OGH 7Ob201/12b

OGH7Ob201/12b23.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, 1041 Wien, Prinz‑Eugen‑Straße 20‑22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. November 2011, GZ 2 R 203/11d‑11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Juni 2011, GZ 19 Cg 49/11v‑5, teilweise abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Antrag der Revisionswerberin, der Oberste Gerichtshof möge ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union stellen, wird zurückgewiesen.

2. Teilurteil:

Der Revision wird hinsichtlich der Punkte II 1. bis 5. des Urteils des Berufungsgerichts (Klauseln) nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

3. Das Revisionsverfahren hinsichtlich des Punktes I. des Urteils des Berufungsgerichts (Zahlscheingebühr) wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über den vom Obersten Gerichtshof am 8. November 2011 in der Rechtssache 10 Ob 31/11y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Revisionsverfahren von Amts wegen fortgesetzt.

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist ein österreichweit tätiges Versicherungsunternehmen, das mit Konsumenten in Geschäftsbeziehungen tritt. Ohne dass dies in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern vorgesehen ist, verrechnet sie jenen Kunden, die die Versicherungsprämie mit Zahlscheinen entrichten, eine Gebühr, die sie bei Zahlungen auf andere Art nicht verlangt.

Ihren Rechtsschutzversicherungsverträgen legt sie die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung 2010 (ARB) zu Grunde. Sie enthalten unter anderem die hier strittigen Klauseln.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, eine Zahlscheingebühr einzuheben und die im Folgenden wiedergegebenen oder sinngleiche Klauseln in ihren AGB und/oder Vertragsformblättern zu verwenden und sich darauf zu berufen. Weiters begehrt sie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Die Klauseln seien nach § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 3 KSchG, Klausel 1 überdies nach § 864a ABGB und Klausel 4 überdies nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sowohl ihre Geschäftspraxis als auch die Klauseln in den ARB 2010 seien unbedenklich.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Zahlscheingebühr und den Klauseln 1 bis 3 und 5 statt und wies das Begehren zu Klausel 4 ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, nicht jedoch jener der Beklagten. Es änderte das angefochtene Urteil in eine Klagsstattgebung auch zu Klausel 4 ab.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Entscheidung über die vorliegenden Rechtsfragen für alle von der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsverträge von Bedeutung sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Partei nicht befugt zu beantragen, dass der Oberste Gerichtshof beim Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einen Antrag auf Vorabentscheidung stellt. Die Parteien können dies nur anregen (RIS‑Justiz RS0058452).

Zu 2.:

Die Revision gegen Punkt II. der Entscheidung des Berufungsgerichts (Klauseln) ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Zu den Grundsätzen des Verbandsprozesses:

Im Rahmen der Verbandsklage hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen (7 Ob 173/10g, RIS‑Justiz RS0016590). Im Gegensatz zur jeweiligen Vertragsauslegung im Individualprozess kann auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen nicht Rücksicht genommen werden. Es kann also keine geltungserhaltende Reduktion stattfinden (RIS‑Justiz RS0038205).

Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB geht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vor (RIS‑Justiz RS0037089). Objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumplungseffekt“ innewohnen (RIS‑Justiz RS0014646). Die Ungewöhnlichkeit ist objektiv zu verstehen. Die Subsumtion hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren. Ein Abstellen auf die subjektive Erkennbarkeit gerade für den anderen Teil ist daher ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0014627). Erfasst sind alle dem Kunden nachteilige Klauseln. Eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RIS-Justiz RS0123234).

Eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beidseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt (§ 879 Abs 3 ABGB). Durch diese Bestimmung wurde ‑ wie in den einschlägigen Entscheidungen formuliert wird ‑ ein eine objektive Äquivalenzstörung und „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigendes bewegliches System geschaffen (RIS‑Justiz RS0016914). Sie wendet sich vor allem gegen den Missbrauch der Privatautonomie durch das Aufdrängen benachteiligender vertraglicher Nebenbestimmungen durch den typischerweise überlegenen Vertragspartner bei Verwendung von AGB und Vertragsformblättern. Das Motiv des Gesetzgebers, insbesondere auf AGB und Vertragsformblätter abzustellen, liegt in der zwischen den Verwendern von AGB und deren Vertragspartnern typischerweise anzutreffenden Ungleichgewichtslage. Der mit den AGB konfrontierte Vertragspartner ist in seiner Willensbildung eingeengt, muss er sich doch zumeist den AGB fügen oder in Kauf nehmen, dass ihm der Verwender den Vertragsabschluss verweigert (7 Ob 173/10g mwN). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Sie ist jedenfalls anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition im auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RIS‑Justiz RS0016914). Bei der Beurteilung, ob eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt wird, hat sich der Rechtsanwender daher am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren (RIS‑Justiz RS0014676).

