OGH 9ObA56/16z

OGH9ObA56/16z28.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Dr. Klaus Mayr. in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. H***** M*****, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen 31.028,15 EUR sA (Revisionsinteresse der klagenden Partei: 17.314,64 EUR sA; Revisionsinteresse der beklagten Partei: 13.713,51 EUR sA), über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2016, GZ 10 Ra 77/15i‑23, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 23. März 2015, GZ 40 Cga 139/14z‑17, teilweise Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00056.16Z.0228.000

 

Spruch:

 

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 157,32 EUR (darin 26,22 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der am ***** 1948 geborene Kläger war bei der Beklagten (bzw ihren Rechtsvorgängerinnen) von 1. 4. 1976 bis 31. 7. 2003 in unterschiedlichen Funktionen, zuletzt als Geschäftsführer für Tschechien und die Slowakei, beschäftigt. Er hatte ursprünglich aus der Versorgungsordnung der Beklagten eine Anwartschaft auf eine leistungsorientierte Betriebspension, die er regulär ab dem 65. Lebensjahr, frühestens aber ab Vollendung des 60. Lebensjahres hätte beziehen können. Im Jahr 1999 stimmte er dem Umstieg auf ein beitragsorientiertes Pensionskassenmodell zu, das ua die Möglichkeit eines Pensionsanfalls ab dem 55. Lebensjahr vorsah. Das Dienstverhältnis zur Beklagten endete durch einvernehmliche Auflösung zum 31. 7. 2003, wobei Beweggrund für den Kläger ua der Pensionsbezug ab 55 Jahren war. Der Kläger traf die Entscheidung, sein Dienstverhältnis zur Beklagten zu beenden, bewusst und in Kenntnis, dass die Pensionsleistung der Pensionskasse deutlich niedriger als das zuletzt bezogene Entgelt ist. Er erhielt nach der Beendigung des Dienstverhältnisses von der Beklagten keine Leistungen mehr, bezieht aber seit August 2004 monatlich Pensionsleistungen der Pensionskasse, deren Höhe sich seither rückläufig entwickelt hat (August 2004: 4.531,74 EUR; März 2015: 3.244 EUR). Ab Mai 2007 fiel ihm auf, dass die Pension um rund 100 EUR gefallen war.

Aufgrund einer rechtskräftigen Vorentscheidung (9 ObA 92/12p) steht fest, dass die Beklagte für den Ersatz aller Schäden haftet, die aus der Übertragung ihrer Pensionszusage an die V***** Pensionskassen AG entstehen, weil sie beim Übertritt des Klägers in das Pensionskassenmodell ihre Aufklärungspflichten verletzt hatte. Wäre der Kläger im Jahr 1999 darüber aufgeklärt worden, dass seine Pension je nach Veranlagungsergebnis auch sinken könne, hätte er der Vereinbarung nicht zugestimmt.

