OGH 4Ob18/17a

OGH4Ob18/17a21.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, *****, und 2. M***** S*****, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, Streitwert im Provisorialverfahren 34.900 EUR, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Parteien gegen die einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 29. Dezember 2016, GZ 5 R 79/16a‑20, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00018.17A.0221.000

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 3, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 3, § 510 Abs 3 ZPO).

2. Der Antrag der beklagten Parteien auf Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art 267 AEUV wird zurückgewiesen.

3. Die Anträge der beklagten Parteien auf Unterbrechung des Revisionsrekursverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Korneuburg vom 23. November 2016 (EuGH C‑593/16) und des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 21. November 2016 (EuGH C‑589/16) werden abgewiesen.

 

Begründung:

Die Erstbeklagte betreibt in einer Tankstelle in L***** ein Café, die Zweitbeklagte ist Geschäftsführerin der Erstbeklagten. Die Klägerin ist Inhaberin einer in ***** geltenden landesrechtlichen Bewilligung für Automatenspiele.

Mit seiner in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung erlassenen einstweiligen Verfügung verbot das Rekursgericht den Beklagten bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache, im geschäftlichen Verkehr Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb solcher Geräte zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung derartiger Geräte, insbesondere im Café der Erstbeklagten, solange sie oder der Dritte nicht über die dafür erforderliche Bewilligung verfügen und/oder nicht die glücksspielrechtlichen Vorschriften über den Spielerschutz einhalten, insbesondere kein Identifikations- bzw Zutrittssystem besteht. Den Antrag der Beklagten, den Vollzug der Provisorialmaßnahme vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wies das Rekursgericht ab.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten vermögen in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1.  Der erkennende Senat hat in zahlreichen mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellationen, die glücksspielrechtliche Verbote missachtende und daher unlautere Aufstellung von Glücksspielautomaten betrafen, dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 15. 10. 2016 zu G 103‑104/2016-49 ua und aus dessen Erkenntnis vom 15. 10. 2016 zu E 945/2016‑24 ua – in Zusammenschau mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. 3. 2016 zu AZ Ro 2015/17/0022 – folgend ausgesprochen, dass auch nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen Unionsrecht verstößt und daher auch kein Anhaltspunkt für die von den Beklagten behauptete Inländerdiskriminierung besteht (4 Ob 162/16a, 4 Ob 12/17v, 4 Ob 13/17s uva; RIS‑Justiz RS0130636). Das vorliegende Rechtsmittel bietet keinen Anlass, hiervon abzugehen.

2.  Aus diesem Grund erweckt der Revisionsrekurs auch keine Bedenken gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichts, es sei keine Kaution aufzuerlegen.

2.1.  Der Vollzug einer einstweiligen Verfügung ist nach § 390 Abs 2 EO nach dem Ermessen des Gerichts vom Erlag einer Sicherheit durch den Antragsteller trotz Bescheinigung seines Anspruchs abhängig zu machen, wenn gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung wegen der Größe des Eingriffs in die Interessen des Antragsgegners Bedenken bestehen. Durch die Sicherheitsleistung wird in einem solchen Fall die nötige Interessenabwägung zwischen der Gefährdung des Antragstellers und dem Eingriff in die Rechtssphäre des Antragsgegners vorgenommen und ein entsprechender Ausgleich bewirkt (RIS‑Justiz RS0005711). In die Interessenabwägung ist die Möglichkeit einzubeziehen, dass sich der zu sichernde Unterlassungsanspruch letztlich als unberechtigt erweisen könnte; dies insbesondere dann, wenn ein Einwand des Gegners der gefährdeten Partei mit den Mitteln des Sicherungsverfahrens nicht oder jedenfalls nicht sicher erledigt werden kann (4 Ob 145/14y mwN; 4 Ob 169/14b; RIS‑Justiz RS0005711 [T7]). Die Kaution dient somit lediglich zur Sicherstellung des dem Gegner durch die etwa sich als unberechtigt erweisende einstweilige Verfügung entstehenden Ersatzanspruchs und der Kosten; wenn die Entscheidung über den gesicherten Anspruch aber nur noch von Rechtsfragen abhängt, die bereits im Provisorialverfahren vom Obersten Gerichtshof gelöst worden sind, fällt der Sicherstellungszweck weg (4 Ob 395/87, RIS‑Justiz RS0005453 [T7] = MR 1988, 59).

Anders als im Zeitpunkt der auch von den Rechtsmittelwerbern angesprochenen Entscheidung 4 Ob 145/14y ist nunmehr die Rechtslage im Lichte der zwischenzeitig ergangenen Judikatur aller drei Höchstgerichte geklärt. Es sind damit bereits im Provisorialverfahren alle Einwände der Beklagten sicher erledigt, zumal keine nur im Hauptverfahren zu klärenden Umstände auf Tatsachenebene mehr bestehen, aufgrund welcher sich ausreichende Gründe für eine Unionsrechts- und damit Verfassungswidrigkeit der konkreten Ausgestaltung des Glücksspielmonopols ergeben könnten.

2.2.  Die von den Beklagten zur Stützung ihrer Behauptung, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur hier maßgeblichen Frage sei uneinheitlich oder widersprüchlich, ins Treffen geführte Entscheidung 10 Ob 52/16v betrifft insofern einen anderen Sachverhalt, als dort nicht die lauterkeitsrechtliche Zulässigkeit des Betriebs von Glückspielautomaten zu beurteilen war, sondern der begehrte Schadenersatz eines Spielteilnehmers wegen des verbotenen Veranstaltens von Internetwetten.

3.1.  Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Kriterien einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit des GSpG bereits in mehreren Entscheidungen hinreichend festgelegt (ua EuGH C‑390/12, Pfleger ; EuGH C‑347/09, Dickinger/Ömer ; EuGH C‑64/08, Engelmann ), woran sich die gefestigte Rechtsprechung des Senats orientiert (vgl die zu RIS-Justiz RS0129945 angeführten Entscheidungen). Die Klärung der Rechtsfragen im Anlassverfahren hängt nicht vom Ergebnis der im Spruch genannten Vorabentscheidungsersuchen ab, weshalb die darauf bezogenen Unterbrechungsanträge der Beklagten unbegründet sind (vgl 4 Ob 19/16x, 4 Ob 12/17v, 4 Ob 13/17s uva).

3.2.  Dementsprechend besteht auch kein Anlass zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens durch den Obersten Gerichtshof selbst.

Der darauf gerichtete Antrag der Beklagten ist im Übrigen schon aus formalen Gründen zurückzuweisen, weil das Gericht von Amts wegen zu entscheiden hat, ob ein Vorabentscheidungsersuchen erforderlich ist; die Parteien können dies nur anregen (RIS‑Justiz RS0058452 [T1, T14, T16, T21]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte