European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00175.16K.1130.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung als Teilurteil unter Einbeziehung der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung von 14.516,67 EUR sA, insgesamt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 43.550 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. 10. 2014 zu bezahlen, wird abgewiesen.“
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Entscheidungsgründe:
Am 18. 5. 2012, 22. 5. 2012, 1. 6. 2012 und am 15. 6. 2012 lieferte die Firma P***** P***** Sp.z.o.o. (in Folge P***** P*****) palettenweise Dämmstoffrollen direkt an die I***** GmbH in L*****. Die gelieferten, mit jeweils 21 Dämmstoffrollen beladenen Paletten wiesen Abmessungen von je 1,2 m x 1,2 m, eine Ladehöhe von mehr als 2,5 m und ein Gewicht zwischen 500 kg und 800 kg auf. Die Dämmstoffrollen waren jeweils einzeln und auch in ihrer Gesamtheit mit einer einfachen Kunststofffolie umwickelt; im unteren Bereich war die Folie auch um (nicht unter) die jeweilige Palette gewickelt.
Am 20. 6. 2012 kam der Kläger, der bei der Firma „W*****“ als LKW‑Fahrer beschäftigt war, auf das Gelände der I***** GmbH, um eine Lieferung des Dämmmaterials abzuholen. Die Ware wurde bei der I***** GmbH nicht verändert oder neu verpackt, sondern in den von P***** P***** gelieferten Verpackungseinheiten weiter transportiert. Dazu wurden die Paletten von einem Mitarbeiter der I***** GmbH in den LKW des Klägers geladen.
Der Kläger fuhr mit der Ladung zur G***** GmbH. Durch die während des Transports durchgeführten Bremsungen kam es aufgrund der deutlichen Nachgiebigkeit der Dämmstoffrollen, die nicht exakt mit den Paletten abschlossen und weil die Paletten nicht vollkommen formschlüssig an der Vorderwand des LKWs anstanden, zu einer „inneren Verschiebung“ der Paletten, sodass die vorderen Paletten einen Schiefstand von ca 10 Grad aufwiesen. Durch den Schiefstand verlagerte sich der Schwerpunkt.
Während des Entladevorgangs durch den Mitarbeiter der G***** GmbH wurde die bereits um „10 Grad schiefe Palette seitlich beschleunigt“. Der Mitarbeiter bemerkte, dass die Sache „hier schon etwas rutscht“, hatte die Palette aber schon von der Ladefläche gehoben, als diese plötzlich kippte, sodass einerseits die Palette teilweise brach und andererseits der – durch die Folie verbunden gebliebene – Stapel mit 21 Dämmstoffrollen auf den Kläger herabstürzte. Der Kläger erlitt dadurch Verletzungen und daraus resultierende Vermögenseinbußen.
Die Ladung samt ihrer Verpackung war nicht „produkt‑ bzw transportsicher“. Die einfache Kunststofffolie, mit der die Palette umwickelt war, war für die Verpackung nicht ungeeignet. Mit dieser Verpackung war nur eine Sicherung der Rollen zueinander gegeben, die Anbindung der Rollen an die Palette war aufgrund der mehr als doppelten Höhe der Ladung gegenüber der Grundfläche der Palette unzulänglich. Die Verbindung zwischen Dämmstoffrollen und Palette mit der Kunststofffolie war als sehr riskant anzusehen. Eine Zusatzsicherung ist notwendig, wenn der Schwerpunkt der Ladung über 80 cm über dem Boden liegt, hier lag der Schwerpunkt zwischen 1,2 und 1,3 m. Eine sichere Anbindung der Rollen an die Palette wäre durch das Anbringen von Transportbändern erreicht worden. Alternativ hätte eine niedrigere Ladungshöhe einen sicheren Transport ermöglicht. Wären die Rollen nur bis zu einer Höhe von etwa 1,2 m aufgestapelt gewesen, hätte die Verwendung der gegenständlichen Folie zur Anbindung der Ladung an die Palette gereicht.
Mit Schreiben vom 18. 9. 2014 forderte der Klagevertreter, nachdem er den Unfallhergang und seine Rechtsansicht betreffend die Fehlerhaftigkeit der palettenmäßigen Verpackung der Rollen geschildert hatte – die I***** GmbH auf, den Hersteller oder gegebenenfalls den Importeur oder den Lieferanten der „Steinwollerollen“ zu benennen.
Mit Schreiben vom 13. 10. 2014 benannte die I***** GmbH die Beklagte als Herstellerin und Lieferantin.
