OGH 3Ob136/17x

OGH3Ob136/17x20.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dr. G*, vertreten durch Brandner und Doschi Rechtsanwälte OG in Feldkirch, gegen die Antragsgegnerin Republik Österreich (Einbringungsstelle) vertreten durch die Finanzprokuratur, *, wegen Einwendungen nach §§ 35, 36 EO, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 11. Mai 2017, GZ 3 R 111/17x‑12, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Feldkirch vom 6. April 2017, GZ 10 Fam 2/17y‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E119402

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 348,98 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist als Vater für seine inzwischen volljährige Tochter unterhaltspflichtig.

Mit Beschluss vom 23. Juli 2010 bewilligte das Erstgericht der Tochter für den Zeitraum vom 1. Mai 2010 bis 30. April 2015 aufgrund der vorangegangenen Unterhaltsfestsetzung Unterhaltsvorschüsse von monatlich 300 EUR.

Mit dem pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich vom 29. November 2010 verpflichtete sich der Vater rückwirkend ab 1. Mai 2010 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 300 EUR.

Mit Beschluss vom 5. März 2014 erhöhte das Erstgericht die Unterhaltsvorschüsse rückwirkend ab 1. Oktober 2013 aufgrund vorangegangener Unterhaltserhöhung ab Oktober 2013 auf monatlich 550 EUR.

Mit Ablauf des Oktober 2014 stellte das Erstgericht schließlich die der Unterhaltsberechtigten gewährten Unterhaltsvorschüsse ein (Beschluss vom 3. November 2014).

Im Zeitraum Mai 2010 bis Oktober 2014 erhielt die Unterhaltsberechtigte insgesamt Vorschüsse in Höhe von 19.442,41 EUR ausbezahlt. Der Antragsteller leistete im Wege der zuständigen Bezirkshauptmannschaft gemäß §§ 26, 27 UVG Rückzahlungen von insgesamt 16.942,41 EUR, sodass noch 2.500 EUR unberichtigt aushaften.

Am 15. Dezember 2016 bewilligte das Erstgericht der Republik Österreich wider den Antragsteller die Exekution zur Hereinbringung des Restbetrags von 2.500 EUR sowie der mit 172,50 EUR bestimmten Kosten des Antrags. Die Republik Österreich habe Vorschüsse auf den gesetzlichen Unterhalt gewährt, die unberichtigt aushafteten und gemäß § 30 UVG in Folge Beendigung der gesetzlichen Vertretung auf die Republik Österreich übergegangen seien.

Der Antragsteller beantragte in seinem als „Klage“ bezeichneten Antrag, die Exekutionsbewilligung aufzuheben und die Republik Österreich (Antragsgegnerin) zu verpflichten, „die Kompromissverhandlungen – unter Einbeziehung der Kindesmutter – wiederaufzunehmen“. Die Unterhaltsvorschüsse hätten schon früher von Amts wegen eingestellt werden müssen. Der Antragsteller sei entgegen den Behauptungen nicht in Zahlungsverzug gewesen. Die Vorschussgewährung basiere auf falschen Angaben des Jugendamts, die vom Gericht nicht überprüft worden seien. Am 19. Mai 2014 habe eine Besprechung beim damaligen Bezirkshauptmann stattgefunden, wobei es um die Vorgangsweise bezüglich der Restforderung von 2.500 EUR gegangen sei, von denen fest stehe, dass sie doppelt an die Mutter ausbezahlt worden seien. Ergebnis der Besprechung sei der klare Auftrag des Bezirkshauptmanns an den Leiter des Jugendamts gewesen, „für diese 2.500 EUR einen Kompromiss zu finden“. Der Leiter des Jugendamts habe zunächst nichts unternommen, schlussendlich sei die Exekution beantragt worden. Die Weisung, einen Kompromiss zu finden, komme rechtlich einem nachträglichen Verzicht auf den Exekutionstitel gleich. Der Antragsteller wäre bereit gewesen, vergleichsweise ein Drittel der ausstehenden Summe freiwillig zu bezahlen.

