Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (einschließlich S 724,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von S 72.796,60 sA mit der Begründung, diese habe am 26.8.1991 einen näher bezeichneten PKW importiert, bei dem es infolge Risses eines hinter dem Motor gelegenen Wasserschlauches zu einem Motorschaden gekommen sei. Gemäß § 1 Abs 1 Z 2 PHG schulde die beklagte Partei als Importeur den Ersatz des entstandenen Schadens abzüglich des Selbstbehaltes gemäß § 2 PHG.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die beschädigte Sache keine von der den Schaden auslösenden Sache verschiedene sei, weshalb auch ihre Haftung als Importeur ausgeschlossen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens aus rechtlichen Gründen ab. Die Haftung nach § 1 PHG setze voraus, daß ein Schaden an einer vom fehlerhaften Produkt verschiedenen körperlichen Sache eintrete. Unter Sachschaden im Sinn des § 1 PHG werde nicht der am Produkt selbst entstandene Schaden verstanden, sondern der Folgeschaden, den ein Fehler des Produkts an einer anderen Sache als dem fehlerhaften Produkt verursache. Wann eine vom Produkt verschiedene körperliche Sache vorliege, bestimme sich nach dem jeweiligen Anspruchsgegner. Die beklagte Partei habe den Wasserschlauch nicht als eigenständiges Produkt, sondern das Gesamtprodukt KFZ importiert und in den Verkehr gebracht. Dem Wasserschlauch fehle daher die von § 1 PHG geforderte Selbständigkeit.
Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage, wann eine vom Produkt verschiedene körperliche Sache vorliege, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klagestattgebung abzuändern, hilfsweise sie zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung aufzuheben.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Der Kläger meint, das Berufungsgericht habe den Ausspruch über die Zulässigkeit nur mangelhaft begründet; streitentscheidend sei nämlich, ob der Hersteller eines Teilproduktes für den Schaden am Endprodukt nach dem PHG hafte und ob der Importeur des Endproduktes für Schäden, die ein - aus der Warte des Endproduktherstellers gesehen - (fehlerhaftes) Teilprodukt am Endprodukt verursache, nach dem PHG zur Verantwortung gezogen werden könne; hiezu fehle ebenfalls eine oberstgerichtliche Rechtsprechung.
Es trifft zu, daß diese Fragen für die Lösung des Rechtsfalles mitentscheidend sind, auch damit ist aber für den Kläger nichts gewonnen.
Der Kläger gesteht zu, daß der Hersteller des Endprodukts (des PKWs) nach dem PHG nicht haftet, stützt sich bei der Haftung des Herstellers des (angeblich) fehlerhaften Teilproduktes (Wasserschlauch) für die am Motor des PKW eingetretenen Schäden auf die insbesondere von Sack (WBl 1989, 8 und JBl 1989, 695, 697 ff) vertretene Auffassung, daß der Hersteller eines Teilproduktes nach § 1 Abs 1 PHG für Schäden, die ein fehlerhaftes Teilprodukt an einer "davon verschiedenen Sache" verursacht habe, hafte, und aus diesem Gesichtspunkt auch das Endprodukt als "davon verschiedene Sache" anzusehen sei (näheres zur Argumentation siehe bei der genannten Belegstelle) und folgert daraus eigenständig (- die für seine Auffassung sprechenden Belegstellen sagen über die Haftung des Importeurs in solchen Fällen nichts aus -), daß der Importeur des Endprodukts mit dem Hersteller des Teilproduktes solidarisch hafte. Zur Begründung der Haftung des Importeurs führt der Kläger lediglich aus, daß das PHG dem Geschädigten grundsätzlich einen Ersatzpflichtigen im Inland verschaffen wolle; unter Hinweis auf die jahrzehntelange Rechtsprechung zum Mangelfolgeschaden sei jeder produkthaftungsrechtlich relevante Sachverhalt ausdehnend auszulegen; daher seien jene Bestandteile des Endproduktes, die nicht auch gleichzeitig Bestandteile des fehlerhaften Teilproduktes seien, von der den Importeur des Endproduktes treffenden produkthaftungsrechtlichen Ersatzpflicht umfaßt. Die Ersatzpflicht des Importeurs reiche somit weiter als jene des Endproduktherstellers; die beklagte Partei sei als Importeur (auch) des Teilproduktes Wasserschlauch anzusehen und hafte daher für den Schaden, der infolge des Fehlers dieses Teilproduktes Wasserschlauch am Endprodukt Kraftfahrzeug bzw an einem anderen Teilprodukt dieses Kraftfahrzeugs, nämlich am Motor, entstanden sei.
