OGH 13Os27/17w

OGH13Os27/17w11.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Wolfgang H***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. November 2016, GZ 72 Hv 121/16i‑81, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Koenig, des Angeklagten Wolfgang H***** und seines Verteidigers Dr. Naske zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00027.17W.1011.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wolfgang H***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG (A/I) und nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (C), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 15 StGB, § 28 Abs 1 erster Fall SMG (D/I) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (D/II) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

(A/I) vom Jänner 2011 bis zum 2. Juli 2016 in zahlreichen Angriffen in einer das 15‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, nämlich 67 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 60 % Cocain, 0,8 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 69,94 % Cocain und 480 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 40 % Cocain,

(C) vom November 2008 bis zum 2. Juli 2016 als Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge ein‑ und ausgeführt, indem er den hiefür unter einem rechtskräftig verurteilten Arpad T***** in mehreren Angriffen dazu bewegte, 250 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 23,39 % Cocain, 1,4 Kilogramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 40 % Cocain und 24,9 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 65,6 % Cocain aus Rumänien auszuführen und über Ungarn nach Österreich einzuführen,

(D/I) Am 2. Juli 2016 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz zu erwerben versucht, dass es in Verkehr gesetzt werde, nämlich 24,9 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 65,6 % Cocain, und

(D/II) vom Jänner 2011 bis zum 1. Juli 2016 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, nämlich Marihuana mit den Wirkstoffen Delta‑9‑THC und THCA sowie Kokain mit dem Wirkstoff Cocain.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 9 (richtig) lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wolfgang H***** geht – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – fehl.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider sind die Feststellungen zum Reinheitsgrad der von den Schuldsprüchen A, C und D umfassten Suchtgiftmengen keineswegs offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Das Erstgericht stützte sich hiebei auf mehrere Untersuchungsberichte zu sichergestellten Suchtgiftquanten, die Verantwortung des Beschwerdeführers sowie die Aussagen mehrerer Zeugen, wonach das ihnen vom Beschwerdeführer überlassene Kokain gute, gleichbleibende Qualität aufgewiesen habe (US 11 f), was mit den Denkgesetzen ebenso im Einklang steht wie mit grundlegenden Erfahrungssätzen und solcherart unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

Der Einwand, das Erstgericht habe im Rahmen der beweiswürdigenden Überlegungen zum Reinheitsgrad „nicht den im unmittelbar 'angrenzenden' Jahr 2010 im Verfahren labormäßig festgestellten Wert von 23,39 % berücksichtigt“ (Z 5 zweiter Fall), wird nicht aus konkreten Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) abgeleitet und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (13 Os 74/07t, SSt 2007/74; RIS‑Justiz RS0118316 [T5]).

Soweit die Beschwerde die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf das Überschreiten der jeweiligen Qualifikationsgrenze durch kontinuierliche Delinquenz hinsichtlich kleinerer Mengen (A, C) sowie auf die Bestimmung zur Ein‑ und Ausfuhr (C) als offenbar unzureichend begründet bezeichnet, erschöpft sie sich darin, den tatrichterlichen Überlegungen eigene Beweiswerterwägungen entgegenzusetzen. Damit wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts (§ 258 Abs 2 StPO).

Die Tatrichter erörterten die Verantwortung des Beschwerdeführers und legten in eingehender Beweiswürdigung (US 10 bis 13) dar, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie dieser nicht folgten. Eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit sämtlichen Details der Angaben des Beschwerdeführers hätte das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verletzt.

Die Aussage des Zeugen Peter S*****, wonach er „aus Erzählungen sehr wohl die Geschichte“ kenne, dass es „nach der ersten Verurteilung des 1.‑Angeklagten eine Pause gegeben haben muss“ (ON 80 S 28), steht den Konstatierungen zur subjektiven Tatseite nicht im Sinn der Z 5 zweiter Fall erörterungsbedürftig entgegen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) entwickelt die Behauptung fehlender Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Ein‑ und Ausfuhr von Suchtgift (C) nicht aus den diesbezüglichen Urteilskonstatierungen (US 8) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch D/I die Anwendung des § 28 Abs 4 SMG fordert, spricht sie keine unter dem Aspekt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes relevante Norm an. § 28 Abs 4 SMG ist nämlich – ebenso wie § 28a Abs 3 SMG – eine Strafrahmenvorschrift und lässt als solche die Subsumtion unberührt (13 Os 151/07s, SSt 2008/2; RIS‑Justiz RS0123175 [insbesondere T6]; vgl auch 12 Os 93/08f [zu § 27 Abs 5 SMG]). Für die Strafrahmenbildung (gegebenenfalls Z 11 erster Fall) kommt § 28 Abs 4 SMG in concreto ebenfalls keine Bedeutung zu, weil hier insoweit § 28a Abs 4 SMG maßgebend ist (US 4).

