European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00027.17G.0404.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit Kaufvertrag vom 5. 7. 2016 veräußerte die Zweitantragstellerin, eine gemeinnützige Bauvereinigung, dem Erstantragsteller Miteigentumsanteile an der EZ 69 KG *****, mit welchen Wohnungseigentum an einem Reihenhaus und an zwei Kfz‑Abstellplätzen untrennbar verbunden ist. Gegenstand des Kaufvertrags waren darüber hinaus 1/20‑Anteile an der Liegenschaft EZ 152 KG *****, bestehend aus mehreren Grundstücken, die jeweils die Widmung Wald bzw landwirtschaftliche Nutzung tragen.
Im Kaufvertrag wurde unter Punkt VIII. „Gemeinschaftsflächen EZ 152“ festgehalten, dass es sich bei diesen Grundflächen teils um eine Böschung, teils um Wiesen‑ und Waldflächen handelt und diese als Gemeinschaftsflächen für die Eigentümer der zehn Wohneinheiten der Reihenhausanlage „E***** I“ (Eigentümergemeinschaft EZ 138 KG *****) und für die Eigentümer der zehn Wohneinheiten der Reihenhausanlage „E***** II“ (Eigentümergemeinschaft EZ 69 KG *****) gewidmet sind. Weiters ergibt sich aus diesem Vertragspunkt, dass das Wohnungseigentumsobjekt des Erstantragstellers (Reihenhaus 16 der EZ 69 KG *****) und dessen Anteil an den Gemeinschaftsflächen EZ 152 KG ***** eine wirtschaftliche Einheit bilden sollen und sich der Käufer verpflichtet, diese Einheit stets zu wahren, diese nur gemeinsam zu veräußern und diese Verpflichtung an seine Rechtsnachfolger zu übertragen.
Die Antragsteller begehrten neben der Einverleibung des Eigentumsrechts für den Erstantragsteller unter anderem die Einverleibung des Vorkaufsrechts „gemäß § 15g WGG“ auch an den 1/20‑Anteilen des Erstantragstellers an der Liegenschaft EZ 152.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte Einverleibung der Miteigentumsrechte für den Erstantragsteller in EZ 69 und EZ 152, die Einverleibung des Vorkaufsrechts gemäß § 15g WGG an den Miteigentumsanteilen in der EZ 69 sowie die begehrten Pfandrechtseintragungen und wies den Antrag auf Bewilligung der Einverleibung des Vorkaufsrechts gemäß § 15g WGG ob 1/20‑Anteilen an der EZ 152 mit der Begründung ab, dass sich das Vorkaufsrecht nach der genannten Gesetzesstelle nur auf Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten beziehe.
Das Rekursgericht gab dem gegen den abweisenden Teil der erstgerichtlichen Entscheidung gerichteten Rechtsmittel der Antragsteller nicht Folge. Das mit § 15g WGG neu eingeführte Vorkaufsrecht solle dazu dienen, Eigentumsobjekte, die unter Zuhilfenahme von Förderungen der öffentlichen Hand günstiger erworben hätten werden können, vor spekulativen Transfers zu schützen. Dieser Zweck komme bei der EZ 152 nicht zum Tragen, weil mit den an den Erstantragsteller veräußerten Miteigentumsanteilen weder eine geförderte Wohnung noch eine Geschäftsräumlichkeit verbunden sei. Es treffe zwar zu, wie die Antragsteller meinten, dass Kfz‑Abstellplätze, welche ebenfalls den Gegenstand des Kaufvertrags bildeten, keine Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit im baulichen Sinn darstellen würden, doch komme hier zum Tragen, dass die Wohnbauförderung auch für diejenigen Miteigentumsanteile an der EZ 69 aushafte, die mit der ausschließlichen Nutzung der beiden Abstellplätze verbunden seien. Die vertragliche Bindung der Anteile an der „Gemeinschaftsfläche EZ 152“ im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit an die mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteile der EZ 69 sowie die dem Erstantragsteller auferlegte Verpflichtung, diese nur gemeinsam zu veräußern, könnten eine Anwendung des § 15g WGG auf die Miteigentumsanteile der EZ 152 nicht rechtfertigen.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zu § 15g WGG nicht vorliege und der Frage, ob sich ein Vorkaufsrecht nach dieser Bestimmung auch auf „mitübertragene selbständige Einlagezahlen, die nicht die Voraussetzungen nach § 15g WGG erfüllen, erstreckt“, von erheblicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 15g WGG besteht; er ist aber nicht berechtigt.
1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die beantragte Einverleibung des Vorkaufsrechts hinsichtlich der 1/20‑Anteile an der Liegenschaft EZ 152.
