OGH 3Ob172/16i

OGH3Ob172/16i23.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M*****, vertreten durch Gabler Gibel & Ortner, Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. H*****, vertreten durch Kolarz & Augustin, Rechtsanwälte in Stockerau, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 7. Juni 2016, GZ 20 R 115/16a‑38, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 13. April 2016, GZ 6 Fam 13/15a‑32, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00172.16I.1123.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der Beschluss des Rekursgerichts dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss, der in seinen Punkten 4. bis 6. als unbekämpft unberührt bleibt, in seinen Punkten 1. bis 3. wiederhergestellt wird, der Punkt 2. wird jedoch um den Ausspruch des Rekursgerichts, dessen Entscheidung in diesem Umfang bestätigt wird, ergänzt, dass der Antragsgegner die zugesprochenen Unterhaltsrückstände samt gestaffelten Zinsen von 4 % jeweils seit 1. des Monats der Fälligkeit zu zahlen hat.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 543,01  EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten 83,65 EUR USt, 41,10 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner mit Beschluss vom 21. Februar 2013 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 371 EUR gegenüber der Antragstellerin, seiner 1996 geborenen Tochter. Berücksichtigt wurden dabei weitere zwei – auch derzeit noch bestehende – Sorgepflichten gegenüber der geschiedenen Gattin und dem 1998 geborenen Bruder der Antragstellerin.

Im November 2013 erhielt der Antragsgegner von seiner geschiedenen Gattin eine Ausgleichszahlung von 100.000 EUR für die Übertragung seines Hälfteeigentums an einer näher bezeichneten, im Miteigentum der früheren Ehegatten stehenden Liegenschaft mit der darauf befindlichen ehemaligen Ehewohnung. Diese Ausgleichszahlung basiert unstrittig auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2006 (Scheidungsvergleich), über die im vom Antragsgegner gegen seine geschiedene Gattin eingeleiteten Verfahren 12 C 1825/12s des Erstgerichts ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wurde. Aufgrund dieses Vergleichs erhielt der Antragsgegner zuzüglich zur Ausgleichszahlung auch noch Zinsen in Höhe von rund 7.000 EUR sowie 7.585 EUR, um die Verfahrenskosten abzudecken.

Den Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildet – nachdem die Abweisung des Antrags der Antragstellerin auf Leistung von Sonderbedarf ebenso in Rechtskraft erwuchs wie die Zurückweisung eines Unterhaltsherabsetzungsantrags des Antragsgegners (Punkte 4 bis 6 des erstgerichtlichen Beschlusses) und die bereits vom Erstgericht zugesprochenen Unterhaltserhöhungen für Unterhaltsperioden ab Dezember 2013 – nur noch die Frage, ob, gegebenenfalls nach welchen Aufteilungskriterien die Ausgleichszahlung samt Zinsen die Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöht.

Die Antragstellerin brachte dazu zusammengefasst vor, der Antragsgegner erwirtschafte aus der von ihrer Mutter bezahlten Ausgleichszahlung von 107.000 EUR Zinserträge. Jedenfalls sei er aber auf derartige Zinserträge in Höhe von zumindest 4 % netto jährlich anzuspannen. Die vom Antragsgegner getätigten Luxusaufwendungen (Anschaffung eines PKW Audi Q5 3.0 TDI quattro und die Errichtung eines Schwimmbiotops) ließen die Absicht des Antragsgegners erkennen, den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin zu schmälern. Derartige Luxusaufwendungen, die der Finanzierung eines vom Unterhaltspflichtigen gewählten Lebensstils dienten, seien bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage als Vermögen einzubeziehen. Der Antragsgegner müsse auch seine Kinder an seinem luxuriösen Lebensstil teilhaben lassen. Die Aufteilung des Vermögens des Antragsgegners habe auf sieben Jahre zu erfolgen: Einerseits werde der Antragsgegner zumindest für diesen Zeitraum von seinen Luxusausgaben profitieren; andererseits sei die Antragstellerin für diesen Zeitraum unterhaltsberechtigt.