Gestützt auf die im Vorverfahren festgestellte Haftung der Beklagten begehrt der Kläger den Ersatz eines Schadens in Höhe von 31.028,15 EUR brutto sA für den Zeitraum September 2011 bis Juli 2012 als Differenz der tatsächlich ausbezahlten Beträge zu jenen Beträgen, auf die er nach dem alten Pensionssystem der Beklagten Anspruch gehabt hätte. Er habe nach dem Pensionsstatut der Beklagten die Möglichkeit gehabt, eine vorzeitige Alterspension mit frühestens 60 Jahren in Anspruch zu nehmen, womit er Anspruch auf eine Gesamtpension von 5.864,22 EUR monatlich, 14 mal jährlich, und bei einem Pensionsantritt mit 65 Jahren einen noch höheren Pensionsanspruch gehabt hätte. Ihm sei der Übertritt gerade mit dem Anreiz, mit 55 Jahren in Pension gehen zu können, empfohlen worden. Bedingung dafür, in Pension gehen zu können, sei die Auflösung des Dienstverhältnisses gewesen, sodass eine klare Schadenskausalität der Fehlberatung für den eingeklagten Vertrauensschaden vorliege.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte, sofern revisionsgegenständlich ein, der Kläger habe keinen Schaden erlitten. Das neue Pensionssystem sei für den Kläger günstiger gewesen, weil er nach dem alten Pensionsstatut erst ab dem 65. Lebensjahr einen Leistungsanspruch gehabt hätte. Er habe für den Zeitraum 1. 8. 2004 bis 1. 10. 2013 (Zeitpunkt, zu dem er erstmals Leistungen nach der ursprünglichen Leistungszusage beziehen hätte können) von der Pensionskasse Zahlungen von 512.706,53 EUR erhalten. Da er sich diese Vermögensvorteile anrechnen lassen müsse, bestünden keine offenen Differenzansprüche. Nach dem Obersten Gerichtshof sei ein Vertrauensschaden aus dem pensionsbedingten Wegfall des Aktiveinkommens nicht ableitbar. Wenn auch der Verlust der Anwartschaft auf die Pension einen kapitalisierbaren Nachteil im Vermögen des Klägers darstellen könne, sei dieser Schaden nicht eingetreten, werde auch nicht nachvollziehbar dargelegt und wäre verjährt. Entsprechendes Vorbringen sei auch präkludiert, weil es der Kläger ohne weiteres zum Gegenstand des Vorverfahrens machen hätte können. Ein Schadenersatzanspruch aus der einvernehmlichen Auflösung scheitere am fehlenden Adäquanz- und Risikozusammenhang zwischen der mangelhaften Aufklärung des Klägers im Jahr 1999 und der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses, zu der sich der Kläger bewusst und frei entschieden habe. Die Pensionsleistung hätte nach dem alten Statut auch nur 4.721,20 EUR und nach einer hypothetischen Berechnung für ein Ausscheiden mit Erreichen des 55. Lebensjahres 4.411,54 EUR betragen.

Das Erstgericht wies das Begehren ab. Aus der Verletzung der Aufklärungspflicht sei der Vertrauensschaden zu ersetzen. Nach der Entscheidung 9 ObA 92/12p werde ein Vertrauensschaden nicht mit dem pensionsbedingten Wegfall des Lohnanspruchs begründet. Der Kläger habe die Entscheidung zur Beendigung des Dienstverhältnisses bewusst und in Kenntnis einer neulich niedrigeren Pensionsleistung der Pensionskasse getroffen, der Verlust des Lohns habe sein Zurechnungskriterium in der Auflösungsvereinbarung aus 2003. Der Kläger hätte zudem schon bei der ersten Auszahlung der Pensionskasse erkennen können, dass der Betrag niedriger als die von ihm nunmehr angenommene Pension nach dem alten Statut sei. Unter Zugrundelegung einer monatlichen Pension von 5.864,22 EUR habe der Kläger, da er bereits seit August 2004 eine Pensionsleistung erhalten habe und dies nach dem alten Statut nicht der Fall gewesen wäre, gegenwärtig auch noch keinen Schaden erlitten.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers teilweise Folge. Es sprach ihm 13.713,51 EUR brutto sA zu und wies das Mehrbegehren von 17.314,64 EUR brutto sA ab. Die fehlende Aufklärung durch die Beklagte, dass die dem Kläger gewährte Pension je nach Veranlagungsergebnis der Pensionskasse auch sinken könne, sei kausal und adäquat für die eingetretene Verminderung seines Einkommens im Zeitraum September 2011 bis Juli 2012. Zum Rechtswidrigkeitszusammenhang führte es aus, die Verpflichtung, den Dienstnehmer über die Ausgestaltung der von der Pensionskasse gewährten Pension aufzuklären, habe den Zweck, ihm eine informierte Entscheidung über einen Übertritt in die Pensionskasse zu ermöglichen, hier auch dazu, ihm eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Frage zu verschaffen, ob er zu einem bestimmten Zeitpunkt in Pension gehen oder das Dienstverhältnis fortsetzen wolle. Die vom Kläger bezogene Pension aus der Pensionkasse sei nach dem Klagevorbringen niedriger als jene Pension, die er fiktiv nach dem alten Pensionsstatut der Beklagten bezogen hätte. Ob dies ausschließlich darauf beruhe, dass er die Pension bereits mit Vollendung des 55. statt des 60. Lebensjahres angetreten habe oder sich auch aus den von den Parteien unterschiedlich angenommenen pensionsfähigen Gehaltsbestandteilen ergebe, sei nicht entscheidend. Wesentlich sei, dass eine allfällige aus dem früheren Pensionsantritt resultierende Differenz in der monatlichen Pensionshöhe in keinem Zusammenhang mit der von der Beklagten verletzten Pflicht zur Aufklärung über ein mögliches Absinken der Pension nach dem Pensionsantritt stehe. Das Gleiche gelte für eine allfällige unterschiedliche Berechnung des pensionswirksamen Einkommens. Derartige Differenzen lägen im Verhältnis zur verletzten Aufklärungspflicht außerhalb des Rechtswidrig-keitszusammenhangs.