Die Antragsgegnerin erklärte, weder zur Einstellung der Exekution noch zum vorgeschlagenen Vergleichsabschluss bereit zu sein, weil die betriebene Forderung zu Recht bestehe.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Unterhaltsvorschüsse seien rechtmäßig ausgezahlt worden, die vom Antragsteller behauptete Doppelzahlung an die Mutter bilde keinen Oppositionsgrund, weil die Unterhaltsbeiträge ab Zustellung des Beschlusses über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nicht mehr schuldbefreiend an die Mutter geleistet werden könnten.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob auch die auf den Bund nach § 30 UVG übergegangenen Unterhaltsansprüche als Oppositions‑ oder Impugnationsanträge im außerstreitigen Verfahren zu behandeln seien.

Nach der Konstruktion des Unterhaltsvorschussgesetzes bleibe das Kind ungeachtet der Gewährung von Vorschüssen vorerst Gläubiger des Unterhaltsanspruchs und Schuldner gegenüber dem Bund. Erst mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger gingen die noch nicht eingebrachten Unterhaltsforderungen des Kindes gemäß § 30 UVG auf den Bund über, sodass der Unterhaltspflichtige Schuldner des Bundes werde. Bis zum Eintritt dieser Legalzession habe der Kinder‑ und Jugendhilfeträger als Vertreter des Kindes für die Eintreibung des Unterhalts beim Unterhaltsschuldner zu sorgen. Dabei habe er im Interesse des Kindes unter Berücksichtigung der Regressinteressen des die Vorschüsse auszahlenden Bundes vorzugehen. Ungeachtet des engen Wortlauts seien die Bestimmungen der §§ 35 Abs 2 dritter Satz, 36 Abs 2 dritter Satz EO weit auszulegen, sodass darunter jede Art von vollstreckbarem Exekutionstitel für einen (auch durch Legalzession) übertragenen Unterhaltsanspruch zu verstehen sei. Die vom Antragsteller erhobene „Klage“ sei daher in einen im Außerstreitverfahren zu behandelnden Sachantrag umzudeuten. Die hier vom Bund auf der Grundlage der Legalzession des § 30 UVG betriebenen Unterhaltsansprüche resultierten aus vom Unterhaltsschuldner nicht hereingebrachten an das Kind geleisteten Unterhaltsvorschüssen, die gemäß § 31 Abs 1 UVG vom Präsident des Oberlandesgerichts zwangsweise hereinzubringen seien. Der Unterhaltsberechtigte dürfe über den übergegangenen Anspruch nicht mehr verfügen. Der Bund als Legalzessionar sei aber an Vereinbarungen, die das Kind, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, vor Eintritt der Legalzession mit dem Unterhaltsschuldner getroffen habe, ebenso gebunden wie an die Bestätigung eines Zwangsausgleichs oder Zahlungsplans oder die Erteilung der Restschuldbefreiung im Abschöpfungsverfahren. Bis zur Beendigung der gesetzlichen Vertretung habe der Kinder‑ und Jugendhilfeträger neben den Interessen des Kindes auch die fiskalischen Interessen des Bundes wahrzunehmen, dem materiell die Forderung auf Rückzahlung von Vorschüssen zustehe. Der Kinder‑ und Jugendhilfeträger sei daher nicht befugt, zu Lasten des Bundes etwa eine andere als die gesetzliche Reihenfolge des § 27 Abs 1 UVG einzuhalten, Ratenzahlungen zu gewähren oder einem außergerichtlichen Ausgleich ohne Billigung des zuständigen Präsidenten des Oberlandesgerichts zuzustimmen. Ob eine allfällige Erklärung des Bezirkshauptmanns am 19. Mai 2014 ohne Billigung des Präsidenten des Oberlandesgerichts zu Lasten des Bundes überhaupt wirksam sein könnte, müsse hier aber nicht abschließend beurteilt werden. Die Anweisung des Bezirkshauptmanns an den Jugendamtsleiter, einen Kompromiss zu finden, wie der Antragsteller vorbringe, könne bestenfalls die Erklärung der Bereitschaft zur Aufnahme von Vergleichsgesprächen sein. Keinesfalls könne daraus aber ein Verzicht auf allfällige Ansprüche des unterhaltsberechtigten Kindes oder auf die Einleitung und Durchführung eines (künftigen) Exekutionsverfahrens angenommen werden. Bis zur Exekutionsführung des Bundes seien mehr als zwei Jahre vergangen, was jedenfalls das Scheitern allfälliger Vergleichsbemühungen bedeute. Schon auf der Grundlage der Antragsbehauptungen liege kein Impugnationsgrund nach § 36 Abs 1 Z 3 EO vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers, mit dem er sein Einstellungsbegehren weiter verfolgt, ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 35 Abs 2 Satz 3 bzw § 36 Abs 2 Satz 3 EO in der auf die am 5. Jänner 2017 eingebrachte „Klage“ anzuwendenden Fassung der EO‑Nov 2014 (§ 417 Abs 3 EO idF BGBl I 2014/69) sind Einwendungen gegen einen in einer Unterhaltssache ergangenen Exekutionstitel bei dem für diese Sache zuständigen Gericht in der dafür vorgesehenen Verfahrensart geltend zu machen. Ob im Streit‑ oder im Außerstreitverfahren zu entscheiden ist, richtet sich danach, in welcher Verfahrensart im Zeitpunkt der Einbringung des Oppositions‑ oder Impugnationsbegehrens über den Unterhaltsantrag zu entscheiden wäre. Da auch gesetzliche Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder im Außerstreitverfahren geltend zu machen sind (RIS‑Justiz RS0119814), wurde die vom Antragsteller erhobene „Klage“ von den Vorinstanzen zu Recht in einen im Außerstreitverfahren zu behandelnden Sachantrag umgedeutet (zuletzt 3 Ob 2/17s mwN; RIS‑Justiz RS0116390).

Der Gesetzgeber erachtete als zweckmäßig, dass in Unterhaltssachen das für das konkrete Verfahren zuständige Gericht über die exekutionsrechtlichen Einwendungen verhandelt und entscheidet, weil familienrechtliche Aspekte weit mehr im Vordergrund stehen als exekutionsrechtliche Gesichtspunkte. Es soll überdies dem Unterhaltsschuldner die Möglichkeit der Wahl zwischen Einwendungen im streitigen Oppositionsprozess (samt Kostenrisiko für das Kind) oder außerstreitigem Verfahren (für das bei Minderjährigkeit des Kindes kein Kostenersatz vorgesehen ist) genommen werden (RV 180 BlgNr 25. GP  4).

Ob die Zuständigkeit nach §§ 35, 36 (je Abs 2 Satz 3) EO auch bei zedierten Unterhaltsansprüchen vorgesehen wurde, wurde in der Literatur – Rechtsprechung fehlt hiezu – bislang bejaht. Der Begriff „Unterhaltssache“ sei weit zu verstehen (Mohr, ÖJZ 2014, 948; Neuhauser, iFamZ 2014, 216). Auch bei durch Legalzession übergegangenen Ansprüchen sei das Titelgericht zuständig.

Für diese Auslegung sowie für eine umfassende Zuständigkeit des Rechtspflegers in Angelegenheiten des Unterhaltsvorschussgesetzes spricht auch die Neufassung des § 19 Abs 2 RpflG durch das Außerstreit‑Begleitgesetz BGBl I 2003/112. Der davor bestehende Richtervorbehalt für Entscheidungen über den Ersatz zu unrecht gewährter Unterhaltsvorschüsse und über die unmittelbare Rückzahlungspflicht an den Bund wurde beseitigt und auch diese Angelegenheit in die Zuständigkeit des Rechtspflegers verwiesen.