Das Erstgericht stellte zu den Schuldsprüchen A, C und D/I jeweils die tatverfangene Suchtgiftmenge, deren Reinsubstanzgehalt und den auf Überschreiten der Grenzmenge (D/I) bzw des 15‑Fachen (A/I) und des 25‑Fachen (C) dieser Menge gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers fest (US 7 bis 9). Weshalb es zur rechtsrichtigen Subsumtion darüber hinausgehender Konstatierungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf den „Reinheitsgehalt des tatgegenständlichen Suchtgifts“ bedurft hätte, leitet die Beschwerde nicht aus dem Gesetz ab (siehe aber 12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Soweit sich die Rüge hinsichtlich der Schuldsprüche A/I und C gegen die jeweilige Bildung einer Subsumtionseinheit wendet, argumentiert sie nicht auf der Basis der Feststellungen zum Additionsvorsatz (US 7 f) und verfehlt solcherart einmal mehr den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Entsprechendes gilt für den Einwand fehlender Möglichkeit zur Delinquenz infolge Inhaftierung des Beschwerdeführers. Insoweit kommt hinzu, dass schon die Beschwerdeprämisse einer – tatsächlichen – achtmonatigen Haftdauer den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen ist (siehe insbesondere US 5).

Das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11), das Erstgericht hätte im Sinn des § 31 Abs 1 StGB auf ein Urteil vom 27. April 2010 Bedacht nehmen müssen, ist im Hinblick darauf, dass der aktuelle Tatzeitraum bis zum 2. Juli 2016 reicht, verfehlt. Eine Tat hätte nämlich nur dann „in dem früheren Verfahren abgeurteilt werden können“ (§ 31 Abs 1 erster Satz StGB), wenn eine gemeinsame Verfahrensführung in erster Instanz möglich gewesen wäre. Demgemäß müssen bei Tatmehrheit unter dem Aspekt des § 31 Abs 1 StGB sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrundeliegenden Taten vor dem Vor‑Urteil erster Instanz begangen worden sein ( Ratz in WK² StGB § 31 Rz 2; Tischler SbgK § 31 Rz 11, jeweils mwN).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über Wolfgang H***** nach § 28a Abs 4 SMG eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren (US 4 f). Bei der Strafbemessung wertete es „die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen, den langen Tatzeitraum“ und „die mehrfachen Tatangriffe“ erschwerend, das „teilweise reumütige Geständnis, die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist“ mildernd (US 16).

Die gegen diesen Strafausspruch erhobene Berufung des Angeklagten Wolfgang H*****, die auf eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe sowie die Gewährung bedingter Nachsicht der Strafe oder eines Teils davon zielt, ist nicht im Recht.

Nach der vom Obersten Gerichtshof am 28. September 2017 eingeholten Strafregisterauskunft weist der Angeklagte bislang zehn strafgerichtliche Vorverurteilungen auf, davon eine wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und eine andere wegen Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen nach dem SMG. Hievon ausgehend ist der besondere Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 2 StGB jedenfalls qualifiziert erfüllt, womit es dahinstehen kann, ob zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorverurteilungen als „zahlreich“ zu bezeichnen sind.

Das Motiv, sich durch die hier in Rede stehende Delinquenz Mittel zur Befriedigung der eigenen Sucht zu verschaffen, verwirklicht keinen der Milderungstatbestände des § 34 StGB, ist aber im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (insoweit § 32 Abs 3 StGB) zu berücksichtigen.

Ausgehend von der Gesamtheit dieser Grundsätze (§ 32 StGB) sowie unter Berücksichtigung der besonderen Erschwerungsgründe des § 33 Abs 1 Z 1 und 2 StGB sowie der besonderen Milderungsgründe des § 34 Abs 1 Z 13, 14 und 17 StGB erweist sich bei einer Strafdrohung von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (§ 28a Abs 4 SMG) die vom Erstgericht ausgemessene Sanktion einer Reduktion nicht zugänglich.

Im Hinblick darauf wäre die Anwendung des § 43 StGB oder des § 43a StGB nur im Rahmen der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 Abs 3 StGB) möglich, was hier nicht in Rede steht.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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