Der Antragsgegner wandte ein, die von der Antragstellerin behauptete regelmäßige Rendite von 4 % jährlich nach Steuern sei nur mit einer hochrisikobehafteten Anlage erzielbar. Im Übrigen habe er die Ausgleichszahlung anteilig mit seiner Ehegattin zum Erwerb eines Audi Q5 verwendet. Er habe vom Kaufpreis rund 20.000 EUR übernommen. Seine nunmehrige Ehegattin habe den restlichen Kaufpreis finanziert. Den restlichen Teil der Ausgleichszahlung in Höhe von 80.000 EUR habe er in jene Immobilie investiert, die ihm als Ehewohnung und Hauptwohnsitz diene. Er wohne seit Juli 2006 mietfrei bei seiner nunmehrigen Ehegattin, der er versprochen habe, in das Grundstück zu investieren, sollte er jemals Geld aus seinem Hälfteanteil der Liegenschaft erhalten. Der brachliegende Grundstücksteil der Immobilie seiner Ehegattin sei durch eine Fachfirma komplett mit Pflanzen, Bäumen und einem Schwimmteich gestaltet worden. Von „Luxusaufwendungen“ könne nicht die Rede sein. Im Übrigen habe er im Jahr 2005 mehr als 50.000 EUR für die Errichtung eines Schwimmbeckens, eine Terrassenvergrößerung und die Gestaltung des Gartens in der nun im Alleineigentum seiner geschiedenen Gattin stehenden Liegenschaft aufgewendet. Das sei sachlich mit jenen Investitionen vergleichbar, die er nun getätigt habe. Seine geschiedene Gattin und die gemeinsamen Kinder könnten daher schon seit 2005 denselben Luxus wie der Antragsgegner jetzt genießen. Seine frühere Gattin habe auch durchgehend einen PKW. Die erhaltene Zahlung von 100.000 EUR resultiere noch aus dem Scheidungsvergleich und entspreche nicht dem Verkehrswert der Liegenschaft.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner – von diesem unbekämpft – zu einer Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistungen um 184 EUR für den Monat Dezember 2013, um 194 EUR für das Jahr 2014 und um 129 EUR ab 1. Jänner 2015, wobei es jedoch keine Zinsen für den rückständigen Unterhalt zusprach. Den Unterhaltserhöhungsantrag der Antragstellerin für die Monate Jänner bis November 2013 wies das Erstgericht ebenso ab wie das Unterhaltsmehrbegehren.

Neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf das Erstgericht die Feststellung, dass der Antragsgegner seit Juli 2006 im Haus seiner Ehefrau wohnt. Der erworbene PKW ist auf seine Ehefrau zugelassen und wird von beiden Ehepartnern verwendet. Der Antragsgegner benützt den PKW auch für Fahrten zu seinem Arbeitsplatz. Ferner traf das Erstgericht Feststellungen zur Verwendung der Ausgleichszahlung.

Rechtlich vertrat das Erstgericht (zur in dritter Instanz allein strittigen Frage der Berücksichtigung der Ausgleichszahlung) die Auffassung, die Investitionen in die vom Antragsgegner mit seiner Ehefrau bewohnte Liegenschaft (sei es auch in Form eines Schwimmteichs) und die Anschaffung eines neuen PKW (der auch für die Fahrt zum Arbeitsplatz genutzt werde) erfüllten noch den einer Ausgleichszahlung allgemein zugedachten Zweck. Der Antragsgegner verwende die Ausgleichszahlung nicht dafür, generell einen höheren Lebensstandard zu finanzieren. Die Anschaffung eines Schwimmteichs stelle noch keine derartige Luxusanschaffung dar, die eine Anspannung und die begehrte Aufteilung auf mehrere Jahre rechtfertigen würde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass es den Antragsgegner verpflichtete, zusätzlich zu der ihm auferlegten monatlichen Unterhaltsleistung vom 1. 1. 2013 bis 30. 11. 2013 monatlich 221,67 EUR, vom 1. 12. 2013 bis 31. 12. 2013 monatlich 259 EUR, vom 1. 1. 2014 bis 31. 12. 2014 monatlich 274 EUR, vom 1. 1. 2015 bis 30. 4. 2015 monatlich 249 EUR und ab 1. 5. 2015 bis auf weiteres monatlich 149 EUR zu bezahlen, wobei es den Antragsgegner überdies zur Zahlung von 4 % Zinsen aus den rückständigen Unterhaltsbeiträgen verpflichtete.