Mit Schreiben vom 15. 10. 2014 forderte der Klagevertreter die Beklagte auf, aufgrund der Produkthaftung, die sie als Herstellerin und Inverkehrbringerin der Dämmstoffrollen treffe, 43.550 EUR an Schadenersatz an den Kläger zu leisten und die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 28. 10. 2014 lehnte die Beklagte eine Haftung dem Grunde und der Höhe nach ab. Sie bestritt aber weder, Herstellerin der gegenständlichen Verpackungseinheit zu sein, noch benannte sie P***** P***** als Herstellerin.
Der Kläger begehrt die Zahlung von 43.550 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Ansprüche aus dem Unfall vom 20. 6. 2012. Der Unfall sei durch einen Konstruktions‑ bzw Produktionsfehler verursacht worden, weil die Dämmstoffrollen lediglich mit Kunststofffolie an den Paletten befestigt gewesen seien. Für diesen habe die Beklagte als Herstellerin nach § 1 Abs 1 PHG bzw mangels Bekanntgabe des Herstellers nach § 1 Abs 2 PHG einzustehen.
Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Sie sei nicht passiv legitimiert, weil sie nicht Herstellerin des Produkts sei. Die Transportverpackung sei kein Produkt im Sinne des PHG; die Ware sei nicht fehlerhaft, sondern handelsüblich verpackt gewesen; kausal sei ein Transportschaden der Verpackung gewesen. Den Kläger treffe das überwiegende Mitverschulden, da er als Frachtführer den äußeren Zustand der Verpackung hätte überprüfen müssen und sich ohne Notwendigkeit in den unmittelbaren Gefahrenbereich begeben habe.
Das Erstgericht erkannte das Zahlungsbegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Die Verpackungseinheit – bestehend aus Dämmstoffrollen, Palette und Umwicklungsfolie – sei als Produkt dem PHG zu unterstellen; die Beklagte hafte gemäß § 1 Abs 2 PHG für den durch die Fehlerhaftigkeit dieses Produkts mitverursachten Unfall, an dem den Kläger kein Mitverschulden treffe.
Das Berufungsgericht erkannte das Klagebegehren des Inhalts, die Beklagte sei schuldig, 43.550 EUR sA zu zahlen, dem Grunde nach mit zwei Dritteln als zu Recht bestehend; das darüber hinausgehende Klagebegehren in Höhe von 14.516,67 EUR sA wies es ab. Die Verpackung sei – auch aus produkthaftungsrechtlicher Sicht – kein „Nichts“, sondern könne nur entweder ein eigenständiges Produkt oder ein Teil des damit verpackten Produkts sein. Letztlich müsse nicht geklärt werden, ob die „Verpackungseinheit“ in ihrer Gesamtheit oder die Transportverpackung für sich – also die Hülle mehrerer Einzelprodukte auf einer Palette sowie deren Umwicklung mit Kunststofffolie, die beim Auspacken geradezu notwendigerweise zerstört werde – nach der bestehenden Verkehrsauffassung als Produkt zu qualifizieren sei, zumal beides von der P***** P***** hergestellt und von der Beklagten geliefert worden sei.
Die Verpackung von 2,5 m hohen Palettenladungen nur mit Wickelfolie habe nicht den technischen Standards entsprochen. Die Sicherheit der Verpackung hätte eine sichere Verbindung zwischen den – zueinander gesicherten – Dämmstoffrollen und der Palette gefordert, wofür die zusätzliche Verwendung von Transportbändern oder eine niedrigere Ladungshöhe notwendig gewesen wäre. Das Produkt – möge dies die Verpackungseinheit oder die Transportverpackung gewesen sein – sei daher mit einem Mangel behaftet, und zwar mit einem Konstruktionsfehler. Dieser Konstruktionsmangel sei auch kausal für den Unfall gewesen.
Der als Berufskraftfahrer für die Sicherheit der Ladung verantwortliche Kläger hätte erkennen müssen, dass die Ladung auf den Paletten schief gestanden und daher die Stabilität der Verpackungseinheiten unzureichend gewesen sei. Trotzdem habe er sich über Aufforderung in den Gefahrenbereich begeben. Diese Sorglosigkeit stehe dem Konstruktionsmangel gegenüber. In Abwägung dieser Umstände sei ein Mitverschulden des Klägers im Ausmaß eines Drittels anzunehmen.
Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger begehrt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.
Voranzustellen ist, dass – unstrittig – nach Art 5 Abs 1 Rom II‑VO österreichisches Recht zur Anwendung gelangt.
