OGH 7Ob27/17x

OGH7Ob27/17x29.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* R*, vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei M* V*, vertreten durch Stipanitz-Schreiner & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Einwilligung und 238.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. November 2016, GZ 3 R 139/16k‑82, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Juli 2016, GZ 10 Cg 96/13y‑78, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117991

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.877,30 EUR (darin 479,55 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Vorinstanzen erachteten einen von den Parteien im Jahre 1997 abgeschlossenen Schenkungsvertrag infolge damaliger Geschäftsunfähigkeit des Klägers für (absolut) nichtig und verpflichteten deshalb den Beklagten zur Rückübereignung damit erlangter Liegenschaftsanteile sowie zur Zahlung des durch die Veräußerung eines solchen Anteils erlangten Verkaufserlöses an den Kläger.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob bei einem länger bestehenden Gesamtplan (gemeint: die beabsichtigte Übertragung des gesamten Vermögens an den Beklagten) und im Fall des Abschlusses ähnlicher Geschäfte (mit derselben Person) und/oder im Fall von Zuwendungen nach zwischenzeitig vorliegender Geschäftsfähigkeit eine nachträgliche (konkludente) Zustimmung oder Genehmigung des nichtigen Rechtsgeschäfts und damit eine Sanierung des Mangels anzunehmen sei. Außerdem könnte die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen von der Entscheidung 6 Ob 44/13h abweichen.

Der Beklagte macht in seiner Revision ebenfalls geltend, dass der Kläger später durch Überlassung weiterer Liegenschaftsanteile im Rahmen eines Gesamtplans den unwirksamen Vertrag aus 1997 bestätigt habe und die nunmehrige Berufung auf dessen Unwirksamkeit überdies Rechtsmissbrauch darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Der Kläger litt an einer bipolaren affektiven Störung mit (ua) massiven Ängsten sowie schweren Depressionen mit Suizidgedanken, die einen stationären Krankenhausaufenthalt und die Behandlung mit Neuroleptika in Form von über Wochen wirksamen Depot-Injektionen erforderten. Diese Beeinträchtigungen des Klägers sind schon in tatsächlicher Hinsicht nicht mit jenen vergleichbar, die in der Entscheidung 6 Ob 44/13h zu beurteilen waren. Der dort Zweitbeklagte stand zu den wesentlichen Vertragszeitpunkten „unter keiner medikamentösen Beeinträchtigung, die ihn in seiner Einsichtsfähigkeit beeinträchtigte, und (es) lagen keine schweren Organerkrankungen vor“.

2. Das Erstgericht hat festgestellt, dass der Kläger nur zwei Tage nach seiner Entlassung aus der stationären Behandlung den Schenkungsvertrag unterfertigte, aber aufgrund seiner schwer depressiven Phase und der Medikation in seiner Einsichts- und Urteilsfähigkeit so stark beeinträchtigt war, dass er die Tragweite und die Auswirkungen des Schenkungsvertrags nicht zu erkennen vermochte. An der damaligen Geschäftsunfähigkeit des Klägers ist daher nicht zu zweifeln, ist diese doch (schon) dann anzunehmen, wenn – wie hier – die normale Freiheit der Willensentschließung durch eine geistige Störung aufgehoben ist (RIS‑Justiz RS0014623 [T1]) und der Betroffene nicht in der Lage ist, die Tragweite des konkreten Rechtsgeschäfts zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0009075 [T2]; vgl auch RS0014615 [T2]).

3. Das von einem Handlungsunfähigen abgeschlossene Geschäft ist absolut nichtig. Es entspricht der bereits vom Berufungsgericht zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung, dass dessen Willenserklärung auch nicht nachträglich dadurch Gültigkeit erlangt, dass sie der Handlungsunfähige selbst nach Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit genehmigt (RIS‑Justiz RS0014652; RS0014653). Diese Rechtsansicht entspricht auch herrschender Lehre (Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 865 Rz 2; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 865 Rz 2; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 865 Rz 6; Bollenberger in KBB4 § 865 Rz 3; Kolmasch in Schwimann TaKom3 § 865 Rz 5).

4. Ob, wie der Beklagte meint, zur Zeit späterer Geschäftsfähigkeit des Klägers ein dem nichtigen Vertrag inhaltlich entsprechendes Rechtsgeschäft durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten zustande gekommen ist, ist eine typische Frage des Einzelfalls und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0109021 [T6]). Jedenfalls darf eine konkludente Handlung nur dann angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille vorliegt, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0014150; RS0109021 [T1]). Aus dem Umstand, dass der Kläger später andere Vermögensdispositionen zugunsten des Beklagten vorgenommen hat, kann keine schlüssige „Wiederholung“ der früheren (nichtigen) Schenkung abgeleitet werden.

5. Dass der Kläger erst jetzt seine Geschäftsunfähigkeit geltend gemacht hat, während der Beklagte auf die Wirksamkeit der Schenkung vertraut haben mag, begründet für sich keinen Rechtsmissbrauch durch den Kläger. Welche Vorstellungen der Kläger kurz vor Abschluss des Schenkungsvertrags bei der schon zuvor erfolgten Übergabe der Liegenschaftsanteile geäußert haben mag, ist irrelevant, weil dieser bereits ab Ende Juni 1997 (Übergabe am 3. 7. 1997) geschäftsunfähig war. Auch im Jahr 2006, als der Kläger auf sein Fruchtgenussrecht verzichtete, war er geschäftsunfähig, weshalb mit all diesen Verhaltensweisen die nunmehrige Rechtsverfolgung des Klägers nicht als Rechtsmissbrauch (venire contra factum proprium) erwiesen werden kann. Im Übrigen sind dem festgestellten Sachverhalt keine Maßnahmen des Klägers zu entnehmen, mit denen dieser – konkret – die Erwartungen des Beklagten betreffend Wirksamkeit des Schenkungsvertrags aus dem Jahre 1997 bestätigt und damit schutzwürdiges Vertrauen aufgebaut hätte (vgl dazu RIS‑Justiz RS0128483).

6.1. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision unzulässig und zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

6.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO; der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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