OGH 7Ob208/15m

OGH7Ob208/15m6.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** J*****, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, gegen die beklagte Partei Z*****‑AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Juli 2015, GZ 2 R 60/15k‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 24. November 2014, GZ 16 C 1346/13i‑14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt :

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00208.15M.0706.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt wie folgt zu lauten hat:

„1. Es wird mit Wirkung zwischen der klagenden und beklagten Partei festgestellt, dass

a. die von der beklagten Partei mit Schreiben vom 9. 9. 2013 erfolgte Aufkündigung der Bündelversicherung mit der Bezeichnung „Z***** Versicherungspaket für Privatkunden“ zu Polizze ***** zum 15. 10. 2013 rechtsunwirksam ist;

b. die von der beklagten Partei mit Schreiben vom 31. 10. 2013 erfolgte Aufkündigung der Sparte „Rechtsschutz“ aus der Bündelversicherung mit der Bezeichnung „Z***** Versicherungspaket für Privatkunden“ zu Polizze ***** zum 10. 12. 2013 rechtsunwirksam ist und diese Rechtsschutzversicherung aus der Bündelversicherung weiter aufrecht besteht;

c. die Bestimmung des Art 15.3.2. erster Fall ARB 2005 unwirksam und nicht Bestandteil des zwischen der klagenden und beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags zu Polizze ***** ist.

2. Hingegen wird das Mehrbegehren, es werde mit Wirkung zwischen der klagenden und beklagten Partei festgestellt, dass die von der Beklagten mittels Schreiben vom 31. 10. 2013 erfolgte Aufkündigung der Sparte „Haushalt“ aus der Bündelversicherung mit der Bezeichnung „Z***** Versicherungspaket für Privatkunden“ zu Polizze ***** zum 10. 12. 2013 rechtsunwirksam sei und weiter aufrecht bestehe, abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Gemäß § 70 Abs 1 Satz 2 ZPO wird ausgesprochen, dass die beklagte Partei zum Ersatz der halben Pauschalgebühr für die Klage verpflichtet ist.“

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gemäß § 70 Abs 1 Satz 2 ZPO wird ausgesprochen, dass die beklagte Partei jeweils zum Ersatz der halben Pauschalgebühr für das Berufungs- und das Revisionsverfahren verpflichtet ist.

 

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben „einen“ Versicherungsvertrag über zwei Sparten, nämlich „Haushalt“ und „Rechtsschutz“, abgeschlossen. Diesem liegen die „Allgemeine Z***** Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2005)“ und die „Allgemeine Z***** Bedingungen für die Sach‑Versicherung (ABS 1995)“ zugrunde.

In Artikel 15 ARB 2005 heißt es auszugsweise:

„Unter welchen Voraussetzungen verlängert sich der Versicherungsvertrag oder endet er vorzeitig?

3.2. Der Versicherer kann zum Schutz der Versicherungsgemeinschaft vor überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Versicherung kündigen, wenn

- er den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht hat, […]

- der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Die Kündigung ist innerhalb eines Monats vorzunehmen

- nach Bestätigung des Versicherungsschutzes

- nach Erbringung einer Versicherungsleistung,

- nach Kenntnis der Arglist, der Mutwilligkeit, des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit.

Die Kündigung kann grundsätzlich nur unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist erfolgen.“

In den ABS 1995 heißt es auszugsweise:

„Artikel 10 Schuldhafte Herbeiführung des Schadenfalles; Obliegenheitsverletzung nach dem Schadeneintritt

(1) Wenn der Versicherungsnehmer … den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig herbeiführt, ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber von jeder Verpflichtung zur Leistung aus diesem Schadenfall frei.