Die geltend gemachten Differenzen ergäben sich jedoch – in geringerem Umfang – auch daraus, dass die Pensionshöhe nach Pensionsantritt gegenüber der ursprünglich geleisteten Pension von monatlich 4.531,74 EUR (im August 2008) abgesunken sei. Soweit das Klagebegehren darauf gestützt werde, dass der Pensionsanspruch in den Monaten, auf die sich der geltend gemachte Anspruch bezieht, niedriger als seine erste nach Pensionsantritt bezogene Pensionsleistung sei, liege der Schaden im Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil ein Arbeitnehmer durch die Aufklärungspflicht über die Möglichkeit des Absinkens davor bewahrt werde solle, das Risiko der Verringerung der Pensionsleistung gegenüber der beim Pensionsantritt erstmals bezogenen Pension gegen seinen Willen auf sich zu nehmen. Das Berufungsgericht bejahte den Rechtswidrigkeitszusammenhang daher so weit, als sich die Differenzen aus dem Absinken der Pensionsleistung gegenüber der gewährten erstmaligen Pension von 4.531,74 EUR ergeben. Zum Vorbringen der Beklagten, dem Kläger sei aufgrund des Vermögensvorteils aus dem neuen System im Vergleich zum alten System noch kein Schaden entstanden, sei ein Guthaben von über 490.000 EUR nicht nachvollziehbar. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt und – mangels identen Streitgegenstands des Vorprozesses – nicht präkludiert.

Die ordentliche Revision sei mangels Rechtsprechung zur Frage zulässig, ob ein Dienstnehmer, der aufgrund einer unzutreffenden Information des Dienstgebers der Übertragung einer gegenüber dem Dienstgeber bestehenden Pensionsanwartschaft auf eine Pensionskasse zustimme und in der Folge eine ihm erst durch diese Übertragung eröffnete Möglichkeit eines vorzeitigen Pensionsantritts in Anspruch nehme, einen Schadenersatzanspruch in Höhe der Differenz zwischen der tatsächlich bezogenen Pensionskassenleistung und einem fiktiven Pensionseinkommen habe, das er aus der direkten Leistungszusage des Dienstgebers bei späterem Pensionsantritt bezogen hätte.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Streitteile, in denen sie jeweils die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgabe bzw Klagsabweisung beantragen; hilfsweise wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zugeben.

Auch die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind jeweils zulässig, jedoch nicht berechtigt.

I. Zur Revision des Klägers

Der Kläger richtet sich unter Verweis auf die Entscheidungen 1 Ob 131/08h und 1 Ob 71/04d im Wesentlichen gegen die vom Berufungsgericht angenommene Begrenzung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs. Dazu war Folgendes zu erwägen:

1. Das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten besteht hier nicht schon darin, dass sie dem Kläger im Jahr 1999 die Möglichkeit zum Umstieg von der Firmenpensionsanwartschaft auf eine Pensionskassenzusage mit der Option bot, eine Pension bereits ab dem 55. Lebensjahr in Anspruch zu nehmen, sondern darin, dass sie den Kläger vor der Übertragung der Pensionsanwartschaften nicht darüber aufklärte, dass seine einmal gewährte Pension je nach Veranlagungsergebnis der Pensionskasse auch sinken könne.