Bei dieser Unterhaltsbemessung ging das Rekursgericht davon aus, dass die Eltern im Rahmen des Zumutbaren auch ihr Vermögen angreifen müssten, soweit die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden könnten. Nach den jeweiligen besonderen Verhältnissen des Einzelfalls sei zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Heranziehung auch eines vorhandenen Vermögensstamms zumutbar sei. Werde das aus einer Ausgleichszahlung stammende Vermögen nur gespart, ohne für den der Ausgleichszahlung zugrundeliegenden Zweck verwendet zu werden, etwa weil der Unterhaltspflichtige anderweitig für eine Wohnmöglichkeit sorgen könne, sei dieses Vermögen bei gegebener Zumutbarkeit und Unfähigkeit, die erforderlichen Unterhaltsleistungen aus dem laufenden Einkommen zu bestreiten, heranzuziehen. Nach der Rechtsprechung sei das Vermögen des Unterhaltspflichtigen jedenfalls dann in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn der Unterhaltspflichtige selbst die Substanz angreife, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken. Damit werde es dem Unterhaltsberechtigten ermöglicht, an diesem „Lebenszuschnitt“ des Unterhaltspflichtigen angemessen teilzuhaben.

Für den vorliegenden Fall bedeute das, dass die dem Antragsgegner unstrittig zugeflossene Ausgleichszahlung von 107.000 EUR in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, weil der Antragsgegner dieses Geld nicht für eine einfache und notwendige Lebensführung verwendet habe. Auch ausgehend davon, dass ihm die Anschaffung eines „durchschnittlichen“ PKW um einen Kaufpreis von 30.000 EUR zuzubilligen sei, verblieben immer noch 40.000 EUR vom Kaufpreis des PKW Audi Q5, die zur Unterhaltsbemessung heranzuziehen seien. Da auch der Wert des Schwimmbiotops als Luxusanschaffung hinzuzurechnen sei, müsse der vom Antragsgegner aus seinem Vermögen aufgewendete Betrag von 107.000 EUR zur Gänze in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden. Auch ohne nähere Feststellungen könne beurteilt werden, dass es sich bei beiden Anschaffungen um Luxusgüter gehandelt habe.

Für die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage sei der jeweilige Anschaffungszeitpunkt maßgeblich. Die entsprechenden Werte, die auf den PKW Audi Q5 entfielen, seien auf eine durchschnittliche Nutzungsdauer des Fahrzeugs von 15 Jahren umzulegen; bezüglich des Schwimmbiotops auf eine Nutzungsdauer von 25 Jahren. Daraus würden sich die im Einzelnen ziffernmäßig näher dargestellten erhöhten Unterhaltsbeträge ergeben. Der Unterhaltsrückstand sei samt gesetzlichen Verzugszinsen zuzusprechen.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, nach welchen Grundsätzen der Vermögensstamm der Unterhaltsbemessungsgrundlage rechnerisch hinzuzuschlagen sei und welche Zeitspanne bei nachhaltigen Vermögenswerten dafür maßgebend sei.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsgegner erhobene Revisionsrekurs, mit welchem er eine Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt, ist zulässig, weil die Beurteilung des Rekursgerichts korrekturbedürftig ist.

Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

1. Die im Revisionsrekurs gerügten Feststellungsmängel liegen nicht vor.

1.1 Das Vorbringen des Antragsgegners, er habe im Jahr 2005 mehr als 50.000 EUR in die nunmehr im Alleineigentum seiner geschiedenen Gattin stehende Liegenschaft für eine Terrassenvergrößerung, die Errichtung eines Schwimmbads und die Gartengestaltung investiert, wurde von der in erster Instanz durchgehend anwaltlich vertretenen Antragstellerin nicht bestritten. Auch in ihrer Revisionsrekursbeantwortung tritt die Antragsgegnerin diesem im Revisionsrekurs wiederholten Vorbringen nicht entgegen. Das gilt auch für das Vorbringen des Antragsgegners, er habe zum Erwerb des PKW lediglich 20.000 EUR beigetragen, ca 80.000 EUR habe er – einer Vereinbarung mit seiner Gattin entsprechend – investiert, um den brachliegenden Grundstücksteil der Immobilie seiner Ehegattin durch eine Fachfirma komplett mit Pflanzen, Bäumen und einem Schwimmteich zu gestalten.