Artikel 12 Rechtsverhältnis nach dem Schadenfall

Sofern in den Allgemeinen Versicherungsbe-dingungen der betreffenden Sachversicherungssparte oder einer sonstigen vertraglichen Vereinbarung keine abweichende Regelung getroffen ist, können:

[…]

b) der Versicherer kündigen, wenn er Entschädigung geleistet oder die Verpflichtung zur Leistung mindestens dem Grunde nach anerkannt hat oder der Versicherungsnehmer einen Entschädigungsanspruch arglistig erhoben hat. Die Kündigung muss innerhalb eines Monats nach Leistung der Entschädigung oder Anerkennung der Verpflichtung zur Leistung dem Grunde nach oder Ablehnung des arglistig erhobenen Entschädigungsanspruches erfolgen. Bei Kündigung nach Leistung der Entschädigung oder Anerkennung der Verpflichtung zur Leistung dem Grunde nach ist eine Kündigungsfrist von mindestens einem Monat einzuhalten; […]“

Am 6. 7. 2013 kam es in der Wohnung der Klägerin zu einem Brand. Die Klägerin hatte Öl am Herd heiß gemacht, um Pommes zu machen. Dabei war sie „von ihrem Hund abgelenkt worden und diesem nachgerannt“. Als sie in die Küche zurückkam, brannte es bereits. Die Klägerin hatte den Polizeibeamten ihre Wohnungstüre erst nach „mehrfachem und massivem Klopfen“ geöffnet, wobei zu diesem Zeitpunkt der Brandgeruch schon massiv (deutlich) wahrnehmbar gewesen war.

Am 9. 9. 2013 kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag „aus (nicht näher angeführten) wichtigen Gründen unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist per 15. 10. 2013, 00:00 Uhr“.

Am 22. 10. 2013 erstattete die Beklagte der Klägerin ein Entschädigungsanbot für den Schaden vom 6. 7. 2013. Die Leistung der Entschädigung erfolgte am 31. 10. 2013.

Mit zwei Schreiben jeweils vom 31. 10. 2013 kündigte die Beklagte gesondert die Sparten „Rechtsschutz“ und „Haushalt“ mit der gleichlautenden Begründung, „wir haben zu Ihrem Vertrag bereits Versicherungsleistungen erbracht und möchten ihn aus wirtschaftlichen Gründen in der vorliegenden Form nicht weiterführen. … Der Versicherungsschutz endet daher nach Ablauf der Kündigungsfrist am 10. 12. 2013, 00:00 Uhr“.

Die Klägerin begehrte wie im Spruch ersichtlich und führte dazu aus, dass die Beklagte in der Kündigung vom 9. 9. 2013 keinen wichtigen Grund genannt habe, weshalb sie mangels Bestimmtheit unwirksam sei. Auch für die Kündigungen am 31. 10. 2013 lägen keine wichtigen Gründe vor, insbesondere habe sich die Klägerin nicht grob fahrlässig verhalten. Die Vereinbarung der Kündigungsmöglichkeit nach Art 15.3.2. erster Fall ARB 2005 sei nach bereits vorliegender Judikatur rechtsunwirksam.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klagebegehren und erwiderte, es sei nicht notwendig, den Kündigungsgrund ausdrücklich zu nennen. Sie sei berechtigt, den Versicherungsvertrag als Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund jederzeit zu kündigen. Ein solcher wichtiger Grund liege dann vor, wenn – wie hier – durch das Verhalten des Versicherungsnehmers das für den Versicherungsvertrag erforderliche Vertrauen erschüttert sei. Auch wegen erfolgter Leistung sei die Beklagte zur Kündigung berechtigt gewesen.

