OGH 5Ob23/17v

OGH5Ob23/17v1.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Dr. G* V*, vertreten durch Mag. Arno Pajek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. S* K* und 2. Mag. A* K*, sowie 3. Dipl.‑Ing. T* K* und 4. Mag. N* K*, alle vertreten durch Dr. Hans Meller, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Parteien G* Versicherung AG, *, vertreten durch Dr. Leonhard Romig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 335.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. November 2016, GZ 15 R 103/16a‑227, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. April 2016, GZ 5 Cg 119/11y‑214, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E117537

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Die Beklagten sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1056, die aus dem Grundstück Nr 1351 besteht. Der Kläger ist Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft EZ 1417, bestehend aus dem Grundstück Nr 1350. Der Kläger nutzte die Liegenschaft zu Freizeitzwecken.

Mit Bescheid der Baubehörde vom 11. 11. 2008 wurde den beklagten Parteien die Bewilligung zur Errichtung eines Doppelwohnhauses mit Niveauänderung erteilt.

Die Beklagten beauftragten eine P* GmbH als Generalunternehmerin mit der Errichtung des Hauses auf ihrer Liegenschaft, die bei den Grabungsarbeiten nicht fachgerecht vorging, weil sie für keine ausreichende Befestigung oder Stützung der Baugrubenwände sorgte. Dadurch kam es kurz nach Beginn der Aushubarbeiten im Dezember 2008 zu Spannungen im Untergrund, die zu Hangrutschungen führten. Dadurch kam es zu Schäden an der Liegenschaft des Klägers. Durch Verfüllung der Baugrube auf der Liegenschaft der Beklagten wurde ein inhomogener Körper geschaffen, der – rein als Last betrachtet – die ursprünglichen Spannungsverhältnisse wiederhergestellt hat.

Die Bauherrenhaftpflichtversicherungen der Beklagten leisteten aus diesem Schadensfall insgesamt 320.000 EUR.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers teilweise Folge und verpflichtete die Beklagten zur Leistung eines weiteren Betrags von 46.700 EUR. Die vom Kläger begehrte Naturalrestitution (Anm: der hierfür begehrte Geldersatz) sei untunlich, weswegen bei der Schadensermittlung von der objektiven Wertminderung auszugehen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger nur noch geltend, dass ihm Naturalrestitution an Stelle der Wertminderung gebühre, und spricht damit keine Fragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an:

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass auch auf nachbarrechtliche Ansprüche § 1323 ABGB anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0053282, RS0011948 [T2]). Der Oberste Gerichtshof hat sich auch mit Fragen der Tunlichkeit der Naturalrestitution in diesem Kontext bereits mehrfach befasst (vgl RIS-Justiz RS0030117; RS0053254; RS0112887). Grundsätzlich gilt, dass nach § 1323 ABGB ein Schaden in erster Linie durch Zurückversetzen in den vorigen Stand auszugleichen ist. Nur wenn dies nicht möglich oder untunlich ist, soll der gemeine Wert/Schätzwert ersetzt werden (vgl dazu Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1323 Rz 7; vgl Huber in Schwimann, ABGB-TaKomm3 § 1323 Rz 13a, 24 mwN). Nach dem ABGB ist demnach primär die Naturalherstellung und nur subsidiär der Geldersatz vorgesehen. Naturalrestitution scheidet wegen Untunlichkeit nur dann aus, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand an Kosten und Mühe erfordert (RIS-Justiz RS0030117).

2. Diesen auf den Vorrang der Naturalrestitution abstellenden Grundsätzen kommt im besonderen Maß bei Liegenschaften Geltung zu, sodass der Tunlichkeit der Wiederherstellung (§ 1323 ABGB) grundsätzlich keine engen Grenzen zu ziehen sind (1 Ob 620/94 = SZ 68/101; 1 Ob 62/16y). Bei Beschädigung solcher Güter ist – ähnlich wie bei Sachen ohne Verkehrswert – auf die Sichtweise eines wirtschaftlich vernünftig handelnden Menschen, der den Schaden selbst zu tragen hätte, abzustellen. Die Frage, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Grundeigentümer in der Lage des geschädigten Klägers den früheren Zustand der Grundfläche trotz eines die objektive Wertminderung übersteigenden Instandsetzungsaufwands wiederherstellen würde, um das Grundstück entsprechend nutzbar zu machen, ist eine unter Abwägung aller Umstände zu treffende Einzelfallbeurteilung (RIS-Justiz RS0053282 [T12]; 5 Ob 61/11y), die nur dann eine erhebliche Rechtsfrage darstellt, wenn dem Berufungsgericht eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0044088 ua).

3. Nach Einstellen der Arbeiten auf der Liegenschaft der Beklagten, wurde die Baugrube verfüllt. Dadurch wurde auf der Liegenschaft der Beklagten ein inhomogener Körper geschaffen, der – rein als Last betrachtet – die ursprünglichen Spannungsverhältnisse wiederhergestellt hat. Abhängig von der Art einer allfälligen Bebauung dieser Liegenschaft sind weitere Sanierungsmaßnahmen erforderlich, um rechnerisch aus geologischer und bodenmechanischer Sicht einen Zustand der Liegenschaft des Klägers zu erreichen, der dem des Jahres 2008 entspricht. Der Kläger zieht nicht mehr in Zweifel, dass das vom Sachverständigen unter der Variante b) angeführte Sanierungskonzept untunlich ist, weil es einen Aufwand erfordern würde, der etwa dem dreifachen des Liegenschaftswerts entspricht. Er zielt mit seinen Revisionsausführungen aber auf Geldersatz für die vom Sachverständigen in der Sanierungsvariante a) angeführten Arbeiten ab. Dazu hat aber bereits das Berufungsgericht grundsätzlich zutreffend angemerkt, dass die damit verbundenen Maßnahmen keine für alle künftig möglichen Bebauungsarten auf der Liegenschaft der Beklagten eine dem früheren Zustand der Liegenschaft des Klägers gleichwertige Stabilisierung bieten. Auch übergeht der Kläger, dass diese Sanierungsvariante auf der Vornahme von Erdarbeiten beruht, die nicht nur auf den Liegenschaften der Streitteile, sondern auch auf anderen Grundstücken, die nicht in ihrem Eigentum stehen, erforderlich sind, um rechnerisch eine Stabilität wie vor dem schädigenden Ereignis zu erreichen. Die Sanierungsvariante, wie sie der Kläger seiner Geldersatzforderung zugrunde legt, bedeutet damit einen Eingriff in die Rechte Dritter. Schon ausgehend davon liegt keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vor, wenn es die Tunlichkeit einer Naturalrestitution auch in der Variante a) des Sachverständigengutachtens verneinte. Abgesehen davon haben die Beklagten bereits in ihrer Berufungsbeantwortung bemängelt, dass die in der Variante a) festgestellte Position für „Bepflanzung“ in der Höhe von 131.800 EUR auf einem irrigen Verständnis des Sachverständigengutachtens beruht. Zieht man aber den nach richtigem Verständnis auf die Liegenschaft des Klägers entfallenden Teil dieser Position heran, ergibt sich ohnedies, dass ihm auch nach der Variante a) unter dem Titel Geldersatz für Naturalrestitution kein höherer Betrag gebührt, als die von den Vorinstanzen als objektive Wertminderung ermittelte Entschädigung.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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