1.2 Zwar reicht das bloße Unterbleiben der Bestreitung für sich allein in der Regel für die Annahme eines Tatsachengeständnisses nicht aus (RIS-Justiz RS0039941 [T5]). Ist aber eine Partei einzelnen Tatsachenbehauptungen des Gegners mit einem konkreten Vorbringen entgegen getreten, hat aber zu den übrigen Behauptungen geschwiegen, rechtfertigt das die Annahme eines schlüssigen Zugeständnisses (17 Ob 1/11p mwN; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 33 Rz 17).

1.3 Hier hat die Antragstellerin einzelne Tatsachenbehauptungen des Antragsgegners mit einem konkreten Gegenvorbringen – etwa zu der im Revisionsrekursverfahren nicht mehr relevanten Frage, welche Steuergutschriften der Antragsgegner erhielt (vgl Schriftsatz ON 23) – bestritten, ohne zu dem bereits davor ausführlich erstatteten Vorbringen des Antragsgegners zu den Investitionen in den Jahren 2005 und 2013 (Schriftsatz ON 13) Stellung zu beziehen.

1.4 Überdies hat die Antragstellerin auf die Tatsachenbehauptungen des Antragsgegners zur Verwendung der Ausgleichszahlung mit dem Vorbringen reagiert, dabei handle es sich um Luxusaufwendungen, die in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, wobei sie sich ganz konkret auf einen Aufteilungszeitraum von sieben Jahren berief. Sie hat ihrer rechtlichen Beurteilung somit das Tatsachenvorbringen des Antragsgegners zugrundegelegt.

1.5 Es ist daher als zugestanden anzusehen, dass der Antragsgegner im Jahr 2005 Investitionen in der behaupteten Art und Höhe in die nunmehr im Alleineigentum seiner früheren Gattin stehende Liegenschaft tätigte und die Ausgleichszahlung in Höhe von 100.000 EUR wie vorgebracht verwendete, also 20.000 EUR zum Kaufpreis des PKW beitrug und 80.000 EUR in die Immobilie seiner nunmehrigen Gattin investierte. Die dazu getroffenen, tatsächlich unpräzisen und zum Teil mit dem zugestandenen Vorbringen des Antragsgegners im Widerspruch stehenden Feststellungen sind daher unbeachtlich.

2. Ausgehend von diesem Sachverhalt erhöht die Ausgleichszahlung in Höhe von 100.000 EUR die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht.

2.1 Die Ausgleichszahlung vermehrte das Vermögen des Unterhaltspflichtigen. Der Vermögensstamm ist nach herrschender Auffassung bei der Unterhaltsbemessung regelmäßig nicht zu berücksichtigen (1 Ob 98/03y; 6 Ob 49/08m; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 23).

2.2 Von diesem Grundsatz besteht eine Ausnahme, wenn die erforderlichen Unterhaltsleistungen nicht aus dem laufenden Einkommen bestritten werden können. Dann muss der Unterhaltspflichtige zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen des Zumutbaren sein Vermögen angreifen (RIS‑Justiz RS0047494; 6 Ob 106/11y; Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 496).

Der „erforderliche“ Unterhalt ist zwar mit dem Durchschnittsbedarfsatz („Regelbedarf“) nicht jedenfalls gleichzusetzen, der Durchschnittsbedarf stellt aber einen Richtwert dar (Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 497). Das laufende Einkommen des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Verwendung der Ausgleichszahlung (3.348,76 EUR netto monatlich) reichte zur Leistung des Unterhalts in Höhe des Durchschnittsbedarfssatzes aus.

Auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens außer Streitsachen sind subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche Ansprüche, in denen sich die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0006261 [T1]). Jeder Beteiligte hat daher die für seinen Standpunkt maßgeblichen Umstände zu behaupten und zu beweisen (6 Ob 20/15g = RIS-Justiz RS0006261 [T17]).

Die Antragstellerin behauptete nicht, dass bzw aus welchen Gründen der aus dem laufenden Einkommen des Antragsgegners gedeckte Durchschnittsbedarfsatz unter den „erforderlichen“ Unterhaltsleistungen liegt. Sie stellte sich vielmehr auf den Standpunkt, sie habe ein Anrecht, an dem „luxuriösen“ Lebensstil des Antragsgegners zu partizipieren.