Das Erstgericht wies alle Feststellungsbegehren ab. Das Verhalten der Klägerin habe das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien so sehr beeinträchtigt, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar gewesen sei. Die Kündigung vom 9. 9. 2013 aus wichtigen Gründen sei daher wirksam. Die Kündigung vom 31. 10. 2013 der Sparte „Haushalt“ sei unwirksam, weil diese verfrüht nicht „innerhalb“ der Monatsfrist nach, sondern bereits am Tag der Leistung der Entschädigung erfolgt sei. Wegen der Wirksamkeit der Kündigung vom 9. 9. 2013 bestehe jedoch kein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 31. 10. 2013. Ebenso fehle ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung des aufrechten Bestands des Versicherungsvertrags und der Ungültigkeit der Klausel nach Art 15.3.2. erster Fall ARB 2005.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es vertrat die Rechtsansicht, dass die Kündigung vom 9. 9. 2013 ausdrücklich „aus wichtigen Gründen“ erfolgt sei und auf Nachfrage des Klagevertreters auf die „Aussagen aus dem Behördenakt“ verwiesen worden sei. Damit habe für die Klägerin kein Zweifel bestehen können, dass der wichtige Grund ihr Verhalten bei und nach dem Brand gewesen sei. Eine detailliertere Angabe des Kündigungsgrundes sei nicht nötig gewesen.

Dauerschuldverhältnisse könnten aus wichtigem Grund auch vor Ablauf einer vereinbarten Zeit ohne Einhaltung vorgesehener Kündigungstermine und -fristen einseitig aufgelöst werden. Dies gelte auch für Versicherungsverträge. Die Klägerin habe den Versicherungsfall schwer schuldhaft herbeigeführt. Sie habe nach Brandentstehung die Schadensausbreitung nicht verhindert, sei dem Brand auch mit außergewöhnlicher Gleichgültigkeit begegnet und habe tendenziell sogar die Brandbekämpfung behindert, indem Nachbarn und Polizei der Zutritt nicht oder nur erschwert ermöglicht worden sei. Dieses Verhalten der Klägerin habe ein Ausmaß erreicht, das der Beklagten das weitere Fortbestehen des Vertragsverhältnisses unzumutbar gemacht habe. Die von der Beklagten vorgenommene außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund sei daher zulässig und wirksam gewesen. Infolge wirksamer außerordentlicher Kündigung habe die Klägerin kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung der Unwirksamkeit der beiden Kündigungen vom 31. 10. 2013, an der Feststellung des aufrechten Bestands des Vertragsverhältnisses und an der Feststellung der Unwirksamkeit des Art 15.3.2. erster Fall ARB 2005.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und – über Abänderungsantrag der Klägerin –, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht sei von einem grob fahrlässigen Verhalten der Klägerin an der Herbeiführung des Versicherungsfalls ausgegangen, doch habe die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Versicherungsvertrags in letztinstanzlicher Rechtsprechung bislang nur im Zusammenhang mit der Erschleichung einer Versicherungsleistung oder mit der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls eine Rolle gespielt. Überdies stelle sich die Frage nach dem Verhältnis einer auf grober Fahrlässigkeit beruhenden außerordentlichen Kündigung zur Sanktion der Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der gänzlichen Stattgebung ihrer Klagebegehren. Hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erstattet eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise auch berechtigt.

A. Außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 9. 9. 2013:

1.  Die mit Schreiben vom 9. 9. 2013 erfolgte Kündigung durch die Beklagte soll nach deren Verständnis eine außerordentliche Kündigung des – gesamten – Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund sein.

2.  Anerkannt ist, dass bei Dauerschuldverhältnissen eine Kündigung aus wichtigem Grund jederzeit möglich ist (7 Ob 69/01z). Der Grund für die einseitige Lösung liegt darin, dass die Vertragsfortsetzung für den kündigenden Teil unzumutbar ist (RIS‑Justiz RS0018305; RS0018377; RS0027780). Das Versicherungsverhältnis ist im besonderen Maß vom Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht (RIS‑Justiz RS0018055). Auch Versicherungsverträge können daher mit außerordentlicher Kündigung aus wichtigem Grund aufgelöst werden, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses den Parteien nicht zumutbar ist (RIS‑Justiz RS0127092).

