OGH 4Ob144/17f

OGH4Ob144/17f24.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*gesellschaft mbH, *, vertreten durch Urbanek, Lind, Schmied, Reisch Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. P* P*, vertreten durch Dr. Carl Knittl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.480 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 7.770 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. April 2017, GZ 16 R 22/17y‑22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Dezember 2016, GZ 3 Cg 10/16m‑17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119223

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.522,32 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 253,72 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Parteien sind gewerbliche Immobilienmakler. Sie wurden beide mit der Vermittlung des Verkaufs eines Gewerbegrundstücks mit Büro, Haus und Parkplatz beauftragt.

Die späteren Käufer traten am 14. Mai 2014 über eine Internetanfrage an die Klägerin heran und bekundeten ihr Interesse an der Liegenschaft. Ein Mitarbeiter der Klägerin antwortete noch am selben Tag um 15:57 Uhr mit E‑Mail. Er teilte darin die Anschrift der Liegenschaft, den Kaufpreis mit 1,1 Million EUR, die Grundstücksfläche, – länge und ‑breite, die Widmung, die erzielbare Nutzfläche sowie Informationen aus dem Flächenwidmungs‑ und ‑bebauungsplan mit und schloss einen Grundbuchsauszug an, aus dem die Änderung der Firmenbezeichnung der Verkäufergesellschaft noch nicht ersichtlich war. Er wies auf die Käuferprovision von 3 % und darauf hin, dass ein Einverständnis dazu Voraussetzung für die Verwendung der Objektinformationen sei.

Noch am selben Tag meldete sich einer der späteren Käufer und ersuchte um einen Besichtigungstermin am 20. Mai. Dieser fand mit einem Mitarbeiter der Klägerin ohne Vertreter der Verkäuferin statt, weil diese nicht erreichbar war. Die Besichtigung beschränkte sich daher auf den Außenbereich der Liegenschaft, das Gebäude konnte nicht betreten werden. Die Anwesenden sprachen über die Widmung, die Bauklasse, die mögliche Verwendung der Liegenschaft, den Zustand des Gebäudes, die örtliche Lage sowie darüber, dass zur Liegenschaft auch ein Teil gehöre, der jenseits des Zauns lag. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin von der Verkäuferin die Information, dass sie nicht unter einem Preis von 1,1 Million EUR verkaufen wolle; sie wusste hingegen nichts davon, dass die Verkäuferin aufgrund finanzieller Schwierigkeiten mittlerweile bereit war, auch unter 1 Million EUR zu gehen.

Die Interessenten verstanden die Äußerungen der Klägerin über den Kaufpreis so, dass das Limit der Verkäuferin jedenfalls über 1 Million EUR und damit über ihrer eigenen „Schmerzgrenze“ von 1 Million EUR lag. Sie baten aber darum, mit der Verkäuferin einen Termin für die folgende Woche zu vereinbaren, um in einem persönlichen Gespräch herauszufinden, ob auf der Verkäuferseite noch ein Spielraum für eine Preisreduktion bestehe. Einen Kaufentschluss fassten die Interessenten bei dieser Besichtigung noch nicht.

Die späteren Käufer sagten einen in Aussicht genommenen Termin in der Folge ab, weil sie dann nur mehr die Tätigkeit der Beklagten in Anspruch nahmen.

Die Beklagte bot die Liegenschaft dem späteren Käufer am 14. Mai 2014 bereits um 11:28 Uhr mit E‑Mail an, worin die Liegenschaft näher beschrieben wurde, insbesondere durch Angabe der Anschrift, der Verkäuferin, der Grundfläche, der Flächenwidmung, des Fehlens von Dienstbarkeiten und Reallasten und des Kaufpreises von 1,3 Millionen EUR. Angeschlossen waren unter anderem eine Objektbeschreibung samt Flächenwidmungsplan, Lageplan, Luftaufnahmeansicht und Grundbuchsauszug.