Die Ausnahme von der im § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle ‑ die Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten ‑ ist möglichst eng zu verstehen und soll auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, so dass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also vor allem Ort und Zeit der Vertragserfüllung, nicht unter diese Ausnahme fallen. Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen, unterliegen ebenfalls der Inhaltskontrolle (RIS‑Justiz RS0016908).

Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Durch diese Bestimmung wurde die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen umgesetzt und damit das sogenannte Transparenzgebot für Verbrauchergeschäfte normiert. Dieses soll dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsformblättern zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren. Maßstab für die Transparenz ist das Verständnis der für die jeweilige Vertragsart typischen Durchschnittskunden. Es soll verhindert werden, dass der Verbraucher durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird. Daraus kann sich konkret eine Verpflichtung zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bliebe (1 Ob 131/09k; vgl auch zum klaren Bild, das über die vertragliche Position zu verschaffen ist: RIS‑Justiz RS0115217 [T8]; RS0115219 [T9]; zum Gebot der Vollständigkeit: RIS‑Justiz RS0115217 [T12] = RS0115219 [T12]; zur verlässlichen Auskunft über Rechtsposition: RS0115217 [T14]). Auf die für den Verbraucher ungünstigste Auslegung wird im Verbandsprozess deshalb abgestellt, weil befürchtet wird, dass der einzelne Verbraucher die wahre Rechtslage und die ihm zustehenden Rechte nicht erkennt und sich daher auch nicht auf diese beruft ( Koziol , Auslegung und Beurteilung der Sittenwidrigkeit von AGB‑Klauseln im Verbandsprozess in RdW 2011/70, 67; vgl auch P. Bydlinski , Thesen zur praktischen Handhabung des „Transparenzgebots“ [§ 6 Abs 3 KSchG] in JBl 2011, 141).

Zu den einzelnen Klauseln nach den ARB 2010:

Zu Klausel 1:

Art 3.3.:

Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.

Die Klägerin stützt sich darauf, dass die Klausel gegen §§ 864a, 879 ABGB verstoße, weil sie entgegen § 33 Abs 1 VersVG einen Deckungsausschluss für Fälle, in denen den Versicherungsnehmer kein Verschulden an der verspäteten Geltendmachung des Schadens treffe oder in denen er unverschuldet erst nach Ablauf der Nachhaftungsfrist von einem während der Vertragslaufzeit eingetretenen Versicherungsfall Kenntnis erlange, vorsehe. Die Klausel verstoße auch gegen § 6 Abs 3 KSchG, weil dem Versicherungsnehmer gegenüber verschleiert werde, dass in diesen Fällen auch noch nach Beendigung des Versicherungsvertrags Versicherungsschutz verlangt werden könne, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall umgehend melde.

Die Beklagte erwidert, dass die Klausel lediglich die Dauer der Nachhaftung regle. Eine „ewige Nachhaftung“ widerspreche den Verjährungsbestimmungen des § 12 VersVG. Die Klausel sei weder nachteilig noch ungewöhnlich noch überraschend. Die zeitliche Beschränkung ermögliche dem Versicherer eine die Äquivalenz wahrende Kalkulation der Prämien, was sich regelmäßig zu Gunsten der Versicherungsnehmer auswirke.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine Ausschlussklausel sei nach der Judikatur für den Fall nichtig, dass den Versicherungsnehmer an der verspäteten Meldung nach Ablauf der Ausschlussfrist kein Verschulden treffe oder er unverschuldet erst nach Ablauf der Ausschlussfrist Kenntnis vom Versicherungsfall erlange und im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG unverzüglich eine Schadensmeldung an den Versicherer erstatte. Da die Klausel auch in diesen Fällen einen Deckungsausschluss statuiere, sei sie unzulässig.

Das Berufungsgericht schloss sich der Rechtsmeinung des Erstgerichts an. Werde auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abgestellt, sei die Klausel in diesem Umfang gröblich benachteiligend. Eine geltungserhaltende Reduktion sei im Verbandsprozess unzulässig.

