OGH 5Ob92/17s

OGH5Ob92/17s20.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E* S* G*, 2. Dipl.-Ing. D* G*, beide *, vertreten durch Dr. Katharina Langer, Rechtsanwältin in Wien, 3. G* L*, 4. D* L*, beide *, 5. M* L*, 6. Dr. P* H*, beide *, vertreten durch die Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die beklagte Partei Dr. N*gesellschaft mbH, *, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, wegen Zustimmung und Einverleibung (35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2016, GZ 35 R 123/16x‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 16. März 2016, GZ 6 C 191/15s‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E118926

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 2.636,86 EUR (darin enthalten 439,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Parteien sind Miteigentümer der Liegenschaft

EZ 1591 KG *. Im Grundbuch ist jeweils die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum zugunsten der Streitteile eingetragen.

In der Präambel der von den Parteien im Wesentlichen gleichlautend im Rahmen eines Bauträger- und Wohnungseigentumsprojekts abgeschlossenen Kaufverträge ist unter anderem festgehalten, dass die kaufende Partei die Absicht habe, von der Verkäuferin (einer zwischenzeitig im Firmenbuch gelöschten GmbH) die nachfolgend angeführten Liegenschaftsanteile und das alleinige Nutzungsrecht an der im beiliegenden Plan ersichtlichen Wohnungseigentumseinheit zu erwerben und gemeinsam mit den übrigen Liegenschaftseigentümern bzw Wohnungseigentumsbewerbern Wohnungseigentum zu begründen. Weiters lautet es im Kaufvertrag der Beklagten wörtlich: „Die provisorischen Liegenschaftsanteile werden mit 1/4-Anteilen festgesetzt. Sie werden nach der Nutzwertfestsetzung und Wohnungseigentumsbegründung ohne Wertausgleich entsprechend dem Nutzwertgutachten berichtigt.“

Punkt 8. der Kaufverträge enthält jeweils die Verpflichtung der Verkäuferin und der kaufenden Parteien, nach Vorliegen aller dazu erforderlichen Unterlagen, einschließlich des Nutzwertgutachtens einen vom Vertragserrichter fertiggestellten Wohnungseigentumsvertrag beglaubigt zu unterfertigen.

Die Kläger begehrten, die Beklagte ihnen gegenüber zur gesamten Hand schuldig zu erkennen, den [ausformuliert und dem Ersturteil als ./A angeschlossenen] Wohnungseigentumsvertrag grundbuchsfähig zu unterfertigen und in die Einverleibungen der Eigentumsrechte im Umfang der sich aus dem Parifizierungsgutachten ergebenden jeweiligen Mindestanteile zuzustimmen. Letzteres Begehren stützten sie auf § 43 WEG.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der Unzuständigkeit des Erstgerichts, weil für das Begehren auf Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrags wegen des Streitwerts die Zuständigkeit des Gerichtshofs gegeben sei. Materiell-rechtliche Grundlage für ein Begehren nach § 43 Abs 1 WEG sei die Säumigkeit des Wohnungseigentumsorganisators, welche nicht vorliege.

Das Erstgericht wies (im Urteil) die von der Beklagten erhobene Unzuständigkeitseinrede (betreffend das Unterfertigungsbegehren) zurück und bejahte damit seine sachliche Zuständigkeit. In der Sache gab es dem Begehren statt und verpflichtete die Beklagte zur Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrags und zur Zustimmung in die Einverleibung des Eigentumsrechts im Umfang des sich jeweils aus dem Nutzwertgutachten ergebenden Mindestanteils.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und ließ die Revision über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO nachträglich zu, weil die Frage, ob die Kläger bei einer Klage nach § 43 Abs 1 WEG eine einheitliche Streitpartei bildeten, durch den Obersten Gerichtshof bereits anders beurteilt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1.1 Die Beklagte hat den Umstand, dass das Erstgericht in Bejahung seiner sachlichen Zuständigkeit auch über das Begehren auf Unterfertigung erkannte, als Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 3 ZPO geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Nichtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung unter Verweis auf die Anfechtungsbeschränkung des § 45 JN (dazu RIS-Justiz RS0046318; Mayr in Rechberger, ZPO4 § 45 JN Rz 2) verneint.