2.1 Die Bestimmung des § 15g WGG wurde mit Art 3 des Bundesgesetzes, „mit dem das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Wohnbauinvestitionsbank [WBIB‑G] erlassen und das Bundesgesetz über Steuerliche Sondermaßnahmen zur Förderung des Wohnbaus und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz geändert werden“, BGBl I 2015/157 (in der Folge „Nov 2016“), eingeführt. Ihr Abs 1 hat folgenden Wortlaut:
„(1) Der Bauvereinigung steht im Fall einer nachträglichen Übertragung von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten gemäß § 15b in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) ein Vorkaufsrecht zu, das im Grundbuch einzuverleiben ist und dessen Rechtsfolgen im Kaufvertrag zu erläutern sind. Das Vorkaufsrecht zum Kaufpreis gemäß Abs 2 Z 2 darf ohne Zustimmung der Bauvereinigung binnen zehn Jahren nach Abschluss des Kaufvertrages nicht gelöscht werden. Es erlischt entweder nach Leistung des Differenzbetrages gemäß Abs 2 oder spätestens nach zehn Jahren.“
2.2 Die Revisionsrekurswerber vertreten die Ansicht, das Rekursgericht habe die Bestimmung des § 15g WGG zu Unrecht auf seinen Wortlaut – „Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten“ – reduziert, anstatt diese Bestimmung teleologisch im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers auszulegen. Dazu meinen sie, die Einverleibung eines Veräußerungsverbots gemäß § 32 Abs 1 NÖ WFG ob der EZ 152 mache deutlich, dass „eine grundbücherliche Verbindung mit der (Stamm‑)Liegenschaft, auf der die geförderten Objekte errichtet wurden, zulässig und möglich“ sei.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden:
3.1 § 15b Abs 1 WGG, auf den in der Bestimmung des § 15g WGG verwiesen wird, nennt die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine Bauvereinigung ihre Baulichkeiten, Wohnungen und Geschäftsräume nachträglich in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) übertragen kann. Bereits die Bestimmung des § 15b WGG in der Fassung des 3. WÄG, BGBl 1993/800, enthielt in den Abs 6 und 7 Vorkehrungen, die Spekulationen mit gemeinnützigem Vermögen verhindern sollten, indem im Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag zu vereinbaren war, dass der Wohnungseigentümer, für den Fall der Weiterveräußerung seines Miteigentumsanteils binnen sieben Jahren nach grundbücherlicher Einverleibung des Wohnungseigentumsrechts einen Abschlagbetrag zu zahlen hat.
3.2 Nach der Regierungsvorlage zur Nov 2016 (895 BlgNR 25. GP 12) soll die Regelung des § 15g WGG an die Bestimmungen des § 15b Abs 6 und 7 WGG in der Fassung 3. WÄG anknüpfen und einerseits kein „Eigentum zweiter Klasse“ schaffen, andererseits aber für den Fall einer Veräußerung innerhalb einer zehnjährigen „Spekulationsfrist“ sicherstellen, dass „von der öffentlichen Hand zum Teil massiv gestützte Preisvorteile zugunsten (und vor allem) des nachträglich erwerbenden Mieters, insbesondere bei spekulativen Erwerben und Veräußerungen, im Sinn eines „Generationenausgleichs“ (siehe § 1 Abs 3 WGG NEU) wieder – zugunsten Neubau und Sanierung von Wohnungen – in das gemeinnützig gebundene Vermögen zurückfließen“.
3.3 Zweck der Bestimmung des § 15g WGG ist demnach, Spekulationen mit Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten zu verhindern, deren Errichtung mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde. Zu diesem Zweck wurde eine zehnjährige „Nachbesserungspflicht“ verankert, innerhalb der der Wohnungseigentümer im Fall einer Weiterveräußerung seines Miteigentumsanteils einen bestimmten Differenzbetrag, der nach § 15g Abs 2 WGG zu ermitteln ist, an die Bauvereinigung zu leisten hat ( Zenz , Die Spekulationsregel der WGG‑Novelle 2016, wobl 2016, 281 [282]). Zur Absicherung dieser „Nachbesserung“ ist der gemeinnützigen Bauvereinigung im Fall einer nachträglichen Übertragung von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten gemäß § 15b WGG ein Vorkaufsrecht einzuräumen. § 15g WGG findet daher nur bei nachträglichen Eigentumsbegründungen im Sinne des § 15b WGG Anwendung ( Zenz aaO; Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer , Miet‑ und Wohnrecht 23 ErgBD [2016] § 15g WGG Rz 2; P rader , Rätselhaftes Vorkaufsrecht im WGG, Zak 2016/161, 84, mit der Einschränkung, dass der Verkaufspreis [Fixpreis] unter dem tatsächlichen Verkehrswert liegt).
