European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00059.16S.0818.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Annahme einer betrieblichen Übung setzt voraus, dass der Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltslose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit der Arbeitnehmer seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt. Entscheidend ist, welchen Eindruck die Arbeitnehmer vom schlüssigen Verhalten des Arbeitgebers haben mussten und was sie bei sorgfältiger Überlegung dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers entnehmen können (s RIS‑Justiz RS0014543 [T19]). Ob dies der Fall ist, kann nur nach den Umständen des konkreten Falles beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0014543 [T22]).
2. Selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer früheren betrieblichen Übung im Sinn einer Arbeitszeit der vom Kläger vertretenen Ärzte von Montag bis Freitag, 7:00 Uhr bis 15:00 Uhr, ausginge, wäre für den Kläger nichts gewonnen, weil er keine Umstände dafür aufzeigt, dass die Beklagte auch bei gesetzlich geänderten Rahmenbedingungen (Verkürzung der Höchstarbeitszeit für verlängerte Dienste iSd § 4 KA‑AZG) keine Anpassung der Arbeitszeitverteilung vornehmen hätte wollen oder es in ihrer Absicht gelegen gewesen wäre, strukturell selbst ein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Überschreiten der zulässigen Arbeitszeit in Kauf zu nehmen. Vielmehr wies schon das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass ein redlicher Erklärungsempfänger aus dem im Einklang mit den früheren rechtlichen Rahmenbedingungen erfolgten Einsatz der Ärzte während der durch das KA‑KuG und das ÄrzteG determinierten Hauptbetriebszeit der Krankenanstalt schon grundsätzlich nicht ohne vernünftigen Grund, daran zu zweifeln (§ 863 Abs 1 ABGB), auf den Willen des Betreibers der Krankenanstalt schließen kann, sich auch in Zukunft zur Beschäftigung in Zeiträumen zu verpflichten, wenn dies nicht mehr gesetzeskonform wäre – ist doch davon auszugehen, dass eine Erklärung nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs gesetzeskonform zu verstehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0117563 zur Auslegung von Förderverträgen).
3. Die vom Kläger herangezogene Entscheidung 9 ObA 512/88 ist hier nicht zielführend, weil ihr keine Gesetzesänderung zugrunde lag (vielmehr: Ausübung eines vorbehaltenen Widerrufsrechts für per Betriebsvereinbarung zugestandene Pensionsleistungen wegen verschlechterter wirtschaftlicher Lage des Unternehmens). Dagegen wurde bereits in der – noch vor der Schaffung des § 19c AZG ergangenen – Entscheidung 9 ObA 159/95 ausgesprochen, dass ein Dienstgeber dann, wenn die Festlegung der Arbeitszeit (dort: nach dem Kollektivvertrag) einvernehmlich zu erfolgen hat, im Rahmen seines Direktionsrechts eine von der bisherigen abweichende Arbeitszeiteinteilung vornehmen kann, wenn die bisherige Arbeitszeit gegen zwingende Normen verstößt und die einvernehmliche Festlegung einer neuen Einteilung an der Weigerung des Dienstnehmers scheitert, an einer solchen Regelung mitzuwirken, sofern dieser Eingriff so schonend wie möglich gestaltet wird. Dieses Ergebnis ist nach der Literatur auch im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu erreichen ( Mosler in Neumayr/Reissner , ZellKomm 2 AZG § 19c Rz 9; Felten in Grillberger , Arbeitszeitgesetz, § 19c Rz 20).
4. Ein Anspruch darauf, dass bei verlängerten Diensten auch am Folgetag ungeachtet der nur bis 12:00 Uhr bzw 8:00 Uhr bestehenden Arbeitspflicht entlohnungsrechtlich eine Arbeitszeit bis 15:00 Uhr anzunehmen wäre, wurde von den Vorinstanzen danach in nicht weiter korrekturbedürftiger Weise verneint. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.
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