionswerberin, die den rechtlichen Argumenten der Vorinstanzen nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen hatte, angemessen.
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