3.  Die Berechtigung zur vorzeitigen Vertragsauflösung ist im Rahmen einer auf den Zeitpunkt der Auflösungserklärung bezogenen Gesamtbetrachtung und einer umfassenden Abwägung der Bestandsinteressen des einen Vertragspartners und des Auflösungsinteresses des anderen zu beurteilen (1 Ob 340/98a mwN). Eine solche Auflösung ist das „äußerste Notventil“. Die Gründe müssen ein erhebliches Gewicht haben (4 Ob 211/03p = SZ 2003/169 mwN; 7 Ob 250/11g).

4. Nach den von den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen ist der Versicherer in der Sparte „Haushalt“ von jeder Verpflichtung zur Leistung aus dem Schadenfall frei, wenn der Versicherungsnehmer diesen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (Art 10 ABS 1995). Hat der Versicherer nach dem Schadenfall Entschädigung geleistet, steht ihm die Möglichkeit der Kündigung offen (Art 12 lit b ABS 1995).

5. Dass trotz dieser in der gegebenen Situation bestehenden Möglichkeiten des Versicherers auch noch eine außerordentliche Kündigung zulässig sein sollte, bedürfte im Hinblick auf deren Qualität als äußerste Notmaßnahme besonders wichtiger Gründe, die sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ergeben:

Nach den äußerst knappen Feststellungen des Erstgerichts zum Schadenfall war es am 6. 7. 2013 in der Wohnung der Klägerin zu einem Brand gekommen, nachdem diese am Herd Öl heiß gemacht hatte, um Pommes zu machen, dann von ihrem Hund abgelenkt wurde und diesem nachgelaufen war. Bei der Rückkehr der Klägerin in die Küche brannte es bereits. Die Klägerin hat dann den Polizeibeamten die Wohnungstüre erst nach mehrfachem und massivem Klopfen und inzwischen deutlich wahrnehmbarem Brandgeruch geöffnet. Weitere Feststellungen zum Geschehnisablauf liegen nicht vor, womit die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe „nach Brandentstehung die Verhinderung der Schadensausbreitung unterlassen“, sei „dem Brand auch mit außergewöhnlicher Gleichgültigkeit begegnet“ und habe „tendenziell sogar die Bekämpfung erschwert“, in dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt keine Deckung findet. Die Beklagte hat insgesamt keine besonders schwer wiegenden Umstände erwiesen, die eine außerordentliche Kündigung hätten rechtfertigen können. Die mit Schreiben vom 9. 9. 2013 erfolgte außerordentliche Kündigung des – gesamten – Vertragsverhältnisses war daher nicht rechtswirksam.

B. Der Versicherungsvertrag als Bündelversicherung:

Der von den Parteien abgeschlossene „Versicherungsvertrag“ war ein „Versicherungspaket für Privatkunden“ mit den Sparten „Haushalt“ und „Rechtsschutz“ mit Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen für jede Sparte. Es lag somit eine „Bündelversicherung“ vor, bei der die eingeschlossenen Sparten, hier betreffend deren Kündigung nach den jeweils maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, ein rechtlich selbstständiges Schicksal haben und insoweit getrennt zu beurteilen sind (vgl 7 Ob 264/07k mwN = ZVR 2008/204 [ Reisinger ]; Fenyves in Fenyves/Schauer , § 1a VersVG Rz 32 ff mwN).

C. Kündigung der Sparte „Haushalt“ mit Schreiben vom 31. 10. 2013:

Die Kündigung der Sparte „Haushalt“ (diese ist eine kombinierte Versicherung [7 Ob 264/07k]) mit (gesondertem) Schreiben vom 31. 10. 2013 erfolgte nach und wegen der der Klägerin aufgrund des Schadenfalls am selben Tag erbrachten Leistung und fristgemäß nach Art 12 b) ABS 1995. Diese nach § 96 VersVG zulässige Kündigung war rechtswirksam, erstreckt sich allerdings nur auf die Sparte „Haushalt“.