2.3 Der Sache nach bezieht sie sich mit diesem Vorbringen auf die weiteren, von der Rechtsprechung gemachten Ausnahmen von dem Grundsatz, dass der Unterhaltspflichtige die Vermögenssubstanz nicht angreifen muss:

a) Dann nämlich, wenn der Unterhaltspflichtige selbst die Substanz seines Vermögens heranzieht, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken, ist sein Vermögen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (RIS‑Justiz RS0117850; 4 Ob 218/08z).

Dabei sind die Sachverhalte, die den zu dem Leitsatz RIS‑Justiz RS0117850 aufgenommenen Entscheidungen zugrundelagen, dadurch gekennzeichnet, dass der Unterhaltspflichtige jeweils bestimmte, der Substanz und nicht den Erträgen seines Vermögens zuzuordnende Beträge laufend für die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung verwendete (zB 6 Ob 49/08m – Ratenzahlungen für die Übertragung eines Geschäftsanteils an einer Rechtsanwalts GmbH; 4 Ob 218/08z – Kapitalanteil der Rente aus einer Lebensversicherung; 2 Ob 246/09d – Ratenzahlungen; 6 Ob 114/10y – monatliche Entnahmen aus den Ersparnissen zur Lebensführung). Den für die Lebensführung verwendeten Beträgen kam somit im Ergebnis jeweils (zusätzliche) Einkommensfunktion für zuordenbare Perioden zu.

b) Verwendet der Unterhaltspflichtige hingegen sein Vermögen nicht zur Bestreitung des laufenden Unterhalts, wendet es aber ertraglos für „luxuriöse“ Investitionen auf, kann er nach der Rechtsprechung auf eine erfolgsversprechende Anlageform angespannt werden (RIS‑Justiz RS0047643; 4 Ob 557/94 – „Luxusaufwendungen“ in Wohnhaus; vgl auch 1 Ob 2/02d – Kauf einer luxuriösen Wohnung).

2. 4 Ebenso wie die Vermögenssubstanz ist auch eine Ausgleichszahlung in der Regel nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, liegt doch ihr Zweck in der Beschaffung einer Ersatzwohnung, deren Einrichtung und ganz allgemein auch in der Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen (RIS‑Justiz RS0047461).

2.5 Die Ausgleichszahlung ist jedoch zu berücksichtigen, wenn sie zwar gespart wird, aber nach der maßgeblichen Zweckbindung (8 Ob 60/10x) nicht den ihr zugrundeliegenden Zwecken dienen soll, etwa weil der Unterhaltspflichtige anderweitig für die Wohnmöglichkeit vorsorgen konnte. In diesem Fall ist dieses Vermögen, allerdings nur unter der allgemeinen Voraussetzung (vgl 2.2) der Unfähigkeit, die erforderlichen Unterhaltsleistungen aus dem laufenden Einkommen zu bestreiten, heranzuziehen. Die Zinsen sind dem die Bemessungsgrundlage bildenden Gesamteinkommen zuzuschlagen (RIS-Justiz RS0047414; 1 Ob 622/93).

2.6 Die Ausgleichszahlung ist ferner dann zu berücksichtigen, wenn sie der Unterhaltspflichtige verwendet, um damit einen höheren Lebensstandard oder überhaupt seinen eigenen laufenden Unterhalt zu finanzieren. Dann erhöhen die verwendeten Beträge die Bemessungsgrundlage des entsprechenden Verwendungszeitraums (4 Ob 531/95 = RIS-Justiz RS0047461 [T1]; RIS-Justiz RS0047414; 3 Ob 278/98y). Das entspricht im Ergebnis der dargestellten Rechtsprechungslinie zur Berücksichtigung des laufend für die Lebensführung verwendeten Vermögens (2.3).