Der Oberste Gerichtshof kann sich nicht der Meinung des Revisionswerbers anschließen, der Hersteller eines unselbständigen Teilproduktes hafte dem Geschädigten nach § 1 Abs 1 PHG für Schäden, die sein fehlerhaftes Teilprodukt (hier Wasserschlauch) an dem Endprodukt (PKW) hervorgerufen habe. Er teilt vielmehr in dieser - auch in Deutschland und nach der Produkthaftungs-Richtlinie der EG; Nachweise zB bei Sack aaO und Schmidt-Salzer/Hollmann, Komm EG-Richtlinie Produkthaftung Bd 1 Deutschland 769 ff - äußerst kontroversiell beantworteten Frage der Haftung für sogenannte "Weiterfresserschäden" (bejahend für den österreichischen Rechtsbereich neben Sack aaO Fitz/Purtscheller, Produkthaftung Rz 16 zu § 1 und im Ergebnis auch Barchetti/Formanek, Das österreichische Produkthaftungsgesetz 68) die ihm überzeugend erscheinende Ansicht Welsers (Komm PHG Rz 5 zu § 1; ders WBl 1988, 282 f), der Kresbach (ecolex 1990, 469 ff), diese ausführlich begründend, und Preslmayr (Handbuch des Produkthaftpflichtgesetzes 6 ff mit ausführlicher Darlegung des Meinungsstands) folgen. Der Oberste Gerichtshof schließt sich somit der vom Bundesgerichtshof entwickelten, aber äußerst umstrittenen (Nachweise hiezu zB bei Schmidt-Salzer/Hollmann aaO und Sack aaO) sogenannten "Schwimmerschalterdoktrin" (BGHZ 67, 359 sowie BGHZ 86, 256; BB 1983, 464 und 1985, 1290) nicht an, die allerdings auch im neuen deutschen Produkthaftpflichtgesetz nicht Niederschlag gefunden haben dürfte (Tiedtke, PHI 1990, 68 ff und Cahn, ZIP 1990, 483 f).
Gemäß § 1 Abs 1 PHG hat der Hersteller eines fehlerhaften Produktes neben Personenschäden solche Sachschäden zu ersetzen, die an einer vom Produkt verschiedenen körperlichen Sache entstanden sind. Bei der Frage nach dem Ersatz der sogenannten "Weiterfresserschäden" geht es darum, ob ein Teilhersteller für Schäden haftet, die das von ihm hergestellte fehlerhafte Produkt als Teil eines Endproduktes an diesem verursacht.
Zunächst steht außer Zweifel, daß die Schäden an den vom Produkt verschiedenen Sachen gemäß § 1 Abs 1 sowohl vom Endhersteller als auch vom Teilhersteller zu ersetzen sind. Ob der Geschädigte darüber hinaus bei Mangelhaftigkeit eines Teiles (oder Rohstoffes) auch Schadenersatz für das beschädigte Endprodukt bekommt, hängt nach der von Sack vertretenen Auffassung davon ab, ob er gegen den Endhersteller oder gegen den Teilhersteller vorgeht. Da für den Endhersteller die von ihm erzeugte Sache das "Produkt" ist, könne von ihm nach dem PHG kein Ersatz verlangt werden. Hingegen müsse der Teilhersteller für die am Endprodukt selbst entstandenen Schäden einstehen, sofern der von ihm hergestellte Teil dafür ursächlich sei. Sack begründet dies mit einer "systematischen Interpretation" des § 1 iVm den §§ 3, 4 und 8 Z 3 PHG.
Zu prüfen ist zunächst, was unter Produkt im Sinn des § 1 Abs 1 PHG zu verstehen ist, da nur solche Schäden zu ersetzen sind, die an einer vom Produkt verschiedenen körperlichen Sache entstehen. Da es um den Ersatz von Schäden des Erwerbers des Endprodukts geht, kann dies nur aus dessen Sicht beurteilt werden; dieser erwirbt ein Produkt (zB den PKW) und nicht eine Summe von Produkten (Schrauben, Räder, Schläuche usw).