1. Gemäß § 1 Abs 1 PHG haftet der Hersteller eines Produkts für den Schaden, der durch einen Fehler des Produkts verursacht worden ist. Wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann, haftet nach § 1 Abs 2 PHG jeder Unternehmer, der das Produkt in den Verkehr gebracht hat nach Abs 2, wenn er dem Geschädigten nicht in angemessener Frist den Hersteller nennt, der ihm das Produkt geliefert hat.
2.1 Da jede Ersatzpflicht ein fehlerhaftes Produkt voraussetzt (vgl RIS‑Justiz RS0107605), ist der in § 4 PHG definierte Produktbegriff zentral für den gesamten Anwendungsbereich des Gesetzes. Nach § 4 PHG ist ein Produkt jede bewegliche körperliche Sache, auch wenn sie Teil einer beweglichen Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden ist, einschließlich Energie.
2.2 Unstrittig ist, dass das PHG zwischen Teil‑ und Endprodukten (vgl § 4 und § 8 Z 3 PHG) unterscheidet und die Verantwortlichkeit der Hersteller an ihr Produkt anknüpft (vgl Welser/Rabl Produkthaftungsgesetz 2 § 1 Rz 24). „Endprodukt“ ist das mitunter sehr komplexe und aus vielen Einzelteilen zusammengesetzte „fertige“ Produkt, wie es für den Vertrieb bestimmt ist und vom Konsumenten üblicherweise zum Ge‑ oder Verbrauch erworben wird ( Posch in Schwimann ABGB 3 § 3 PHG Rz 2; so auch zur vergleichbaren deutschen Rechtslage O e chsler in Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen [2014] § 4 ProdHaftG Rn 13; Lenz , Produkthaftung § 4 Rn 335).
3. Zu klären ist vorweg, ob durch das Beladen der Paletten mit den Dämmstoffrollen und dem nachfolgenden Umwickeln mit einer Kunststofffolie durch die P***** P***** ein neues Produkt hergestellt wurde. Das heißt, ob die Verpackung Teil des – neuen – Endprodukts „Verpackungseinheit“ wurde, für dessen Fehlerhaftigkeit der Endproduzent haftet.
3.1 Ob etwas Teil des Produkts oder eine davon verschiedene selbständige Sache ist, muss nach der bestehenden Verkehrsauffassung beurteilt werden (8 Ob 536/93; RIS‑Justiz RS0071502, Welser/Rabl aaO § 1 Rz 27). Es kommt auf den typischen Eindruck eines Abnehmers des Produkts an; die sachenrechtliche Zuordnung ist nicht entscheidend ( Welser/Rabl aaO § 1 Rz 27).
3.2 Hersteller eines (neuen) Produkts sind auch Unternehmer, die vorfabrizierte Teile einer Sache zu einem Produkt zusammensetzen.
3.3 Richtig ist, dass die Rechtsprechung die Haftung für Unfälle infolge explodierender Getränkeflaschen oder explosionsartig abschleudernder Verschlusskappen nach dem PHG bejahte (9 Ob 60/09b, 7 Ob 125/03p uva). In diesen Fällen wurde die Getränkeflasche (Flasche mit Getränk) als Endprodukt qualifiziert. Die Flasche ist die Originalverpackung, mit der der Hersteller des Produkts dieses versieht, wobei es keiner näheren Ausführungen bedarf, dass nach der bestehenden Verkehrsauffassung die Lieferung von Getränken in Behältnissen erwartet und somit die Getränkeflasche als Endprodukt anzusehen ist.
3.4 Das Verpacken einer Mehrzahl von Dämmstoffrollen auf Paletten und deren Umwickeln mit Kunststofffolie diente hier der Vorbereitung des Transports der Dämmstoffrollen und deren Schutz vor Beschädigungen. Zu klären ist daher, ob dadurch gleichfalls ein neues Endprodukt hergestellt wurde.
3.4.1 Welser/Rabl (aaO § 3 Rz 14) gehen davon aus, dass das bloße Verpacken keine Herstellung eines neuen Produkts sei. Die Verpackung sei in diesem Fall ein selbstständiges Endprodukt iSd § 3 PHG, für dessen Fehlerhaftigkeit ihr Hersteller hafte. Davon zu unterscheiden sei die Originalverpackung, mit der der Hersteller des Produkts dieses versehe, sie sei Teil‑(Produkt) des Endprodukts.
3.4.2 Im deutschen Schrifttum wird zur vergleichbaren Rechtslage vertreten:
Kullmann (ProdHaftG § 3 Rn 67) nimmt eine Produkthaftung an, wenn die Verpackung den Beanspruchungen nicht standhalte, mit denen der Hersteller billigerweise rechnen müsse.