2. Die Kausalität dieses Verhaltens im Sinne einer äquivalenten (conditio sine qua non) und adäquaten Verursachung des Schadens des Klägers wurde vom Berufungsgericht umfassend dargestellt und zutreffend bejaht, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Hervorzuheben ist, dass die Fehlberatung auch eine adäquate Ursache für die geltend gemachte Pensionsdifferenz sein muss. Die Adäquanz ist immer dann zu bejahen, wenn die Ursache ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines Erfolgs wie des eingetretenen noch irgendwie geeignet erscheint und der schädliche Erfolg nicht nur wegen einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen eingetreten ist (RIS‑Justiz RS0022914 [T10]; RS0098939). Die Haftung wäre nur dann zu verneinen, wenn als weitere Ursache des Schadens ein freies menschliches Handeln hinzukam, mit der der Schädiger nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen brauchte (RIS‑Justiz RS0022914 [T9]; RS0022918 [T13] ua). Hier liegt es nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass ein Arbeitnehmer, der aufgrund einer unvollständigen Information durch den Arbeitgeber einer Pensionskassenlösung zustimmt, nach der er bereits mit Vollendung des 55. Lebensjahres in Pension gehen kann, von dieser Möglichkeit auch Gebrauch macht. Ebenso wenig liegt es außerhalb der Lebenserfahrung, dass die von der Pensionskasse veranlagten Gelder nicht den erhofften Veranlagungserfolg haben und der ausgezahlte Pensionsbetrag deshalb geringer als erwartet ausfällt. Auch die Adäquanz der Fehlberatung der Beklagten für die Pensionseinbußen des Klägers ist damit zu bejahen.

3. Zutreffend hat das Berufungsgericht in der Folge dargelegt, dass aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens aber nur für jene Schäden zu haften ist, die die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindert wollte. Entscheidend dafür ist der Normzweck, da er den personalen, gegenständlichen und modalen Schutzbereich einer Verhaltensvorschrift absteckt (s Karner in KBB4 § 1295 Rz 9; Koziol, Haftpflichtrecht I2 Rz 8/21). Bei Vertragsverletzungen ist darauf abzustellen, ob die verletzten Interessen sachlich in der Richtung und im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen. Bei Verletzung von Aufklärungspflichten im Besonderen ist entscheidend, ob sich jenes Risiko verwirklicht hat, über das aufzuklären gewesen wäre (Karner aaO mwN). Es tritt hier an die Stelle der verallgemeinernden schematisierenden Befassung im Sinne der Adäquanztheorie eine am konkreten Normzweck ausgerichtete individualisierte Betrachtung. Maßgeblich ist, welche Interessen des anderen Teils in den vertraglichen Schutzbereich fallen sollen; die wirtschaftliche Zielsetzung kann dabei eine Beschränkung der Haftung ergeben. Bei Vertragsverletzungen kommt der Schutzzwecklehre vor allem Bedeutung für die Begrenzung der Folgeschäden eines vertragswidrigen Verhaltens zu. Aus dem Vertragszweck kann sich ergeben, dass bestimmte Risiken dem einen oder anderen Teil zur Last fallen sollen (RIS‑Justiz RS0017850).