4. Daraus folgt:
4.1 Die EZ 152 besteht aus Grundstücken, die allesamt als Wald bzw landwirtschaftlich genutzte Flächen gewidmet sind. Mit den 1/20‑Miteigentumsanteilen des Erstantragstellers an dieser Liegenschaft ist weder das Nutzungsrecht an einer Wohnung noch an Geschäftsräumlichkeiten verbunden. Die Bestimmung des § 15g WGG ist als Ausnahme vom Verbot nach § 38 Abs 1 Z 3 WEG 2002 konzipiert und findet schon ihrem Wortlaut nach nur bei nachträglicher Eigentumsbegründung im Sinne des § 15b WGG Anwendung.
4.2 Auch für eine Anwendung dieser Bestimmung per analogiam auf Grundflächen, bei welchen es sich teils um eine Böschung, teils um Wiesen‑ und Waldflächen handelt, verbleibt kein Raum. Eine Analogie setzt die planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (RIS‑Justiz RS0106092; RS0008866 [T2; T4; T11]; RS0008870). Eine solche Lücke kann aber nur dann angenommen werden, wenn die Wertungen und der Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RIS‑Justiz RS0008866 [T27]).
4.3 Zweck der Bestimmung des § 15g WGG ist– wie dargelegt – bei der nachträglichen Übertragung von Eigentumsobjekten Spekulationen aufgrund der von der öffentlichen Hand gestützten Preisvorteile zugunsten des nachträglich erwerbenden Mieters zu hindern. Dazu hat bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt, dass für die Anwendung dieser Bestimmung der Verwendung öffentlicher Fördermittel bei der Errichtung derjenigen Objekte, die im Sinne des § 15d WGG nachträglich in das Eigentum übertragen werden sollen, entscheidende Bedeutung zukommt. Der durch die Verwendung öffentlicher Mittel erlangte Vorteil soll im Sinne eines Generationenausgleichs (dazu 895 BlgNR 25. GP 12) erhalten bleiben und nicht Gegenstand von Spekulationen sein.
4.4 Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen, dass der vom WGG forcierte Begriff der „Baulichkeit“ dem als Synonym verwendeten Begriff „Haus“ gleichzuhalten ist. Grundsätzlich ist damit im Anwendungsbereich des WGG auf die Liegenschaft, also auf den Grundbuchskörper abzustellen (RIS‑Justiz RS0069823 [T1]; 5 Ob 151/14p mwN), sodass die Identität von Haus und Liegenschaft den Regelfall darstellt (5 Ob 43/05t; 5 Ob 37/16a; Würth in Rummel , ABGB 3 § 17 MRG Rz 3; E.M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch , Österreichisches Wohnrecht 3 § 17 MRG Rz 9). Auch § 15b WGG geht von der Identität von Liegenschaft und Haus aus, wenn von Baulichkeiten, Wohnungen und Geschäftsräumen, die nachträglich in das Eigentum übertragen werden können, die Rede ist. Damit kann sich auch ein Vorkaufsrecht nach § 15g WGG immer nur auf Anteile derjenigen Liegenschaft erstrecken, auf der die Baulichkeit errichtet ist, in der sich die Eigentumsobjekte, die Gegenstand einer nachträglichen Eigentumsübertragung im Sinne des § 15b WGG sind, befinden.
5. Zusammengefasst folgt, dass die von den Revisionsrekurswerbern angestrebte Gleichsetzung der unbebauten Liegenschaft EZ 152 mit jener, auf der sich die Objekte befinden, die nachträglich in das Eigentum des Erstantragstellers übertragen wurden, weil diese vertraglich als wirtschaftliche Einheit bezeichnet werden, und dem Erstantragsteller die Verpflichtung auferlegt wurde, diese Einheit stets zu wahren und nur gemeinsam zu veräußern, weder aus dem Wortlaut des § 15g WGG noch aus dem Zweck dieser Bestimmung abgeleitet werden kann. Die Einverleibung des als Ausnahme vom Verbot nach § 38 Abs 1 Z 3 WEG 2002 konzipierten Vorkaufsrechts nach § 15g WGG kommt nicht in Betracht, wenn auf der Liegenschaft Baulichkeiten im Sinne des § 15b WGG gar nicht errichtet sind. Auch der Umstand, dass auf der Liegenschaft EZ 152 ein Veräußerungsverbot gemäß § 32 Abs 1 NÖ WFG für das Land Niederösterreich einverleibt ist, führt zu keiner anderen Sichtweise.
6. Ein allgemeines Vorkaufsrecht nach den §§ 1072 ff ABGB haben die Antragsteller im Kaufvertrag nicht vereinbart, sodass dem Revisionsrekurs insgesamt ein Erfolg zu versagen ist.
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