1.2 Dagegen wendet sich die Beklagte erkennbar, wenn sie meint, § 45 JN sei hier nicht anwendbar, weil über die von ihr erhobene Prozesseinrede nicht mit (gemeint offensichtlich: abgesonderten) Beschluss entschieden worden sei, sodass Berufung erhoben werden habe müssen. Abgesehen davon, dass der umfassende Rechtsmittelausschluss des § 45 JN (vgl nur RIS-Justiz RS0103687; 8 Ob 2/12w) auch dann eingreift, wenn die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit – wie hier – mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluss ergeht (Schneider in Fasching/Konecny, ZPO I³ § 45 JN Rz 8), liegt eine in zweiter Instanz verneinte Nichtigkeit des Verfahrens vor dem Erstgericht vor, die in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0042981; RS0043405).

2.1 Beurteilt das Berufungsgericht die Rechtsrüge zu Unrecht als nicht gesetzmäßig ausgeführt und verweigert deshalb ihre sachliche Behandlung, muss dies in der Revision als Mangelhaftigkeit bekämpft werden (RIS-Justiz RS0043231).

2.2 Eine solche Mangelhaftigkeit macht die Beklagte der Sache nach geltend, wenn sie dem Berufungsgericht vorwirft, dieses sei im Zusammenhang mit der von ihr gerügten Verpflichtung zur Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrags zu Unrecht von einer nicht ordnungsgemäß ausgeführten Rechtsrüge ausgegangen.

2.3 Zutreffend ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass das Berufungsgericht Ausführungen dazu vermisste, aus welchen Gründen eine solche Verpflichtung der Beklagten angesichts der vom Erstgericht ohnedies getroffenen Feststellungen nicht gegeben gewesen sein sollte, und der Beklagten insoweit vorhielt, auf die Feststellungen nicht einzugehen. Auch in ihrer Revision begnügt sich die Beklagte mit der Wiedergabe von allgemeinen Judikaturgrundsätzen und meint, sie sei nicht verpflichtet gewesen, in ihrer Rechtsrüge die Einwendungen, warum sie den Vertrag nicht unterfertigen müsse, darzulegen. Damit vermag sie aber eine Relevanz des behaupteten Mangels nicht aufzuzeigen (dazu RIS-Justiz RS0116273 [T1]) und lässt zudem außer Acht, dass das Berufungsgericht die Rechtsrüge ohnedies auch inhaltlich behandelte, wenn es eine solche Verpflichtung aufgrund des festgestellten Inhalts der Kaufverträge bejahte.

3.1 Ein Wohnungseigentumsbewerber übernimmt durch sein dem Wohnungseigentumsorganisator anlässlich der schriftlichen Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum abgegebenes Versprechen, selbst der Begründung von Wohnungseigentum zuzustimmen, gegenüber den anderen Käufern eines Liegenschaftsanteils, die diese ebenfalls mit der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum erwerben, besondere Treuepflichten. Daran und anhand der Normen, die sich mit der Vorbereitung der Wohnungseigentumsbegründung befassen, sind die Einwendungen zu messen, die der einzelne Wohnungseigentumsbewerber, hat er sich einmal in einem schriftlichen Vertrag mit dem Wohnungseigentumsorganisator verpflichtet, der Einräumung von Wohnungseigentum zuzustimmen, dem Anspruch auf Unterfertigung einer für die Begründung von Wohnungseigentum erforderlichen Urkunde entgegensetzen kann (RIS-Justiz RS0111583; 5 Ob 37/13x).

3.2 Auch in ihrer Revision führt die Beklagte inhaltlich nichts dazu aus, warum sie nicht zur Fertigung des Vertrags verpflichtet sein sollte, sondern verweist lediglich auf ihr Vorbringen in erster Instanz. Danach wendete sich die Beklagte gegen eine Verschiebung der Anteile (weniger als 2 %) ohne Wertersatz. Genau das entspricht aber der Abrede laut Kaufvertrag, sodass sie auch mit dem – hier nicht zu beachtenden (dazu RIS-Justiz RS0043616) – Vorbringen keine berücksichtigungswürdigen Umstände geltend macht. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt präsentiert sich die Beurteilung des Berufungsgerichts aber als Ergebnis einer nicht korrekturbedürftigen Vertragsauslegung (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776).

4.1 Hat eine Liegenschaft mehrere Miteigentümer, so werden diese in Beziehung auf das Ganze „für eine einzige Person angesehen“ (§ 361 ABGB). Mehrere Miteigentümer verschmelzen daher bei einer Klage nach § 43 Abs 1 WEG zu einer einheitlichen Streitpartei nach § 14 ZPO (RIS-Justiz RS0106123; 5 Ob 292/03g; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 43 Rz 17). Einem Verfahren, dem eine Klage nach § 43 Abs 1 WEG zugrunde liegt, sind daher alle Miteigentümer der Liegenschaft entweder als Kläger oder als Beklagte beizuziehen (RIS-Justiz RS0106123 [T1]; RS0108933 [T1]).

