OGH 9ObA4/17d

OGH9ObA4/17d26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. M***** N*****, vertreten durch Winternitz Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 14.999,65 EUR brutto sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. November 2016, GZ 8 Ra 113/16w‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00004.17D.0126.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger begehrt in seiner Klage vom 27. 11. 2014, gestützt auf den Zusatzkollektivvertrag „Sparpaket 2010–2015“, die Nachzahlung eines von der Beklagten einbehaltenen „Krisenbeitrags“.

Aufgrund eines gemeinsamen Antrags der Parteien unterbrach das Erstgericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens AZ 17 Cga 13/15b des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien.

Mit Schriftsatz vom 22. 9. 2016 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens, um das Klagebegehren um bisher nicht berücksichtigte Beträge auszudehnen.

Das Erstgericht wies den Fortsetzungsantrag ab. Das Verfahren AZ 17 Cga 13/15b sei noch nicht rechtskräftig beendet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Der Kläger behaupte selbst nicht, dass der Unterbrechungsgrund erloschen sei, sondern nur, dass bereits bei Beschlussfassung kein Unterbrechungsgrund bestanden habe. Dies sei aber nicht mehr überprüfbar.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss des Rekursgerichts erhobene, als „außerordentlich“ bezeichnete und ausgeführte Revisionsrekurs des Klägers ist entgegen dem – weder die Gerichte noch die Parteien bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig, weil die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Fortsetzung eines unterbrochenen Verfahrens der Klagezurückweisung iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gleichzuhalten ist (RIS‑Justiz RS0103702 [T1, T2]; RS0105321 [T7, T18]; 10 ObS 71/13h mwN). Einer Berichtigung des zweitinstanzlichen Beschlusses durch den Nachtrag eines Zulässigkeitsausspruchs iSd § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO bedarf es jedoch nicht, weil der Revisionsrekurs des Klägers ohnedies als außerordentlicher Revisionsrekurs ausgeführt wurde (RIS‑Justiz RS0042424 [T2]).

Der Revisionsrekurs ist sohin nicht jedenfalls unzulässig, hier aber nicht zulässig, weil er keine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO aufzeigt:

Mangels einer sondergesetzlichen Bestimmung für das arbeitsgerichtliche Verfahren sind für die Frage der Verfahrensunterbrechung wegen Präjudizialität eines Vorverfahrens §§ 190 ff ZPO maßgeblich (§ 2 ASGG; 9 ObA 155/13d). Die Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens regelt § 167 iVm §§ 164166 ZPO.

Richtig ist, dass kein zulässiger Unterbrechungsgrund iSd § 190 Abs 1 ZPO vorliegt, wenn das Verfahren, wegen dem unterbrochen werden soll, für das zu unterbrechende Verfahren nicht präjudiziell ist (2 Ob 78/16h). Allerdings erging im vorliegenden Fall der Unterbrechungsbeschluss über Antrag beider Parteien, also auch des Klägers. Der Kläger kann sich daher, wie eine Partei, die einen Unterbrechungsbeschluss unbekämpft lässt (2 Ob 78/16h), in seinem Fortsetzungsantrag nicht auf die Unrichtigkeit dieses Beschlusses, etwa wegen fehlender Präjudizialität, berufen.

Eine Ruhensvereinbarung iSd § 168 ZPO haben die Parteien hier gerade nicht abgeschlossen. Eine Fortsetzung des Verfahrens jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten ab dem Zeitpunkt des Unterbrechungsbeschlusses kommt daher nicht in Frage.

Nach dem Zweck der Unterbrechung, erheblichen Verfahrensaufwand zu vermeiden, ohne dass eine unzumutbare Verzögerung eintritt, wird die Fortsetzung des Rechtsstreits zumindest im Regelfall erst nach rechtskräftigem Abschluss des präjudiziellen Verfahrens erfolgen (Höllwerth in Fasching/Konecny 3 II/3 § 190 ZPO Rz 5, 92). Eine Fortsetzung des unterbrochenen Rechtsstreits kommt aber unter bestimmten Umständen auch vor der Beendigung des präjudiziellen Verfahrens in Betracht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des präjudiziellen Verfahrens letztlich doch eine „unzumutbare Verzögerung“ eintreten würde, wollte man dessen Beendigung abwarten (1 Ob 233/12i). Diese Erwägungen kommen hier aber schon deshalb nicht zum Tragen, weil der unterbrochene Rechtsstreit selbst dann nicht „verzögert“ wird, wenn der Kläger zur Vermeidung der Verjährung weiterer Ansprüche eine neue Klage einbringen müsste. Andere Umstände, die ein Erlöschen des Unterbrechungsgrundes bewirkt hätten, hat der Kläger nicht behauptet (vgl § 164 ZPO).

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 iVm § 2 Abs 1 ASGG).

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