OGH 5Ob61/11y

OGH5Ob61/11y27.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Katharina P*****, und 2. Karl P*****, beide vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in Korneuburg, gegen die beklagte Partei Gemeinde K*****, vertreten durch Dr. Karl Claus und Mag. Dieter Berthold Rechtsanwälte KEG in Mistelbach, wegen 28.313 EUR sA (Revisionsinteresse: 15.300 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 1. Dezember 2010, GZ 15 R 183/10g-73, mit dem infolge Berufungen beider Streitteile das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 14. August 2010, GZ 2 Cg 140/07z-67, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.076,51 EUR (darin 179,42 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht hat über Antrag der Beklagten nach § 508 Abs 1 ZPO nachträglich ausgesprochen, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass die Kläger die Absicht hätten, es nicht bei den Schädigungen der Bäume zu belassen, sondern eine Wiederherstellung der Baumreihe als Windschutz durchzuführen. Diese Ansicht habe sich zunächst daraus ergeben, dass die Kläger stets die Kosten einer Wiederherstellung begehrten. Konkrete Gründe, an einer Wiederherstellungsabsicht der Kläger zu zweifeln, hätten nicht bestanden; auch die Beklagte habe dazu kein Vorbringen erstattet. Allerdings lägen für eine solche Absicht weder ein ausdrückliches Vorbringen der Kläger noch Beweisergebnisse vor. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass das Verfahren hinsichtlich der Frage nach der Wiederherstellungsabsicht der Kläger im Sinn einer Erörterung und anschließenden Beweisaufnahme ergänzungsbedürftig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten erhobene Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO kurz zu begründen ist:

1.1. Selbst wenn das Berufungsgericht mit dem wiedergegebenen Ausspruch zu Recht erkannt hätte, die ordentliche Revision sei zulässig, das Rechtsmittel dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist dieses trotz der Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz vom Obersten Gerichtshof zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059).

1.2. Die Beklagte tritt hier der - rechtlich selbstständigen - Beurteilung der Wiederherstellungsabsicht der Kläger durch das Berufungsgericht nicht entgegen, sondern bezeichnet es als erhebliche Rechtsfrage lediglich, „wann tatsächlich bei einer Baumschädigung eine Naturalrestitution untunlich ist“. Die vom Berufungsgericht hingegen relevierte Rechtsfrage ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0102059 [T7]; RS0043338).

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit Fragen der Tunlichkeit der Naturalrestitution im Allgemeinen (vgl RIS-Justiz RS0030117; RS0053254; RS0112887) und im Zusammenhang mit Schäden an Bäumen und Hecken im Besonderen (vgl RIS-Justiz RS0030380) bereits mehrfach befasst. Grundsätzlich gilt auch in diesem Kontext, dass nach § 1323 ABGB ein Schaden in erster Linie durch Zurückversetzen in den vorigen Stand auszugleichen ist. Nur wenn dies nicht möglich oder untunlich ist, soll der Schätzungswert vergütet werden. Nach dem ABGB ist demnach primär die Naturalherstellung und nur subsidiär der Geldersatz vorgesehen. Der Vorrang der Wiederherstellung des vorigen Standes beruht auf dem Gedanken, dass die Naturalrestitution den besten und vollständigen Ersatz darstellt. Sie wahrt das Integritätsinteresse und ist am besten geeignet, den Ausgleichsgedanken zu verwirklichen. Während Geldersatz dem Geschädigten nur das „Wertinteresse“ in Geld ersetzt, wird durch die Naturalherstellung jener tatsächliche Zustand hergestellt, wie er ohne schädigendes Ereignis bestanden hätte. Die Naturalherstellung ist selbst dann durchzuführen, wenn sie teurer kommt als Geldersatz. Sie scheidet wegen Untunlichkeit nur dann aus, wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand an Kosten und Mühe erfordert (3 Ob 565/88 = EvBl 1989/103, 374, RIS-Justiz RS0030117).

2.2. Diesen auf den Vorrang der Naturalrestitution abstellenden Grundsätzen ist im besonderen Maß bei Liegenschaften Geltung zu verschaffen. Bei Beschädigung solcher Güter ist - ähnlich wie bei Sachen ohne Verkehrswert - zu fragen, ob ein verständiger Eigentümer in der Lage des Geschädigten die Kosten aufwenden, ob also ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Mensch, der den Schaden selbst zu tragen hätte, diesen Aufwand gleichfalls bestreiten würde. Da die Beklagte das gesamte subjektiv zu berechnende Interesse zu ersetzen hat, dürfen der Tunlichkeit der Wiederherstellung (§ 1323 ABGB) keine engen Grenzen gezogen werden (1 Ob 620/94 = SZ 68/101).

2.3. Die Frage, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Grundeigentümer in der Lage der geschädigten Kläger den früheren Zustand der Grundfläche trotz des die objektive Wertminderung erheblich übersteigenden Instandsetzungsaufwands wiederherstellen würde, um das Grundstück entsprechend nutzbar zu machen, ist eine unter Abwägung aller Umstände zu treffende Einzelfallbeurteilung. Wenn hier das Berufungsgericht unter besonderer Berücksichtigung der Funktion der dauerhaft geschädigten Bäume als Windschutz die - die Wertmindung (berechnet bloß als prozentuelle Verminderung des Werts des Gehölzes als Anteil am gesamten Grundstückswert) deutlich übersteigenden - Kosten für eine die volle Funktion eines Windschutzgürtels wiederherstellende Weißbuchen- oder Eibenhecke zuerkannt hat, ist darin noch keine unvertretbare und damit seitens des Obersten Gerichtshofs korrigierbare Beurteilung der (Un-)Tunlichkeit der Naturalrestitution zu erkennen.

3. Bestätigt das Berufungsgericht den nach § 179 ZPO ergangenen Zurückweisungsbeschluss des Erstgerichts, dann kann dieser Beschluss im Hinblick auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO - auch aus dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens - nicht angefochten werden (RIS-Justiz RS0036878). Die Frage, ob das Erstgericht § 179 ZPO richtig angewendet hat, ist vom Berufungsgericht abschließend zu beurteilen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr erfolgreich mit Revision geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0042963). Geht das Berufungsgericht von der richtigen Anwendung der Präklusionsvorschrift durch das Erstgericht aus, kann darin kein Mangel des Berufungsverfahrens liegen (RIS-Justiz RS0036897 [T3]).

Die Revision ist somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und deshalb zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).

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