OGH 3Ob154/16t

OGH3Ob154/16t22.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Ärztekammer *****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder‑Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die verpflichtete Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Mai 2016, GZ 46 R 157/16b‑7, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 23. Dezember 2015, GZ 9 E 3879/15h‑3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00154.16T.0922.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der im Umfang der Zurückweisung der Rekursbeantwortung der betreibenden Partei unberührt bleibt, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass die verpflichtete Partei am 28. Mai 2015 durch die Verwendung des akademischen Grades „Dr“ ohne entsprechenden Zusatz im Logo auf ihrer Homepage gegen den Unterlassungstitel verstoßen hat.

Die verpflichtete Partei ist schuldig, der betreibenden Partei die mit 2.553,80 EUR (hierin enthalten 366,30 EUR USt und 356 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der verpflichteten GmbH und ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer wurde mit einstweiliger Verfügung vom 11. Dezember 2013 ab sofort verboten, zu Zwecken des Wettbewerbs in Österreich den Titel „Doktor“, „Dr.“ oder „Dr“ zu führen, wenn damit kein Doktorat der gesamten Heilkunde oder ein gleichwertiger, im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierter akademischer Grad verbunden ist, sofern nicht ein Zusatz verwendet wird, aus dem sich das Fehlen dieser Graduierung ergibt.

Die Betreibende beantragte mit Schriftsatz vom 29. Mai 2015 die Bewilligung der Unterlassungsexekution und die Verhängung einer Geldstrafe von 10.000 EUR über die Verpflichtete, weil diese auf ihrer Homepage auch noch am 28. Mai 2015 im Logo den Titel „Dr“ nämlich als „Dr G***** Optometrist“ anführe, ohne dass sich daraus ergebe, dass „die verpflichtete Partei“ (richtig: ihr Geschäftsführer und Alleingesellschafter) kein Doktorat der gesamten Heilkunde oder einen gleichwertigen, im Ausland erworbenen und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierten akademischen Grad habe.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution und verhängte über die Verpflichtete „wegen des weiteren Zuwiderhandelns [durch] weitere Anführung 'Dr G***** Optometrist' im Logo ihrer Homepage am 28. Mai 2015“ eine Geldstrafe von 10.000 EUR.

Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag infolge Rekurses der Verpflichteten ab. Aus dem von der Betreibenden vorgelegten Ausdruck der Homepage der Verpflichteten vom 28. Mai 2015 ergebe sich, dass die Verpflichtete das Logo „Augenoptiker Dr W***** G*****“ verwende. In der Fußzeile auf der ersten Seite des Ausdrucks finde sich in Kleinstbuchstaben der Hinweis „2012–2015 by W***** G*****, Doctor of Philosophy in Optometry and Vision Science“. Es sei deshalb nicht ersichtlich, welches titelwidrige Verhalten die Verpflichtete gesetzt haben solle: Sie verwende nämlich die im Exekutionsantrag behauptete Bezeichnung „Dr G***** Optometrist“ nicht, und die Betreibende mache nicht geltend, dass das tatsächlich verwendete Logo „Augenoptiker Dr W***** G*****“ titelwidrig sei. Die Berechtigung eines Exekutions‑ oder Strafantrags sei zwar grundsätzlich nur auf Basis der Tatsachenbehauptungen der Betreibenden zu prüfen. Lege die Betreibende aber zum Beweis ihres Vorbringens Urkunden vor, aus denen sich die Unrichtigkeit ihrer Behauptungen ergebe, sei der Antrag abzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betreibenden, mit dem sie geltend macht, dass sich das wesentliche Vorbringen ihres Antrags, nämlich dass die Verpflichtete weiterhin den Titel „Dr“ ohne die im Exekutionstitel normierten Ergänzungen im Logo führe, ohnehin aus der von ihr vorgelegten Urkunde ergebe, ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung muss der betreibende Gläubiger in seinem Exekutions‑ oder Strafantrag nach § 355 EO das Zuwiderhandeln, auf das er sein Exekutionsrecht stützt, konkret und schlüssig behaupten. Der Verpflichtete muss nämlich genau wissen, welches Zuwiderhandeln ihm vorgeworfen wird, damit er in der Lage ist, gegebenenfalls Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nach § 36 Abs 1 Z 1 EO zu erheben (RIS‑Justiz RS0000709). Grundsätzlich ist die Behauptung des Betreibenden über das Zuwiderhandeln des Verpflichteten bei Entscheidung über den Exekutions‑ oder Strafantrag nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit, ob also der inkriminierte Verstoß tatsächlich begangen wurde, zu überprüfen. Ergibt sich jedoch aufgrund der angebotenen Bescheinigungsmittel die Unrichtigkeit der Behauptung, ist der Antrag abzuweisen (RIS‑Justiz RS0113988 [T4, T5, T6]).

2. Im vorliegenden Fall besteht zwar tatsächlich die vom Rekursgericht aufgezeigte Divergenz zwischen dem Vorbringen der Betreibenden im Exekutionsantrag und dem als Bescheinigungsmittel vorgelegten Ausdruck der Homepage der Verpflichteten. Allerdings rechtfertigt diese Abweichung („Optometrist“ – „Augenoptiker“) nicht die Abweisung des Exekutionsantrags, weil sie nicht den Kern des Vorbringens der Betreibenden betrifft: Ausgehend vom Unterlassungstitel ist nämlich für die Berechtigung des Exekutionsantrags – und die erforderliche Spezifizierung des Verstoßes im Hinblick auf eine allfällige Impugnationsklage – nur die darin enthaltene Behauptung wesentlich, die Verpflichtete habe am genannten Tag gegen das Unterlassungsgebot verstoßen, indem sie auf ihrer Homepage im Logo den akademischen Grad „Dr“ ohne den im Titel näher umschriebenen Hinweis verwendet habe; ob im Logo der Begriff „Augenoptiker“ oder „Optometrist“ verwendet wird, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend.

3. Dass nicht nur das dem Titelverfahren zugrunde liegende Logo „Dr G***** Optometrist“, sondern auch das sich aus dem vorgelegten Bescheinigungsmittel ergebende Logo „Augenoptiker Dr W***** G*****“ titelwidrig ist, hat der erkennende Senat bereits jüngst zu 3 Ob 132/16g ausgesprochen.

An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts durch das hier – anders als in dem der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall – vorgelegte Bescheinigungsmittel: Aus diesem ergibt sich zwar, dass der Alleingesellschafter der Verpflichteten in der Copyright‑Zeile als Doctor of Philosophy in Optometry and Vision Science und im Impressum als Doctor of Philosophy bezeichnet wird, woraus sich ableiten lässt, dass er nicht Doktor der gesamten Heilkunde ist. Allerdings sind diese – in deutlich kleineren Buchstaben als das Logo gehaltenen und mit diesem in keinen erkennbaren Zusammenhang gesetzten – Hinweise nicht als ausreichend deutlich (vgl RIS‑Justiz RS0118488) zu qualifizieren.

4. Der Exekutionsantrag der Betreibenden erweist sich deshalb als berechtigt, sodass der Beschluss des Erstgerichts mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.

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