4. Die aus der Fürsorgepflicht des Dienstgebers resultierende Aufklärungspflicht (vgl RIS‑Justiz RS0021544) dient der Schaffung adäquater Entscheidungsgrundlagen des Arbeitnehmers. Hier hat die Beklagte ihre Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass sie den Kläger nicht über die Möglichkeit des Absinkens der von der Pensionskasse gewährten Pension unter den Wert der ursprünglich zugesagten Firmenpension informierte. Diese Aufklärungspflicht sollte den Kläger hier nicht generell davor bewahren, dass er mit Erreichen des 55. Lebensjahres in Pension geht, sondern davor, dass er – zu welchem Zeitpunkt ab dem frühestmöglichen Pensionsantrittsalter auch immer – in der Erwartung in Pension geht, dass die ihm von der Pensionskasse gewährte Pension im Vergleich zur ursprünglich zugesagten Firmenpension keinen ihm nachteiligen Schwankungen unterliegt. Soweit die Differenz zwischen der monatlichen Pension des Klägers zur Firmenpension, die er bei einem Pensionsantritt zum 60. (oder späteren) Lebensjahr von der Beklagten beziehen hätte können, nur auf den früheren Pensionsantritt des Klägers zurückzuführen ist, resultiert sie tatsächlich nicht aus der Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten über ein mögliches Absinken der Pension, sondern daraus, dass der Kläger die ihm mit dem Umstieg auf das Pensionskassenmodell eröffnete Möglichkeit des früheren Pensionsantritts wahrnahm. Dass eine zu einem früheren Zeitpunkt angetretene Pension idR mit Abschlägen einhergeht, ist auch allgemein bekannt und in diesem Umfang daher auch nur der Entscheidung des Klägers zum frühestmöglichen Pensionsantritt zuzurechnen. Diese Möglichkeit sollte mit der Aufklärungspflicht auch nicht verhindert werden.

5. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass der Kläger auch nicht vorgebracht hat, deshalb zum 55. Lebensjahr in Pension gegangen zu sein, weil er betraglich auf eine bestimmte Pensionshöhe vertraut gehabt hätte und diese ausschlaggebend für seine Entscheidung gewesen wäre. Nach dem Klagsvorbringen hatte er vielmehr nur darauf vertraut, dass die Pensionskassenpension nicht unter den Wert der ihm zugesicherten Firmenpension sinken würde. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von den vom Kläger zitierten Entscheidungen 1 Ob 131/08h und 1 Ob 71/04d, weil dort in beiden Fällen jeweils eine unrichtige Auskunft über die künftige Pensionshöhe die Kläger jeweils veranlasst hatte, die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand zu beantragen. Das war hier nicht der Fall.

6. Der erkennende Senat teilt daher die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass eine allfällige aus dem früheren Pensionsantritt resultierende Differenz in der monatlichen Pensionshöhe, soweit sie nur auf den früheren Pensionsantritt zum 55. Lebensjahr zurückgeht, nicht schon durch die Aufklärungspflicht der Beklagten über das Sinken der Pension hätte verhindert werden sollen. Sie steht folglich nicht im Zusammenhang mit der Verletzung ihrer Aufklärungspflicht. Unter der Annahme, dass der Kläger unter der Geltung des Firmenpensionsstatuts zum 60. Lebensjahr in Pension gegangen wäre (was nicht feststeht), wäre der Schaden des Klägers der Beklagten daher nur insoweit zurechenbar, als eine von der Pensionskasse gewährte Pension, auf die der Kläger bei einem Pensionsantritt zum 60. Lebensjahr für den hier geltend gemachten Zeitraum (September 2011 bis Juli 2012) Anspruch hätte, hinter der fiktiven Pension nach dem alten Pensionsstatut zurückbliebe.

7. Entsprechende Rechenwerte wurden weder vorgebracht noch festgestellt. Das Berufungsgericht hat aber jedenfalls jenen Betrag als ersatzfähig erkannt, der auf das aus den Feststellungen hervorgehende Absinken der Pensionshöhe der tatsächlich ausbezahlten Beträge zurückgeht. Dies haben die Parteien in den Revisionen auch nicht weiter in Frage gestellt. Insbesondere hat die Beklagte in ihrer Revision auch nicht vorgebracht, dass diese Beträge monatlich höher seien als jene, auf die der Kläger nach dem alten Pensionsstatut Anspruch gehabt hätte. Auf weitere Fragen der Schadensberechnung muss hier daher nicht eingegangen werden.