D. Kündigung der Sparte „Rechtsschutz“ mit Schreiben vom 31. 10. 2013:

Die Kündigung der Sparte „Rechtsschutz“ mit (gesondertem) Schreiben vom 31. 10. 2013 erfolgte offenbar ebenfalls wegen der der Klägerin aufgrund des Schadenfalls in der Sparte „Haushalt“ erbrachten Leistung. Da die beiden Sparten betreffend diese Kündigungsmöglichkeit getrennt zu beurteilen sind, kann die bloß in der Sparte „Haushalt“ erbrachte Leistung nicht die Kündigung der Sparte „Rechtsschutz“ rechtfertigen. Diese Kündigung war daher schon aus diesem Grund nicht rechtswirksam.

E. Rechtsunwirksamkeit des Art 15.3.2. 1. Fall ARB 2005:

1.  Im Hinblick auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des gesamten Vertragsverhältnisses mit Schreiben vom 9. 9. 2013 und die Unwirksamkeit der Kündigung der Sparte „Rechtsschutz“ mit Schreiben vom 31. 10. 2013 hat die Klägerin ein aufrechtes rechtliches Interesse an der Klärung der Rechtswirksamkeit der in Art 15.3.2. 1. Fall ARB 2005 vorgesehenen Kündigungsmöglichkeit.

2.  Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits in 7 Ob 201/12b (VbR 2013/14 [ Leupold ] = SZ 2013/5) mit der insoweit wortgleichen Klausel in Art 15.3.2. ARB 2010 befasst. Er ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass ein unbeschränktes Kündigungsrecht im Schadenfall in der Rechtsschutzversicherung nicht paritätisch sein muss. Ist es imparitätisch, müssen die Voraussetzungen für das Kündigungsrecht des Versicherers besonders genau präzisiert und objektivierbar sein, um beurteilen zu können, ob es im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB auch sachlich gerechtfertigt ist (RIS‑Justiz RS0128803). Art 15.3.2. ARB 2010 wurde demnach als gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig erkannt. Dies trifft vorliegend auch auf den gleichlautenden Art 15.3.2. 1. Fall ARB 2005 zu. Das zu diesem Punkt erhobene Feststellungsbegehren der Klägerin ist demnach berechtigt.

F. Im Ergebnis folgt:

1.1.  Es können zwar auch Versicherungsverträge mit außerordentlicher Kündigung aus wichtigem Grund aufgelöst werden, doch ist dies eine Notmaßnahme, die besonders wichtiger Gründe bedarf, die dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen sind. Die außerordentliche Kündigung der gesamten Bündelversicherung war daher unwirksam, sodass sich das darauf gerichtete Feststellungsbegehren der Klägerin als berechtigt erweist.

1.2.  Die Kündigung der Versicherung betreffend die Sparte „Haushalt“ nach erbrachter Leistung gemäß Art 12 b) ABS 1995 war wirksam, das gegenteilige Feststellungsbegehren der Klägerin dagegen nicht berechtigt.

1.3.  Die Kündigung der Versicherung betreffend die Sparte „Rechtsschutz“ war im Hinblick auf die gebotene getrennte Beurteilung der Kündigungsmöglichkeit nicht rechtswirksam. Das darauf abzielende Feststellungsbegehren der Klägerin ist demnach genauso berechtigt wie das Begehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der die Sparte „Rechtsschutz“ betreffenden Klausel. Insgesamt erweist sich damit die Revision der Klägerin in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang als teilweise berechtigt.

2.  Für die Kostenentscheidung steht nach dem Erfolgsprinzip im Vordergrund, dass die Klägerin die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung betreffend die Sparte „Rechtsschutz“ erweisen konnte, während sie insoweit bei der Sparte „Haushalt“ erfolglos war. Das Ergebnis der Klärung der Wirksamkeit des Art 15.3.2. 1. Fall ARB 2005 begründet kostenrechtlich keinen relevant überwiegenden Prozesserfolg der Klägerin, was für alle Instanzen zur Kostenaufhebung führt (§ 43 Abs 1 ZPO [für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO]).

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