European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118338
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Wohnungseigentumsobjekte der Antragsteller befinden sich im Dachgeschoss des Hauses. Gegenstand des Verfahrens ist deren auf § 16 Abs 2 WEG gestützter (und daher entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin richtigerweise im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG gestellter) Antrag auf Verpflichtung zur Duldung der Errichtung einer Liftanlage an der Fassade des Hauses.
2. Die im Revisionsrekursverfahren strittigen Fragen betreffen die in § 16 Abs 2 Z 1 WEG normierte Negativvoraussetzung, dass die geplante Änderung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zur Folge haben darf.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht nicht jede Beeinträchtigung von Interessen von Miteigentümern einer Änderung entgegen, sondern nur eine wesentliche, die die Interessen der Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass das Recht des Wohnungseigentümers auf Durchführung von Änderungen zurückzustehen hat (RIS‑Justiz RS0083236). Eine von einem Wohnungseigentümer betriebene Änderung seines Objekts kann daher nur abgewehrt werden, wenn sie mit wesentlichen Interessen der anderen Wohnungseigentümer kollidiert (RIS‑Justiz RS0101801 [T1], RS0083309 [T8]). Es kommt dabei auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RIS‑Justiz RS0083309; vgl RS0109643). Bei einer derart vorzunehmenden Qualifikation besteht ein Ermessensspielraum. Solange dieser Ermessensspielraum nicht verlassen wird, liegt keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG vor (RIS‑Justiz RS0083309 [T9; T16]; RS0109643 [T10, T11]). Nur in Fällen einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hat der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen. Das ist hier aber nicht der Fall.
4.1 Wenn das Rekursgericht die Interessen der Antragsgegnerin durch die Auswirkungen des geplanten Liftanbaus auf die bestehende Parkplatzordnung nicht als wesentlich beeinträchtigt iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG sieht, beruht dies letztlich auf der Berücksichtigung der nicht unvertretbar angenommenen schuldrechtlichen Beziehungen der Wohnungseigentümer untereinander. Auch der vom Rekursgericht daraus gezogene Schluss stellt – angesichts des bei einer solchen Entscheidung bestehenden Ermessensspielraums – keine aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung dar (vgl 5 Ob 71/09s).
4.2 Die Antragsgegnerin sieht eine massive Verletzung ihrer schutzwürdigen Interessen auch darin, dass der Liftanbau die nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) geforderte Schaffung eines barrierefreien Zugangs zu dem in ihren Wohnungseigentumsobjekten geführten Beherbergungsbetrieb unmöglich mache. Dabei geht sie allerdings nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Durch den Liftanbau werden die Möglichkeiten der Schaffung eines barrierefreien Zugangs zwar beschränkt, sie werden der Antragsgegnerin aber nicht zur Gänze genommen. Mit den Ausführungen des Rekursgerichts zu der tatsächlich möglichen, rechtlich zulässigen und die schutzwürdigen Interessen der Antragsgegnerin iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG nicht beeinträchtigenden Gestaltungsvariante setzt sich diese in ihrem Revisionsrekurs nicht auseinander.
4.3 Der Oberste Gerichtshof ist auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz. Fragen der Beweiswürdigung sind daher nicht revisibel (RIS‑Justiz RS0007236 [T3, T4], RS0043414 [T11]). Die Frage, ob im Zusammenhang mit der von der Antragsgegnerin behaupteten Verkehrswertminderung außer den bereits vorliegenden noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, gehört zur Beweiswürdigung und ist daher irrevisibel (RIS‑Justiz RS0043414 [T9, T10]).
5. Die Revisionsrekurswerberin zeigt damit insgesamt keine Rechtsfrage auf, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung des § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs somit unzulässig und zurückzuweisen.
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