OGH 1Ob5/17t

OGH1Ob5/17t31.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer sowie Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen A***** T*****, geboren am 1. September 2009, wegen Obsorge, über den teils außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters A***** P*****, vertreten durch die Dr. Riess Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 1. Dezember 2016, GZ 16 R 392/16k‑181, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 12. Oktober 2016, GZ 1 Ps 162/16y‑173, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00005.17T.0131.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Festlegung der gemeinsamen Obsorge für den Minderjährigen ab und behielt sich die (endgültige) Entscheidung über dessen Begehren auf Erweiterung des bisherigen Kontaktrechts bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Erziehungsberatung beider Elternteile und der Gestaltung der (Anm.: bestehenden) Kontakte unter Mitwirkung der Besuchsmittlung vor.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Vaters teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts über die Obsorge dahin ab, dass die Entscheidung darüber bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Erziehungsberatung beider Elternteile sowie der Kontakte unter Mitwirkung der Besuchsmittlung vorbehalten werde. Das Erstgericht habe keine eindeutig ersichtlichen Feststellungen zur Frage der Voraussetzungen der gemeinsamen Obsorge getroffen; angesichts des bisherigen Verhaltens der Elternteile sei zudem die Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage zum Wohl des Minderjährigen dringend geboten.

Soweit sich das Rechtsmittel des Vaters gegen den Vorbehalt der Entscheidung über die Ausweitung des Kontaktrechts richtete, gab es ihm nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters, mit dem Antrag seinem Begehren auf gemeinsame Obsorge und Zuerkennung eines Kontaktrechts im beantragten Ausmaß uneingeschränkt stattzugeben.

1. Soweit er sich gegen die Obsorgeentscheidung des Rekursgerichts richtet, ist der „außerordentliche“ Revisionsrekurs des Antragsgegners jedenfalls unzulässig:

1.1 Indem das Rekursgericht dem Rechtsmittel des Vaters teilweise Folge gab und aussprach, dass die Entscheidung über dessen Antrag auf gemeinsame Obsorge bis zum Vorliegen bestimmter weiterer Verfahrensergebnisse vorbehalten bleibe, hat es in Wahrheit einen Aufhebungsbeschluss im Sinne des § 64 AußStrG gefasst und – wie aus der Begründung deutlich wird – dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach einer Verfahrensergänzung aufgetragen.

1.2 Nach § 64 Abs 1 AußStrG ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht die Entscheidung des Gerichts erster Instanz aufgehoben und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist. Fehlt ein solcher Ausspruch, dann ist jegliches Rechtsmittel jedenfalls unzulässig (1 Ob 197/15z mwN; RIS-Justiz RS0030814 [T5; T6]; RS0109580 [T5; T6; T7]).

1.3 Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht nicht nur nicht ausgesprochen, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, sondern pauschal, wenn auch hinsichtlich des aufhebenden Teils seiner Entscheidung ohne gesetzliche Grundlage, ausdrücklich erklärt, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Im Umfang der Aufhebung ist der Revisionsrekurs des Antragstellers daher jedenfalls unzulässig.

2. Im Übrigen ist der Revisionsrekurs des Vaters nicht zulässig.

2.1 Zum begehrten Kontaktrecht hat das Erstgericht ausgesprochen, dass eine Entscheidung vorbehalten bleibe. Eine Entscheidung über den Antrag des Vaters auf Zuerkennung eines (erweiterten) Kontaktrechts liegt damit noch nicht vor.

2.2 Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine

Beschwer – also ein Anfechtungsinteresse – voraus (RIS-Justiz RS0002495).

Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zu Grunde liegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht;

materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS-Justiz RS0041868 [insbes T19]; RS0006641; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 50).

2.3 Voraussetzung für die formelle Beschwer ist daher jedenfalls eine inhaltliche Entscheidung, die über einen zugrunde liegenden Antrag abspricht. Da das Erstgericht über die Ausweitung des Kontaktrechts nicht erkannt hat, sondern sich ausdrücklich eine Entscheidung darüber vorbehielt, liegt kein dem Antrag widersprechender Beschluss, der als solcher die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers beeinträchtigen hätte können, vor, sodass es schon am erforderlichen Anfechtungsinteresse fehlt (siehe dazu 10 Ob 13/08x). Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragstellers

zwar seinem Spruch nach nicht Folge. Das

Vergreifen in der

Entscheidungsform begründet aber grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG (5 Ob 124/16w; RIS-Justiz RS0036324). Inhaltlich hat das Rekursgericht auch nicht eine Entscheidung über den Antrag des Vaters behandelt, sondern begründet, warum das Erstgericht bei gegebener Sachlage vor seiner Entscheidung zu Recht noch weitere Verfahrensergebnisse abwartet. Soweit es im Rechtsmittel des Antragsgegner damit allenfalls einen Antrag nach § 91 Abs 1 GOG gesehen haben mag und diesen abwies, wäre die Entscheidung des Rekursgerichts darüber hinaus schon gemäß § 91 Abs 3 letzter Satz GOG unanfechtbar.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.

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