Auch wenn im hier konkret zu beurteilenden Verfahren keine „familienrechtlichen Aspekte“ im Vordergrund stehen und der ausdrücklich genannte Gesetzeszweck daher nicht unmittelbar schlagend wird, so entspricht die Zuweisung ins Außerstreitverfahren (verbunden mit der Rechtspflegerzuständigkeit) doch dem den gesetzlichen Bestimmungen zu entnehmenden übergeordneten Zweck, auch die Oppositions‑ und Impugnationsverfahren in Unterhaltssachen bei den dafür auch im Erkenntnisverfahren zuständigen Gerichten zu zentrieren. Dafür spricht auch die Zuständigkeit des Rechtspflegers für Einwendungen gegen die Rückzahlung von Richtsatzvorschüssen iSd § 28 UVG. Der Beschluss über die Gewährung der Vorschüsse nach § 4 Z 2 UVG gilt als Exekutionstitel. Ein für den Zeitraum der Vorschussgewährung allenfalls bestehender Exekutionstitel auf Leistung des Unterhalts erlischt insoweit. Einwendungen gegen die Rückzahlungspflicht hat der Unterhaltsschuldner, unabhängig vom Alter des Kindes, ausschließlich beim Pflegschaftsgericht geltend zu machen, das im Verfahren außer Streitsachen entscheidet. Die Einwendungen nach § 28 Abs 3 UVG sind der Oppositionsklage nach § 35 EO nachgebildet (RIS‑Justiz RS0076977 = 7 Ob 1602/94; vgl auch LGZ Wien EFSlg 57.601). Die Klageführung nach den §§ 35, 36 EO ist daher in diesem Fall ausgeschlossen (Neumayr in Schwimann/Kodek 4 § 28 UVG Rz 7 mwN). Eine weite Auslegung des Begriffs der Unterhaltssache in den §§ 35, 36 EO bildet daher insofern keine systemfremde Neuerung, vielmehr gliedert sie sich in das bestehende Zuständigkeitssystem ein, das den Rechtspfleger bereits nach § 28 Abs 3 UVG funktionell mit den Oppositions‑ und Impugnationsverfahren entsprechenden Verfahren betraute.

Die Verfahrenszuweisung der §§ 35, 36 je Abs 2 Satz 3 EO ist daher auch auf mittels Legalzession iSd § 30 UVG übergegangene Unterhaltsansprüche anzuwenden.

Der darüber hinaus vom Antragsteller gerügte Verfahrensmangel (Unterbleiben der mündlichen Verhandlung, unterlassene Anleitungspflicht) liegt nicht vor, weil es der nunmehr vom Revisionsrekurswerber vermissten Beweisführung nicht bedurfte. Auch bei Zutreffen der vom Antragsteller aufgestellten Behauptungen liegt kein Grund für die von ihm angestrebte Einstellung des Exekutionsverfahrens vor. Auch die Prozessleistungspflicht geht nicht so weit, den Kläger/Antragsteller etwa auf Rechtsgründe hinweisen zu müssen, die sich nicht einmal andeutungsweise aus den vorgetragenen (und allenfalls zu ergänzenden oder zu präzisierenden) Tatsachen ergeben, sondern ein anderes Tatsachenvorbringen erfordern (vgl RIS‑Justiz RS0120057).

Auch die Auffassung des Rekursgerichts, der behauptete Auftrag des Bezirkshauptmanns an den Jugendamtsleiter, einen Kompromiss zu finden, bedeute keinen endgültigen Exekutionsverzicht sondern allenfalls die Aufforderung, in Vergleichsverhandlungen einzutreten, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Verpflichtung des Kinder‑ und Jugendhilfeträgers, ohne Billigung des Präsidenten des Oberlandesgerichts zu Lasten des Bundes keine Verpflichtungen einzugehen, vermag die ins Treffen geführte Äußerung keinen Exekutionsverzicht zu begründen.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG.

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