Foerste/Westphalen , Produkthaftungshandbuch 3 § 49 Rn 27 führt aus, dass unter Berücksichtigung der Vekehrsanschauung auch das Verpacken grundsätzlich keine Tätigkeit sei, die dem Hersteller iSv § 4 Abs 1 Satz 1 ProdHaftG zuzuordnen wäre. Vielmehr beziehe sich diese Tätigkeit bereits auf ein hergestelltes, fertiges Endprodukt. Durch die Verpackung solle lediglich sichergestellt werden, dass das Produkt, ohne selbst Schaden zu nehmen, versandt oder verschifft werden könne.
Zu bedenken sei freilich, ob die Verpackung für sich allein genommen ein Teilprodukt sein könne, sodass dann der Verpacker gemäß § 4 Abs 1 Satz 1 ProdHaftG verschuldensunabhängig hafte. Dies werde man immer dann bejahen können, wenn die Verpackung darin bestehe, dass wiederverwendbare Paletten eingesetzt würden. Aber auch dann, wenn es darum gehe, dass die Verpackung, etwa eine Holzverschalung, dem Zweck dienen solle, das Produkt sicher zu befördern, werde man diesen Ansatzpunkt ins Spiel bringen müssen, weil dann die Verpackung gegenüber dem Produkt ein Eigenleben entfalte, was auch die Anwendung vom § 4 Abs 1 ProdHaftG nach sich ziehe.
Lenz (aaO § 3 Rn 335) vertritt, es sei klar, dass diejenigen, die fertige (End‑)Produkte nur verpacken, umverpacken oder portionieren – jedenfalls im Regelfall – nicht haftende Hersteller des Endprodukts seien.
Taschner/Frietsch (Produkthaftungsgesetz und EG- Produkthaftungsrichtlinie 2 § 4 Rn 34, 35) gehen davon aus: Wer Sachen oder Flüssigkeiten aus Grundstoffen oder Teilprodukten herstelle und diese danach verpacke oder abfülle, sei Hersteller. Dabei sei seine Herstellereigenschaft nicht nur für die Sache oder das Getränk als solches zu bejahen, sondern auch im Hinblick auf das entstandene Gesamtprodukt, also auch in Bezug auf das zur Verpackung oder Abfüllung verwendete Produkt (Karton oder Kunststoffsachen, Styroporbox usw) oder Gefäß. Wer fertige Produkte oder Flüssigkeiten, die ihm verkehrsüblich zB in Containern oder anderen Großbehältern zugeliefert würden, nur in andere, zB kleinere handelsüblichere Packungen oder Gefäße umfülle, werde nicht allein wegen dieser Tätigkeit zum Hersteller eines neuen Produkts. Dies könne jedoch nur solange gelten, als dabei weder in Bezug auf die Sache oder Flüssigkeit noch hinsichtlich der Verpackung oder des Gefäßes noch wegen des Zusammenwirkens beider, besondere, vor allem konstruktive Anforderungen an die Ab‑ oder Umfülltätigkeit oder an das Verpacken zu stellen seien. Sei zur Ausführung oder bei der Tätigkeit jedoch, zB wegen möglicher Reaktion zwischen Flüssigkeit und Gefäß, über den Verpackungsvorgang Hinausgehendes gefordert, liege Herstellertätigkeit vor; Entsprechendes gelte für das Verpacken von Produkten.