Nachdem die Käufer die Liegenschaft mit der Klägerin besichtigt hatten, telefonierte die Beklagte mit ihnen. Sie setzte sich daraufhin mit der Mitarbeiterin der Verkäufergesellschaft in Verbindung, die sie ermächtigte, die Liegenschaft unter der Voraussetzung einer schnellen Abwicklung um 890.000 EUR anzubieten.

Die Beklagte informierte die Käufer darüber und organisierte für den 28. Mai einen Besichtigungstermin, der unter Teilnahme der Beklagten, beider Kaufinteressenten und einer Vertreterin der Verkäuferseite stattfand. Nun wurde auch das Gebäude besichtigt, der Kaufpreis weiter verhandelt, noch reduziert und in weiterer Folge nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer der Verkäuferin ein Kaufvertrag mit einem Preis von 860.000 EUR abgeschlossen. Die Beklagte musste davor noch diverse Telefonate im Zusammenhang damit führen, dass die Käuferseite wünschte, den Vertrag von einem bestimmten Notar errichten zu lassen.

Für den Vertragsabschluss war auf Käuferseite die Reduktion des Kaufpreises auf unter 1 Million EUR entscheidend. Die Käufer zahlten an die Beklagte eine Vermittlungsprovision in Höhe von 30.960 EUR.

Die Klägerin begehrte die Hälfte der an die Beklagte bezahlten Käuferprovision, weil auch ihre Vermittlungstätigkeit zumindest in gleicher Weise kausal und verdienstlich für den späteren Kaufvertrag gewesen sei. Sie habe in ihrem Inserat einen wesentlich geringeren Kaufpreis genannt. Deshalb sei sie von den späteren Käufern auch zuerst wegen eines Besichtigungstermins gefragt worden. Auf Wunsch der Interessenten hätte sie auch einen Termin mit der Verkäuferseite vereinbart, der jedoch von den Käufern nach zwei Tagen abgesagt worden sei.

Die Beklagte bestritt den Abschluss eines Maklervertrags zwischen der Klägerin und den späteren Käufern, sowie deren kausale und adäquate Tätigkeit. Die Beklagte habe die Liegenschaft bereits vor der Klägerin den späteren Käufern angeboten und in weiterer Folge auch die Liegenschaft mit diesen besichtigt. Die Käufer hätten anlässlich der ersten Besichtigung mit der Klägerin keinen Kaufentschluss gefasst. Das Objekt sei den Käufern aufgrund des Anbots der Beklagten bereits bekannt gewesen. Über Initiative der Beklagten sei sie von der Verkäuferin unter der Voraussetzung einer schnellen Abwicklung ermächtigt worden, die Liegenschaft zu einem weitaus günstigeren Preis anzubieten. Jedenfalls liege keine annähernd gleiche Verdienstlichkeit vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Verdienstlichkeit der Beklagten bei weitem überwiege und der Klägerin daher kein Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs 5 MaklerG zustehe.

Das Berufungsgericht sprach hingegen der Klägerin die Hälfte ihres Begehrens zu und sprach (nach Abänderungsantrag der Beklagten) aus, dass die ordentliche Revision (doch) zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Abgrenzung des eindeutigen Überwiegens vom bloßen Überwiegen in § 6 Abs 5 MaklerG fehle.

Die Klägerin sei für die Käuferseite verdienstlich tätig geworden. Die Adäquanz ihrer Tätigkeit für den späteren Vertragsabschluss sei zu bejahen, weil das Interesse an der Liegenschaft bei den Käufern durch ihre Tätigkeit (mit‑)geweckt worden sei und das Interesse an der Liegenschaft nicht endgültig erloschen sei, weil für die Käufer die Kaufpreisvorstellungen der Verkäuferseite noch als verhandelbar angesehen worden seien. Auch ein zeitlicher Nahebezug sei vorhanden gewesen. Zwar überwiege die Verdienstlichkeit der Beklagten, indem sie kaufentscheidend auf die Verkäuferseite eingewirkt habe, um den Kaufpreis zu reduzieren. Die Verdienstlichkeit der Klägerin sei aber nicht gänzlich zu vernachlässigen, sodass bei Abwägung der Verdienstlichkeit eine Aufteilung im Verhältnis 1:3 zugunsten der Beklagten sachgerecht sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.