8. Der Kläger verweist für seinen Standpunkt auch auf den Wortlaut der Vorentscheidung (Haftung der Beklagten für den Ersatz „aller“ Schäden). Für die Auslegung des Spruchs sind jedoch auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0043259; RS0041454; RS0041331). Die Bindungswirkung dieser Entscheidung bezieht sich auch nur darauf, dass der Kläger mangelhaft beraten wurde und die Beklagte nun nicht mehr erfolgreich behaupten kann, keine Vertragspflicht verletzt zu haben. Ob die hier geltend gemachten (Folge-)Schäden im Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang stehen, war in der Vorentscheidung nicht zu prüfen.

II. Zur Revision der Beklagten

1. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts von der Entscheidung 9 ObA 92/12p abweiche, nach der ein Schadenersatzanspruch des Klägers nicht mit dem pensionsbedingten Wegfall des Lohnanspruchs zu begründen sei. Darauf beruft sich der Kläger hier aber nicht, weil er seine Ansprüche für den klagsgegenständlichen Zeitraum nicht auf einen Lohnausfall, sondern auf die Differenz zwischen der fiktiven Firmenpension und der tatsächlich bezogenen Pension stützt.

2. Die Beklagte meint auch, dass sich der Kläger sämtliche Zahlungen durch die Pensionskasse, die er zwischen dem Antritt der Betriebspension und dem 65. Lebensjahr erhalten habe, als Vorteilsausgleich anrechnen lassen müsse. Im aktuellen Verfahren wurde zuletzt nicht bestritten, dass der Kläger bereits mit Erreichen des 60. Lebensjahres die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem alten Pensionsmodell erfüllt hatte (s ON 16 S 4; anders in 9 ObA 92/12p). Wäre der Kläger auch nach dem alten Pensionsmodell bereits zum 60. Lebensjahr in Pension gegangen, könnten allfällige Vorteile aus dem Übertritt in das neue System daher nur so weit in Diskussion stehen, als sie sich auf die Zeit bis diesem Zeitpunkt beziehen. Die Vorteilsanrechnung darf überdies nicht mechanisch erfolgen, sondern es ist zu prüfen, ob bei wertender Betrachtung eine Entlastung des Schädigers sachlich gerechtfertigt erscheint (s Karner in KBB4 § 1295 Rz 16; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 10/33 ff; RIS‑Justiz RS0030638 [T6]).

3. Bedenkt man, dass ein früherer Pensionsantritt idR dauerhaft mit einer geringeren Pensionsleistung einhergeht, der Beklagten diese Differenz – dh jener Betrag, der sich im Verhältnis zur fiktiven Firmenpension lediglich aus dem früheren Pensionsantritt und nicht aus dem Absinken der Pensionskassenpension ergibt – wie dargelegt nicht zurechenbar ist und sie dafür auch nicht einzustehen hat, so ist dem festgestellten Sachverhalt kein Vorteil des Klägers zu entnehmen, um den die Beklagte zu entlasten wäre. Sie hat nicht behauptet, dass der (Gesamt-)Wert der vom Kläger tatsächlich bezogenen und künftig beziehbaren Pension größer als der (Gesamt‑)Wert einer später und kürzer beziehbaren, dafür idR höheren Pension wäre.

4. Soweit sich die Beklagte auch im Revisionsverfahren auf Verjährung und Präklusion der Klagsansprüche beruft, ist auf die – beides verneinende – Entscheidung des Berufungsgerichts zu verweisen (rechtskräftiges Feststellungsurteil im Vorprozess 29 Cga 26/10w; keine Identität des Streitgegenstands, RIS‑Justiz RS0041256 [T5]; RS0039843 [T8]).

III. Da sich zusammenfassend beide Revisionen als nicht berechtigt erweisen, war ihnen ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der der beklagten Partei zugesprochene Betrag entspricht der Differenz der Kosten der Revisionsbeantwortungen, wobei den Kosten der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei ein Streitwert von 13.713,51 EUR sA zugrunde zu legen war.

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