Oechsler (aaO § 4 ProdHaftG Rn 28) führt aus, ob derjenige, der eine bewegliche Sache verpackt oder abfüllt, ein neues Produkt iSd § 4 Abs 1 Satz 1 PHG herstelle, entscheide sich wiederum nach der Verkehrsauffassung. Es würden ähnliche Kriterien wie bei der Montage gelten. Zugleich berühre diese Frage den Problemkomplex des Produktvertriebs, der argumentum e contrario vom Anwendungsbereich des ProdHaftG ausgenommen sei. Nach verbreiteter Auffassung entfalle eine Herstellung iSd § 1 Satz 1 immer dann, wenn beim Verpacken und Abfüllen nicht in die Substanz des Produkts eingegriffen werde; unbedenklich sei daher das Umfüllen und Aufteilen in kleinere Einheiten usw. Dieses Kriterium sei unscharf, wie leicht zu bildende Grenzfälle zeigen würden (Milch werde in mit Keimen verunreinigte Flaschen abgefüllt, Salatköpfe würden in mit Schneckengift versehenes Packpapier eingeschlagen). Vielmehr werde man vor allem bei Lebensmitteln gerade umgekehrt sagen müssen, dass stets dann, wenn vom Verpacken Sicherheitsgefahren für das Produkt ausgehen, auch in die Produktsubstanz eingegriffen werde. Eine Eingrenzung des haftungsbegründenden Merkmals der Herstellung sei auf dieser Grundlage also kaum möglich. Die Systematik des § 4 ProdHaftG lege aber ohnehin eine andere Argumentation nahe: Wie sich im Umkehrschluss aus Abs 3 dieser Vorschrift [Anm: entspricht im Wesentlichen § 1 Abs 2 PHG] ergebe, habe der Gesetzgeber den Produktvertrieb grundsätzlich vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausnehmen wollen. Daraus werde man zunächst folgern dürfen, dass Verpacken und Abfüllen immer dann aus dem gesetzlichen Anwendungsbereich herausfallen würden, wenn sie sich ihrem äußeren Erscheinungsbild nach im Einzelfall als typische Hilfstätigkeit des Warenabsatzes darstellten. Darüber hinaus komme ein Herstellen iSd Abs 1 Satz 1 nur in den wenigen Fällen in Betracht, in denen die technische Bedeutung oder der wirtschaftliche Wert des Abpackens oder Abfüllens im Verhältnis zum abgepackten bzw abgefüllten Gut so außerordentlich sei, dass aus Sicht der potentiell Produktgeschädigten ein neues Produkt entstehe.
Werde anlässlich des Verpackens oder Abfüllens aber zugleich die chemische oder physikalische Beschaffenheit des Verpackungs- bzw Füllguts so verändert, dass wirtschaftlich betrachtet ein neues Produkt entstehe, sei schon nach den allgemeinen Grundsätzen von einem Herstellen iSd § 1 Satz 1 auszugehen, ohne dass es darauf ankomme, dass diese Veränderung auch als Verpacken oder Verfüllen der Ware betrachtet werden könne.
3.5 Ausgehend davon vertritt der erkennende Senat die Ansicht, dass das Endprodukt als das Produkt in jener Form zu definieren ist, in der es nach der Verkehrsauffassung für den Vertrieb bestimmt ist und in der es der Abnehmer verwenden kann. Dient die Verpackung eines bereits hergestellten, fertigen Produkts, ohne Einfluss auf die Substanz dieses Produkts zu nehmen, lediglich der Vorbereitung des Transports und der Sicherstellung, dass das Produkt selbst dabei nicht beschädigt wird, und somit bloß dem Produktvertrieb, dann entsteht durch das Verpacken kein neues Endprodukt.
3.6 Im vorliegenden Fall ist das fertige Produkt die Dämmstoffrolle. Ihre in größerer Anzahl erfolgte Zusammenfassung auf einer Palette und deren Umwicklung mit Kunststofffolie diente nur dem Vertrieb. Weder wurde durch die Verpackung in die Substanz des Produkts (Dämmstoffrolle) eingegriffen, noch erwartet der Abnehmer des fertigen Produkts die hier gegenständliche Verpackung. Nach der Verkehrsauffassung entstand damit kein Endprodukt, für das die P***** P***** nach § 1 Abs 1 Z 1 PHG und damit auch nicht die Beklagte nach § 1 Abs 2 PHG haftet, wobei die Beantwortung der von der Beklagten relevierten Frage des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs 2 PHG dahingestellt bleiben kann.
4. Die Ansicht des Berufungsgerichts, auch wenn die „Verpackungseinheit“ in ihrer Gesamtheit kein Endprodukt darstellen sollte, so sei jedenfalls die „Transportverpackung“ (Kombination von Palette und Folie) für sich allein als das von der P***** P***** neu hergestellte Produkt anzusehen, wird gleichfalls nicht geteilt.
Abgesehen davon, dass durch die gleichzeitige Verwendung mehrerer – für sich allein als fertige Produkte anzusehender – Verpackungsmaterialien, kein neues Produkt „Transportverpackung“ entsteht, war auch weder eine Fehlerhaftigkeit der Paletten und der Kunststofffolie noch der Kombination der beiden Stoffe gegeben. Lediglich das solcherart erfolgte Beladen der Paletten mit einer derart großen Anzahl von Dämmstoffrollen war (bloß im Zusammenhang mit dem Transport) zu beanstanden, wobei es sich um einen Fehler in der Verladung von an sich mangelfreien Produkten handelte.
5. Da bereits kein dem Anwendungsbereich des PHG zu unterstellendes Produkt vorliegt, war der Revision Folge zu geben. Ein Eingehen auf die weiteren aufgezeigten Fragen erübrigt sich.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO.
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