OGH 3Ob2/17s

OGH3Ob2/17s26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Michael Cermak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 28. November 2016, GZ 16 R 403/16b‑5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 15. November 2016, GZ 13 C 62/16m‑2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00002.17S.0126.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die in einen Antrag im Außerstreitverfahren umzudeutende Klage unter Abstandnahme von dem in Anspruch genommenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die am 9. November 2016 eingebrachte Oppositionsklage wendet sich gegen die mit Beschluss des Erstgerichts vom 31. Oktober 2016 bewilligte Unterhalts-exekution über einen Rückstand von 1.629 EUR für die Monate August bis Oktober 2016 und einen laufenden Unterhalt in Höhe von 543 EUR monatlich. Der Exekutionsbewilligung liegt ein Beschluss des Erstgerichts vom 11. Jänner 2016 zugrunde, mit welchem dem Kläger aufgetragen wurde, seiner Tochter, der Beklagten, beginnend mit 1. Jänner 2015 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 543 EUR zu leisten. Nach dem Vorbringen des Klägers in der Oppositionsklage ist der Unterhaltsanspruch der Beklagten wegen Eintritts ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit erloschen.

Das Erstgericht wies die Oppositionsklage a limine zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Der Kläger könne die in Deutschland wohnhafte Beklagte nach der anzuwendenden Verordnung (EG) 2009/4 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUVO) nur an ihrem gewöhnlichen Aufenthalt belangen, weil auch Art 3 lit a und b EuUVO auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten abstellten.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil das Rekursgericht die Heilungsmöglichkeit nach Art 5 EuUVO nicht beachtet hat. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 35 Abs 2 Satz 3 EO in der auf die am 9. November 2016 eingebrachte Oppositionsklage anzuwendenden Fassung der EO‑Novelle 2014 (§ 417 Abs 3 EO idF BGBl I 2014/69) Einwendungen gegen einen in einer Unterhaltssache ergangenen Exekutionstitel bei dem für diese Sache zuständigen Gericht in der dafür vorgesehenen Verfahrensart geltend zu machen sind. Ob im Streit- oder im Außerstreitverfahren zu entscheiden ist, richtet sich danach, in welcher Verfahrensart im Zeitpunkt der Einbringung des Oppositionsbegehrens über den Unterhaltsantrag zu entscheiden wäre (Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 35 Rz 81/1). Da auch gesetzliche Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder im Außerstreitverfahren geltend zu machen sind (RIS‑Justiz RS0119814), ist die vom Kläger erhobene Oppositionsklage in einen im Außerstreitverfahren zu behandelnden Sachantrag umzudeuten (RIS‑Justiz RS0116390).

Nach Art 5 der hier unstrittig anzuwendenden EuUVO wird das Gericht eines Mitgliedstaats, sofern es nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, zuständig, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt.

Zur inhaltsgleichen Vorschrift des Art 26 EuGVVO 2012 (Art 24 EuGVVO alt) vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass das angerufene Gericht im Anwendungsbereich der EuGVVO eine internationale Unzuständigkeit nicht von Amts wegena limine wahrnehmen darf, sondern dem Beklagten die Möglichkeit zu geben hat, sich einzulassen (RIS‑Justiz RS0111247; zuletzt 8 Ob 67/15h und 6 Ob 122/15g). Dieser Grundsatz gilt auch im Anwendungsbereich der EuUVO.

Die in einen außerstreitigen Sachantrag umzudeutende Klage ist daher der Beklagten als Antragsgegnerin zuzustellen, damit dieser die Gelegenheit gegeben wird, den Mangel der internationalen Zuständigkeit durch rügelose Einlassung auf das Verfahren zu heilen. In diesem Verfahrensstadium ist die im Revisionsrekurs aufgeworfene Frage nach der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts nicht zu beantworten.

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