OGH 10Ob14/17g

OGH10Ob14/17g25.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, durch den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* GmbH, *, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei W*, vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Feststellung in eventu Erteilung der Zustimmung zur Verlegung einer Dienstbarkeit (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 29. November 2016, GZ 2 R 300/16g‑33, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Bludenz vom 5. September 2016, GZ 3 C 18/14t‑28, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117986

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 138,98 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die klagende Gesellschaft ist Alleineigentümerin der EZ 6* GB * L*, unter anderem bestehend aus dem Grundstück 41/1, auf dem sie den Bau eines Hotels plant. Sie begehrt die Festellung des Nichtbestehens einer vom Beklagten an diesem Grundstück behaupteten Grunddienstbarkeit des Gehens sowie des Fahrens mit Personen- und Lastkraftwagen. Für den Fall, dass wider Erwarten das Bestehen einer Grunddienstbarkeit (doch) festgestellt werden sollte, begehrt die klagende Gesellschaft in eventu die Zustimmung des Beklagten zur Verlegung des Dienstbarkeitswegs auf einen Ersatzgehweg und – hinsichtlich des Fahrens mit Personen- und Lastkraftwagen – auf einen teils über öffentliche Straßen, teils über in ihrem Eigentum stehende Grundstücke führenden Straßenverlauf („erstes Eventualbegehren“); in eventu begehrt sie die Zustimmung zur Verlegung des Dienstbarkeitswegs hinsichtlich des Fahrens mit Personenkraftwagen auf einen neu zu errichtenden Ersatzweg („zweites Eventualbegehren“).

Das Erstgericht stellte das Nichtbestehen eines Fahrrechts mit Lastkraftwagen fest, wies im Übrigen das Hauptbegehren ab und gab in diesem Umfang dem ersten Eventualklagebegehren statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, hingegen jener des Beklagten teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung über das Hauptbegehren dahin ab, es werde festgestellt, dass ein Fahrrecht mit Lastkraftwagen nicht bestehe, soweit nicht ein in der „Absprache“ vom 2. 10. 1959 festgelegter Ausnahmefall gegeben ist. Die Entscheidung über das erste Eventualbegehren wurde dahin abgeändert, dass der Beklagte auch hinsichtlich des (ausnahmsweisen) Fahrens mit Lastkraftwagen zur Zustimmung der Verlegung des Dienstbarkeitwegs auf den – zum Teil über die öffentliche Straße, zum Teil über im Eigentum der Klägerin stehende Grundstücke – führenden Verlauf verpflichtet sei. Rechtlich ging das Berufungsgericht – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – davon aus, dass die Berufungsausführungen des Beklagten lediglich Vorbringen zur Frage der Zumutbarkeit der Zustimmung zur Verlegung des Dienstbarkeitswegs auf den neu zu errichtenden Ersatzweg enthielten (somit zum „zweiten Eventualbegehren“), nicht aber zur Verlegung im Sinn des ersten Eventualbegehrens. Die Zustimmung zur im zweiten Eventualbegehren umschriebenen Verlegung des Servitutswegs auf den neu zu errichtenden Ersatzweg sei nicht Gegenstand des Ersturteils.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision infolge Antrags nach § 508 ZPO nachträglich zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist – ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts (§ 510 Abs 3 ZPO) – aus folgenden Gründen zurückzuweisen:

1. Die Entscheidung über ein Eventualbegehren setzt voraus, dass zunächst über das Hauptbegehren und, wenn in weiterer Reihenfolge mehrere Eventualbegehren gestellt wurden, zunächst über die vorangehenden Eventualbegehren entschieden wird (RIS-Justiz RS0037585; Rechberger/Klicka in Rechberger 4 § 226 Rz 6). Im vorliegenden Fall wurden in wertender Reihenfolge zwei Eventualbegehren gestellt. Das Erstgericht hatte demnach infolge teilweiser Abweisung des Hauptbegehrens eine Entscheidung über das erste Eventualbegehren zu treffen. Nach Stattgebung des ersten Eventualbegehrens hatte eine Entscheidung über das zweite Eventualbegehren zu unterbleiben (vgl RIS‑Justiz RS0037603; RS0037625).

2.1 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung hat das Erstgericht die Verlegung eines Servitutswegs nicht nur innerhalb eines Grundstücks, sondern auch auf ein anderes Grundstück als zulässig erachtet. Weiters hat es eine Interessensabwägung vorgenommen, um beurteilen zu können, ob wesentliche Interessen der klagenden Partei für die Änderung des Servitutswegs im Sinn des ersten Eventualbegehrens bestehen, ohne dass die Ausübung des Rechts für den Beklagten ernstlich erschwert oder gefährdet wird (RIS-Justiz RS0011740; RS0011695).

2.2 Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat sich der Beklagte in seiner Berufungsschrift mit diesen Rechtsausführungen inhaltlich aber nicht auseinandergesetzt, sondern konkretes Vorbringen zur Unzumutbarkeit der Zustimmung nur zur Verlegung der Dienstbarkeit des Fahrens auf den neu zu errichtenden Ersatzweg erstattet, obwohl diese Frage allein Gegenstand des zweiten Eventualbegehrens ist. Diese von den Umständen des Einzelfalls abhängige Auslegung des Parteivorbringens wäre vom Obersten Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung nur bei Verstößen gegen Denkgesetze oder Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut zu korrigieren (RIS-Justiz RS0042828 [T31]). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

2.3 Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die rechtliche Überprüfung einer Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht habe nur insoweit zu erfolgen, als im Rahmen einer Rechtsrüge Rechtsfragen zu (selbstständigen) Ansprüchen und Einwendungen ausgeführt sind und die – sich etwa aus einem Anfechtungsantrag ergebende – bloße – Behauptung der Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung oder auch die Verwendung bloßer Leerformeln für eine gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge nicht ausreiche, sondern es einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Argumenten der Vorinstanz bedarf, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0043312 [T8, T9, T13]; RS0043603 [T1]).

3. Soweit die Erteilung der Zustimmung zur Verlegung im Sinn des ersten Eventualklagebegehrens nunmehr in der Revision unter Hinweis darauf bekämpft wird, infolge (streckenweiser) Verlegung des Servitutswegs auf das öffentliche Straßennetz sei der in der Absprache vom 2. 10. 1959 festgelegte Zweck konterkariert (nämlich für Lastkraftwagen bei ausnahmsweiser Behinderung des öffentlichen Verkehrs eine „Ausweichroute“ zu schaffen), ist darauf zu verweisen, dass eine im Berufungsverfahren unterbliebene (oder nicht gehörig ausgeführte) Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann. Dies trifft auch auf das weitere Argument zu, eine gleichwertige Errichtung des Hotelbaus mit Belassung des bestehenden Fahrwegs sei möglich. Zudem verstößt letzteres – erstmals in der Berufung erstattete – Vorbringen auch gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO).

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