§ 6 Abs 5 MaklerG lautet:

„Liegen die Provisionsvoraussetzungen für ein vermitteltes Geschäft bei zwei oder mehreren Maklern vor, so schuldet der Auftraggeber gleichwohl die Provision nur einmal. Provisionsberechtigt ist der Makler, dessen Verdienstlichkeit an der Vermittlung eindeutig überwogen hat. Lässt sich ein solches Überwiegen nicht feststellen, so ist die Provision nach Maßgabe der Verdienstlichkeit aufzuteilen, im Zweifel zu gleichen Teilen. ...“

Diese Gesetzesbestimmung sieht also ein dreistufiges Aufteilungssystem vor. Ist einer der Makler eindeutig überwiegend verdienstlich geworden, so gebührt ihm die gesamte Provision. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, so ist die Provision entsprechend der jeweiligen Verdienstlichkeit aufzuteilen. Sollte diese Abwägung und die danach ausgerichtete Aufteilung nicht möglich sein, sieht letztlich die Zweifelsregel eine Aufteilung nach Anteilen, im Falle zweier Makler also zu gleichen Teilen, vor (Fromherz, Kommentar zum MaklerG § 7 Rz 129, 139 ff; Gartner/Karandi, MaklerG³ § 6 Rz 52 ff).

Bei der Beurteilung der Frage, ob im Fall der Beteiligung mehrerer Immobilienmakler an der Vermittlung die Verdienstlichkeit eines von ihnen überwiegt, ist auf die Wertigkeit ihres verdienstlichen Beitrags für das Zustandekommen des zu vermittelnden Geschäfts abzustellen. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (8 Ob 24/14h mwN; vgl auch 2 Ob 308/98b; RIS-Justiz RS0113789, RS0062849 [T5]).

Jedenfalls ist für das Entstehen des Provisionsanspruchs ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der verdienstlichen Tätigkeit des Maklers und dem Zustandekommen des vermittelten Rechtsgeschäfts erforderlich (RIS‑Justiz RS0062878). Entscheidend ist, ob die an sich verdienstliche und (zumindest mit‑)kausale Tätigkeit des Immobilienmaklers für das letztlich zustandegekommene Geschäft bei wertender Betrachtung der Gesamtumstände im konkreten Einzelfall als inadäquat angesehen werden muss (RIS‑Justiz RS0062878 [T5]). Umstände, die zur Verneinung der Adäquanz einer an sich verdienstlichen und (mit‑)kausalen Tätigkeit des klagenden Immobilienmaklers führen können, sind etwa das Scheitern der ursprünglichen Vertragsverhandlungen an sehr unterschiedlichen Preisvorstellungen der Parteien, die für den folgenden Vertragsabschluss maßgebliche spätere Eigeninitiative der anderen Vertragspartei oder eines unbeteiligten Dritten ohne neuerliche Aktivität des Maklers und der (sehr) lange Zeitabstand zwischen dem Tätigwerden des Maklers und dem Vertragsabschluss (5 Ob 256/12a).

Auch wenn man im vorliegenden Fall die adäquat kausale verdienstliche Tätigkeit der Klägerin bejaht, ist letztlich für ihren Standpunkt nichts gewonnen. Da die Beklagte das Objekt den späteren Käufern früher anbot, mit diesen nicht nur eine Außenbesichtigung ohne Beteiligung der Verkäuferseite durchführte, sondern unter deren Beteiligung eine Gesamtbesichtigung ermöglichte, vor allem aber, da die Beklagte durch ihr Einwirken auf die Verkäuferseite eine Reduktion der Preisvorstellungen in der Weise erreichte, welche letztlich zum Abschluss führte, ist im vorliegenden Fall vom eindeutigen Überwiegen der Verdienstlichkeit der Beklagten auszugehen, sodass ihr nach der eingangs zitierten Gesetzesbestimmung der gesamte Provisionsanspruch zusteht.

Das die Klage zur Gänze abweisende Ersturteil ist daher wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte