OGH 7Ob140/17i

OGH7Ob140/17i21.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei N*, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Gemeinde H*, vertreten durch Mag. Dr. Gerit Katrin Jantschgi, Rechtsanwältin in Graz, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Juni 2017, GZ 7 R 70/17s‑10, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E119460

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellen die in den Gemeindeordnungen enthaltenen Vorschriften über die Vertretung der Gemeinde nicht bloß Organisationsvorschriften über die interne Willensbildung öffentlich‑rechtlicher Körperschaften dar, sondern sie beinhalten eine Beschränkung der allgemeinen Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters (RIS‑Justiz RS0014664). Eine nicht durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluss gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet mangels der hiefür erforderlichen Vertretungsbefugnis die Gemeinde grundsätzlich nicht (RIS‑Justiz RS0014664 [T6]) und sie ist gegenüber dem Erklärungsempfänger unwirksam (9 ObA 144/16s).

2. Allerdings wird ein ohne Einhaltung der entsprechenden Organisationsvorschriften geschlossener Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen dennoch für wirksam erkannt bzw dessen nachträgliche Wirksamkeit bejaht:

2.1 Zum einen erkennt der Oberste Gerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass ein Vertrag mit der Gemeinde auch schlüssig abgeschlossen werden kann. Auch wenn eine Vertretungshandlung des Bürgermeisters wegen eingeschränkter Vertretungsmacht der Gemeinde gemäß § 867 ABGB nicht zuzurechnen ist, ist der Vertragspartner jedenfalls in seinem Vertrauen auf den äußeren Tatbestand zu schützen, wenn das zuständige Organ (der Gemeinderat) den Anschein erweckt hat, die Handlung sei durch seine Beschlussfassung gedeckt (8 Ob 111/07t mwN; vgl auch RIS‑Justiz RS0020396; RS0014110; RS0014699).

2.2 Zum anderen kommt eine nachträgliche Genehmigung des ohne ausreichende Vertretungsmacht geschlossenen Geschäfts nach der auch für Gemeinden geltenden Regel des § 1016 erster Fall ABGB (RIS‑Justiz RS0014709), die auch schlüssig möglich ist, in Betracht. Konkludente Genehmigung erfordert, dass der Vertreter oder der Dritte nach den Umständen des Falls darauf vertrauen durfte und vertraut hat, dass der vollmachtslos Vertretene ihm gegenüber zum Ausdruck bringen will, dass er mit dem ohne Vollmacht geschlossenen Geschäft einverstanden ist. Es darf also für den Vertreter oder den Dritten kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln sein, dass der unwirksam Vertretene ihm gegenüber einen solchen Willen äußern wollte. Dabei kann die Genehmigung durch ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung gegenüber dem Vertreter (intern) oder gegenüber dem Dritten (extern) erfolgen (3 Ob 57/15a, vgl auch RIS‑Justiz RS0014374, RS0021980).

2.3 Schließlich ist auch eine Genehmigung durch Vorteilszuwendung iSd § 1016 zweiter Fall ABGB denkbar. Die Vorteilszuwendung erfolgt nicht durch empfangsbedürftige Erklärung, sondern durch Willensbetätigung. Damit die Vorteilszuwendung als Genehmigung wirkt, muss der Geschäftsherr davon wissen, dass in seinem Namen kontrahiert wurde und dass der Vorteil aus diesem Geschäft stammt, das er nunmehr will. Dabei muss der Geschäftsherr den Inhalt des geschlossenen Geschäfts– zumindest in den Grundzügen – kennen (3 Ob 57/15a, vgl auch RIS‑Justiz RS0125514).

3. Das Rekursgericht bejahte im gegenständlichen Provisorialverfahren, in dem die Beklagte – trotz Einräumung der Möglichkeit – im erstgerichtlichen Verfahren keine Äußerung erstattete, eine konkludente Genehmigung der strittigen Nachtragsvereinbarung durch den Gemeinderat iSd § 1016 erster Fall ABGB.

Die Streitteile schlossen – nach Beschlussfassung durch den Gemeinderat – eine Vereinbarung über die näher bezeichnete Nutzung einer Eishalle gegen Entgelt, berechnet nach konsumierten Eiszeiteinheiten für den Zeitraum 30. 11. 2007 bis 30. 4. 2012. Bereits in dieser Vereinbarung wurde die Möglichkeit einer Verlängerung festgehalten. Auf ihrer Grundlage nutzte und verwaltete der Kläger die Eiszeiten nach einem Terminplan alleine. Die Beklagte trug die gesamte Einrichtung, insbesondere Eismeister und Eismaschine bei. 2013 kamen die Streitteile in einen Nachtrag zur Nutzungsvereinbarung – bei gleichzeitiger Erhöhung des Nutzungsentgelts und Aufrechterhaltung sämtlicher übriger Bestimmungen – überein, diese vom 1. 5. 2012 bis 30. 4. 2022 zu verlängern. Die Nachtragsvereinbarung wurde vom Bürgermeister ohne Beschlussfassung des Gemeinderats unterfertigt. Bescheinigt ist weiters, dass die Gemeinderäte demnach die Nachtragsvereinbarung kannten und sie keine Reaktion setzten, obwohl die Nutzung durch den Kläger unverändert gegen Leistung des vereinbarten höheren Entgelts – unbeanstandet bis 2016 – erfolgte.

Wenn das Rekursgericht vor diesem Hintergrund die Rechtsansicht vertrat, dass der Bürgermeister – ebenso wie der Kläger – davon ausgehen konnte, dass der Gemeinderat die vollmachtslos abgeschlossene Nachtragsvereinbarung genehmigt hatte bzw dass sich die Beklagte den Vorteil aus dem Geschäft zuwendete, stellt dies keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Die – unter dem neuen Bürgermeister – erst 2016 allenfalls gegenteilig gefassten Beschlüsse des Gemeinderats und die Einbringung einer auf titellose Benützung gegründeten Räumungsklage durch die Beklagte stehen einer davor liegenden – vertretbar angenommenen – Genehmigung nicht entgegen.

4. Das vom Rekursgericht bejahte Vorliegen der Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO wird von der Beklagten nicht angezweifelt.

5. Eines Eingehens auf die Frage, ob zwischen den Streitteilen ein dem MRG zu unterstellendes Mietrechtsverhältnis begründet wurde, erübrigt sich damit.

6. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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