Die von Sack (ua) vertretene Meinung ist inkonsequent und führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Konsequenterweise müßte nach dessen Meinung auch der Käufer des Endproduktes (zB des PKWs) auch eine Summe von Einzelprodukten erwerben, wenn diese ein- und derselbe Hersteller erzeugt und müßte dieser daher für Schäden haften, die an einem von ihm erzeugten Wasserschlauch am übrigen PKW entstehen; diese Meinung vertritt auch Sack nicht; sie würde auch zu einer offensichtlich nicht beabsichtigten Erweiterung der Haftung des Herstellers eines fehlerhaften Produktes führen; er hätte danach für alle Schäden am Endprodukt mit Ausnahme des fehlerhaften Teiles (hier des Wasserschlauchs) einzustehen.
Differenziert man aber mit Sack (ua) die Haftung danach, ob die Einzelteile vom Hersteller des Endprodukts oder von einem Zulieferer hergestellt werden, führte dies zu einer - aus der Sicht des Erwerbers des Endprodukts - sachlich nicht begründeten Ungleichheit; dies zeigt das von Kresbach (aaO 470) angeführte Beispiel des Erwerbes zweier PKW vom selben Hersteller, der sämtliche Bestandteile des einen PKWs selbst erzeugt, jedoch für die Herstellung des zweiten PKWs Teile verwendet, die von einem Teilhersteller erzeugt wurden. Es ist Kresbach zuzustimmen, daß diese Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt ist, weil das PHG die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung nicht an die Person des Herstellers, sondern an die Fehlerhaftigkeit des Produktes anknüpft. Es darf daher auch haftungsrechtlich keinen Unterschied machen, ob der den Schaden verursachende Teil vom Endhersteller selbst oder von einem Teilhersteller erzeugt wurde.
Mit Recht weist Kresbach (aaO) darauf hin, daß die gegenteilige Auffassung Sacks, wonach Teilhersteller gemäß §§ 1, 3, 4 und 8 Z 3 PHG auch für Schäden am Endprodukt selbst haften sollten, auf einer falschen Prämisse beruht. Die Bedeutung dieser Bestimmungen besteht nicht darin, daß jeder Hersteller eines fehlerhaften Teilproduktes für sein Produkt und daher auch für Schäden, die an einem Endprodukt selbst auftreten, aufzukommen hat, sondern darin, daß der Teilhersteller deshalb nach dem PHG haftet, weil ein Endprodukt infolge des fehlerhaften Teilproduktes insgesamt fehlerhaft ist und deshalb Schäden an anderen Gütern verursacht. Nur für Schäden an diesen anderen Gütern haftet auch der Hersteller des Teilproduktes, wenn ihm nicht der Freibeweis nach § 8 Z 3 PHG gelingt.
Ob ein Geschädigter den Schaden an einem Produkt selbst ersetzt bekommt, hängt davon ab, ob dieser Schaden an einer Sache verursacht wurde, die als selbständiges Produkt erworben wurde. Dies ist mangels allfälliger vertraglicher Vereinbarung nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen (Welser, WBl 1988, 282 f; ders, Komm PHG Rz 4 f zu § 1; ihm folgend Kresbach aaO 471 und Preslmayr aaO 10).
Aus der Sicht des Erwerbers des Endprodukts hat dieser einen in den PKW eingebauten Wasserschlauch nicht als selbständiges Produkt erworben, sodaß nicht nur eine Haftung des Endproduzenten des PKWs, sondern auch des Produzenten des in den PKW eingebauten, angeblich fehlerhaften Wasserschlauchs für Schäden am PKW ausscheidet.
Daraus folgt, daß jedenfalls auch eine Haftung des Importeurs nach § 1 Abs 1 Z 2 PHG (in der hier anzuwendenden ursprünglichen Fassung) für durch ein fehlerhaftes Teilprodukt am Endprodukt entstandene Schäden ausscheiden muß, ohne daß es einer weiteren Auseinandersetzung mit der Frage bedürfte, ob Importeur im Sinn des § 1 Abs 1 Z 2 PHG nur der Importeur des Endprodukts oder auch der eines selbständigen Teilproduktes (zB eines in einem PKW angebrachten Feuerlöschers) ist, für das der Erzeuger dieses Teilproduktes dem Erwerber des Endproduktes für entstandene Schäden an diesem haften würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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