2.7 In Anwendung der dargelegten Grundsätze hat das Erstgericht zutreffend eine Einbeziehung der Ausgleichszahlung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage verneint.

a) Eine Gefährdung des „erforderlichen“ Unterhalts der Antragstellerin, die den Antragsgegner zur Angreifung der Substanz seines Vermögens verpflichten würde, besteht nicht (2.2).

b) Nur unter der – hier nicht vorliegenden – Voraussetzung, dass der Antragsgegner die Ausgleichszahlung laufend für seine Lebensführung verwendet, käme ein der periodischen Verwendung entsprechender Zuschlag zur Unterhaltsbemessungsgrundlage in Betracht (2.3.a).

c) Die – hier allein relevante – Konstellation einer ertraglosen Verwendung des Vermögens für „Luxusaufwendungen“ könnte hingegen eine Anspannung des Antragsgegners auf fiktive Kapitalerträgnisse rechtfertigen (2.3.b). Auch die dafür erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen sind jedoch nicht verwirklicht:

Für den PKW hat bereits das Rekursgericht einen Aufwand des Antragsgegners in Höhe von sogar 30.000 EUR als unterhaltsneutral anerkannt. Die Anschaffung eines Fahrzeugs um (anteilige) 20.000 EUR dient zwar nicht der Wohnversorgung, wohl aber – im Hinblick auf die Nutzung des Fahrzeugs für berufliche Zwecke auch des Antragsgegners – der Sicherung seiner wirtschaftlichen Grundlagen (RIS‑Justiz RS0047461).

Die weiteren Aufwendungen des Antragsgegners in Höhe von 80.000 EUR betrafen den brachliegenden Grundstücksteil der Immobilie seiner Ehegattin, der durch eine Fachfirma komplett mit Pflanzen, Bäumen und einem Schwimmteich gestaltet wurde. Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Antragsgegners, wonach er im Jahr 2005 vergleichbare Investitionen in Höhe von mehr als 50.000 EUR auf der ursprünglich in seinem Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft tätigte, dienten die nunmehr zu beurteilenden Aufwendungen der Anschaffung im Aufteilungsverfahren verloren gegangener langlebiger Wirtschaftsgüter (1 Ob 622/93; 5 Ob 65/97p; 3 Ob 278/98y).

Die vom Rekursgericht angestellten Überlegungen, es handle sich um „Luxusaufwendungen“, lassen außer Acht, dass solche Aufwendungen auch dem Lebenszuschnitt der Antragstellerin in dem von ihr bewohnten, nunmehr im Alleineigentum ihrer Mutter stehenden Objekt entsprechen. Ein weiteres Partizipieren der Antragstellerin an dem Lebenszuschnitt des Antragsgegners ist bei dieser Sachlage jedenfalls nicht geboten und die Differenz zwischen den Investitionssummen schon im Hinblick auf die unterschiedlichen Anschaffungszeitpunkte (2005 bzw 2013) zu vernachlässigen.

3. Ob der Antragsgegner im Umfang der ihm von seiner geschiedenen Gattin gezahlten Zinsen in Höhe von 7.000 EUR (zu deren Verwendung ein Vorbringen des Antragsgegners fehlt) auf eine erfolgsversprechende Anlageform angespannt werden könnte (vgl RIS‑Justiz RS0047643), muss nicht geprüft werden, führte doch eine erfolgsversprechende Anlageform bei einem Betrag von 7.000 EUR selbst unter Zugrundelegung der vom Antragsgegner als unrealistisch qualifizierten Renditemöglichkeit von 4 % abzüglich 25 % Kapitalertragssteuer zu einem jährlichen Ertrag von bloß 210 EUR, der bei der Unterhaltsbemessung vernachlässigbar ist.

Der dem Antragsgegner von seiner geschiedenen Gattin geleistete Kostenbeitrag diente der Abdeckung seiner Verfahrenskosten und erhöht die Unterhaltsbemessungsgrundlage ebenfalls nicht.

4. Daraus folgt zusammengefasst, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederherzustellen ist.

Punkt 2. dieses Beschlusses ist allerdings (iSd insoweit zu bestätigenden Entscheidung des Rekursgerichts) um einen Zinsenzuspruch für den rückständigen Unterhalt zu ergänzen. Der Antragsgegner, der formell die gänzliche Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses beantragt, bekämpft in seinem Revisionsrekurs den Zinsenzuspruch inhaltlich nicht.

Die Kostenentscheidung beruht – unter Berücksichtigung der Volljährigkeit der Antragstellerin – auf § 78 Abs 2 AußStrG. Der Antragsgegner ist lediglich geringfügig im Umfang des Zinsenbegehrens unterlegen.

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