4.2 Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass bei einem Begehren, mit dem – wiehier – sowohl die Unterfertigung des Wohnungseigentums‑vertrags unter Anpassung der Miteigentumsanteile sämtlicher Miteigentümer der Liegenschaft an die Parifizierung und deren Verbücherung als auch die (erstmalige) Begründung von Wohnungseigentum an den danach gegebenen Miteigentumsanteilen (mit denen Wohnungseigentum bisher nicht verbunden war) angestrebt wird, wegen der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses insgesamt eine einheitliche Streitpartei (notwendige Streitgenossenschaft) vorliegt (5 Ob 51/81; vgl auch 7 Ob 580/93; Schneider in Fasching/Konecny, ZPO II/1³ § 14 Rz 42). Der von der Judikatur anders beurteilte Fall, dass die Klage auf Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts nicht auf § 43 Abs 1 WEG, sondern auf einen vertraglichen Anspruch gestützt wird (dazu 5 Ob 2309/96m; 5 Ob 244/00v SZ 74/87 ua), liegt hier nicht vor. Die von der Revisionswerberin zitierten Rechtssätze haben entweder die Stellung des Wohnungseigentumsbewerbers und nicht der Miteigentümer der Liegenschaft (RIS-Justiz RS0037911; RS0035550) oder das Verhältnis des Haftpflichtversicherers zum Haftpflichtversicherten (RIS-Justiz RS0035503) zum Gegenstand und sind hier nicht anwendbar.

4.3 Bei einer notwendigen Streitgenossenschaft haben die von einem Streitgenossen gegen den Willen des anderen vorgenommenen Prozesshandlungen keine rechtliche Wirkung (5 Ob 2309/96m; RIS-Justiz RS0035701). Die Dritt- bis Sechstkläger haben sich sowohl im Berufungs- als auch im Revisionsverfahren beteiligt und dadurch deutlich zu erkennen gegeben, dass die Zurücknahme der Klage durch die Erstklägerin und den Zweitkläger nicht ihrem Willen entspricht. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist das Berufungsgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass sie nicht wirksam erfolgte und daher im Verfahren unbeachtlich ist (vgl 3 Ob 210/50 [3 Ob 211/50]). Die vom Berufungsgericht offensichtlich aus den in der Revision angeführten Rechtssätzen abgeleitete Judikaturdivergenz liegt demgegenüber nicht vor.

4.4 Klagegrund nach § 43 WEG ist die Säumnis des Wohnungseigentumsorganisators mit der Erfüllung der ihn gemäß § 37 Abs 2 Z 2 WEG treffenden Pflichten (vgl zu § 25 WEG 1975: RIS-Justiz RS0083164; Vonkilch aaO § 43 WEG Rz 12). Die Beweislast dafür, dass der Wohnungseigentumsorganisator säumig ist, trifft den Wohnungseigentumswerber grundsätzlich nur insoweit, als es sich um objektive Kriterien handelt (RIS‑Justiz RS0026445; vgl auch RS0083009). Nach den Feststellungen ist das Gebäude seit Jahren fertiggestellt, wobei die (letzte) Fertigstellungsanzeige bereits am 23. 12. 2013 erfolgte, sodass an der Säumigkeit des Wohnungseigentums‑organisators objektiv nicht zu zweifeln ist. Ob die Beklagte auch als Wohnungseigentumsorganisatorin angesehen werden könnte, hat das Berufungsgericht mit Verweis auf deren Stellung als Miteigentümerin letztlich ohnedies ausdrücklich offengelassen; auf die von ihm behandelte Säumnis der Beklagten mit der Unterfertigung des Wohnungseigentums‑vertrags kommt es für den aus § 43 Abs 1 WEG abgeleiteten Anspruch aber nicht mehr an. Dass die Kläger ihren Verpflichtungen (Zahlungen) nachgekommen sind und ihnen die Objekte zur Nutzung übergeben wurden, ist von der Beklagten nie in Zweifel gezogen worden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

6. Die Dritt- bis Sechstkläger haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen und daher Anspruch auf Kostenersatz (RIS-Justiz RS0112296, RS0035962 [T10], RS0035979 [T2]).

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