OGH 1Ob56/17t

OGH1Ob56/17t26.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Ltd, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang G. Kretschmer, LL.M. Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herwig B. Schönbauer, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Partei 1. R***** G***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Manfred Sommerbauer und MMag. Dr. Michael Dohr LL.M., Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, und 2. M***** AG, *****, vertreten durch die Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wiener Neustadt, wegen 76.444,01 EUR sA über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2017, GZ 1 R 164/16v‑174, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. August 2016, GZ 65 Cg 12/15x‑169, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00056.17T.0426.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Umfang der Aufklärungspflicht wird allgemein durch die Grundsätze des redlichen Geschäftsverkehrs begrenzt (RIS‑Justiz RS0111165 [T2]). Einem Käufer (oder Werkbesteller) ist die entsprechende Anleitung dann zu geben, wenn die sachgemäße Verwendung des Kaufgegenstands (oder Werks) bestimmte – nicht von jedermann, insbesondere nicht vom Vertragspartner erwartbare – Kenntnisse voraussetzt (vgl RIS‑Justiz RS0020063) und ansonsten der Vertragszweck des Partners gefährdet würde oder diesem ein Schaden droht (7 Ob 625/91 = RIS‑Justiz RS0014811 [T5]). Die Aufklärungspflicht hängt in ihrem Umfang also auch vom vorauszusetzenden Wissensstand der aufzuklärenden Person ab (vgl RIS‑Justiz RS0048335) und endet an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (RIS‑Justiz RS0014811 [T4]). In der Regel ist ein umso strengerer Maßstab anzulegen, je größer die potenziellen Schadensfolgen aus einem bestimmten Risiko sind (1 Ob 141/10g). Generelle Aussagen, wann eine Warn‑ bzw Aufklärungspflicht besteht, sind kaum möglich (RIS‑Justiz RS0014811 [T11]); die Frage ihres Bestehens oder ihres Umfangs ist eine des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0014811 [T12]; RS0048335 [T4]; RS0111165 [T1, T3]; RS0116074 [T1, T2]).

Die Auffassung der Revisionswerberin, dass ein Unternehmer nicht verpflichtet sei, vor Gefahren zu warnen, die aus der weiteren Benutzung drohen und „erst jetzt“ aufgrund neuer Erkenntnisse erkennbar seien, geht von einem nicht festgestellten Sachverhalt aus, wurden doch solche „neuen, erst jetzt erkennbaren Erkenntnisse“ nicht festgestellt. Ebenso ignoriert die (schon im Berufungsverfahren aufgestellte) abermalige Behauptung, die Klägerin hätte den Schaden selbst bei Aufklärung (über den Zusammenhang zwischen Rückspülungen nicht bloß mit der Schwimmbadwasserqualität, sondern über deren Notwendigkeit zur Vermeidung von Schäden der Bausubstanz) bewusst – also wissentlich – in Kauf genommen, dass – im Gegenteil – feststeht, dass die Klägerin darüber nicht aufgeklärt wurde, den Zusammenhang nicht erkennen konnte und sie die erforderlichen Maßnahmen mangels Aufklärung unterließ.

Dass es nicht genügt, wie die Beklagte meint, (bloß) auf eine bestimmte Handhabung hinzuweisen, ohne dem Einzelnen vor Augen zu führen, welche Folgen die Nichtbefolgung einer Maßnahme nach sich ziehen könnte, ergibt sich schon daraus, dass eine Aufklärung ihren Zweck nur erfüllen kann, wenn sie vollständig und verständlich ist; zudem wurde bereits in der Entscheidung 1 Ob 137/04k (mwN) erläutert, dass dies zu erfolgen habe, um dem Einzelnen eine sachgerechte Entscheidung darüber zu ermöglichen, inwieweit er einer Anleitung nachkommen will (vgl auch RIS‑Justiz RS0022158).

In der Auffassung der Vorinstanzen, die Beklagte (oder ihr Subunternehmer) hätte darauf hinweisen müssen, dass wegen der Verwendung eines zementären Klebers bei der Verlegung der von der Klägerin unbeanstandet vorgegebenen, näher bezeichneten netzartig verklebten Mosaik‑Fliesen und einer bestimmten Fugenmasse Sulfatgrenzwerte im Schwimmbadwasser einzuhalten gewesen wären, weil es ansonsten – bei der üblichen Verwendung von Schwefelsäure – durch die chemische Reaktion des Sulfats mit dem Kleber zu einer (durch Ablösung der Fliesen und Hohlstellenbildung tatsächlich auch eingetretenen) Schädigung der Bausubstanz kommen kann, die Rückspülungen also im Zusammenhang damit stehen und erforderlich sind, um ausreichend Frischwasser zur Absenkung der Chemikalienzufuhr zuzuführen, kann eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung keinesfalls erblickt werden.

Ebensowenig wirft die Revision eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zur Beurteilung der Vorinstanzen auf, es sei der Klägerin wegen der Unterlassung von Rückspülungen in ausreichendem Ausmaß und/oder der Beiziehung von Fachfirmen zur Wartung des zu einem Einfamilienhaus gehörenden Schwimmbads kein Mitverschulden anzulasten, da sie über die Zusammenhänge nicht aufgeklärt worden war. Ob dem Geschädigten ein Vorwurf zu machen ist, hängt gerade von der subjektiven Vorwerfbarkeit ab, die ua nicht losgelöst vom Wissensstand beantwortet werden kann (RIS‑Justiz RS0022681 [T8]) und daher in der Regel – wie auch im vorliegenden Fall – nicht revisibel ist (RIS‑Justiz RS0022681 [T7, T8, T10, T11]; RS0087606 [insbes T10, T11, T25]).

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

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