Die Vorinstanzen haben zutreffend ausgeführt, dass der Oberste Gerichtshof bereits zu 7 Ob 22/10a (zu einer Rechtsschutzversicherung) und 7 Ob 250/01t (zu einer Unfallversicherung) über vergleichbare Klauseln entschieden hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedeutet eine kürzere Ausschlussfrist in Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) als die in § 12 VersVG normierte Verjährungsfrist grundsätzlich noch keine Gesetzwidrigkeit. Der richtige Ansatz für die Kontrolle von Risikoabgrenzungen durch Ausschlussfristen sind nicht Verjährungsvorschriften, sondern die Inhalts‑, Geltungs‑ und Transparenzkontrolle (RIS‑Justiz RS0116097). Wird eine Ausschlussfrist versäumt, so erlischt der Entschädigungsanspruch (RIS‑Justiz RS0082292). Dieser Rechtsverlust tritt grundsätzlich auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechts während der Laufzeit unverschuldet unterblieben ist (RIS‑Justiz RS0034591). Die Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist kann gegen Treu und Glauben verstoßen, insbesondere dann, wenn der Versicherer ein Verhalten gesetzt hat, durch das der Versicherungsnehmer veranlasst wurde, seine Forderungen nicht fristgerecht geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0016824, RS0082179 ua). Eine Ausschlussfrist ist nicht objektiv ungewöhnlich. Sie ist zur Risikoabgrenzung sowohl in Österreich als auch in Deutschland üblich. Eine Bedingung aber, die eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, ist im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen hat, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis vom Versicherungsfall eine Schadensanzeige erstattet wurde. Hat der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen. Die Vertragsbestimmung ist insoweit nichtig.

Zu Klausel 2:

Art 6.1.:

Der Versicherer übernimmt die ab dem Zeitpunkt der Bestätigung des Versicherungsschutzes (Art 9) entstehenden Kosten gemäß Pkt 6, soweit sie für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig sind.

Art 6.2.:

Kosten, die bis zu 6 Wochen vor diesem Zeitpunkt entstanden sind, sind vom Versicherungsschutz dann umfasst, wenn diese durch Maßnahmen des Gegners, eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde oder durch unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des Versicherungsnehmers ausgelöst worden sind.

Die Klägerin bringt vor, durch die Klauseln werde der Eindruck erweckt, dass Kosten, die länger als sechs Wochen vor dem Zeitpunkt der Bestätigung des Versicherungsfalls anfielen, in keinem Fall gedeckt seien. Sie verstießen damit gegen § 879 Abs 3 ABGB und auch § 6 Abs 3 KSchG, weil dem Verbraucher die ihm vertraglich zustehenden Rechte verschleiert würden.

Die Beklagte bestreitet dies. Die Klauseln seien unbedenklich. Für den Versicherer sei es entscheidend, dass er nicht Maßnahmen und Verfahren finanzieren müsse, von denen er nichts gewusst habe und die er auch nicht habe beeinflussen können. Die Begrenzung des Versicherungsschutzes solle dem Versicherer die Möglichkeit geben, möglichst zeitnah Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Dies liege im Interesse aller Versicherungsnehmer.

Das Erstgericht erkannte die Klauseln nach § 879 Abs 3 ABGB als nichtig. Der Bestätigungszeitpunkt des Versicherungsschutzes werde allein vom Versicherer bestimmt. Es liege in seiner Hand, von welchem Zeitpunkt an die statuierte sechswöchige Frist zurückgerechnet werde. Bis zur Bestätigung des Versicherungsschutzes bleibe der Versicherungsnehmer im Ungewissen, welche Kosten er ersetzt bekommen werde. Die Klauseln implizierten, dass Kosten, die länger als sechs Wochen vor Bestätigung des Versicherungsschutzes angefallen seien, keinesfalls vom Versicherer gedeckt würden. Dies entspreche nicht der Rechtslage. Die Klausel sei damit auch intransparent.

Das Berufungsgericht bestätigte dies. Die Klauseln gäben der Beklagten die Möglichkeit, die Bestätigung des Versicherungsschutzes einseitig nach Belieben hinauszuzögern und damit ihre Haftung für Kosten, die vor diesem Zeitpunkt entstanden seien, auszuschließen. Eine sachliche Rechtfertigung dafür gebe es nicht. Der Versicherungsnehmer habe auf „umgehende“ Deckungsbestätigung keinen Rechtsanspruch. Die Klauseln seien nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig.

Der Versicherer hat binnen zweier Wochen ab Geltendmachung des Deckungsanspruchs dem Versicherungsnehmer in geschriebener Form den Versicherungsschutz grundsätzlich zu bestätigen oder abzulehnen; die Ablehnung ist zumindest mit der Anführung einer ihr derzeit zu Grunde gelegten Tatsache und gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmung zu begründen. Der Versicherer ist berechtigt, binnen dieser Frist deren Verlängerung um höchstens zwei weitere Wochen zu verlangen (§ 158n Abs 1 VersVG). Kann der Versicherer die rechtzeitige Erfüllung der in § 158n Abs 1 VersVG genannten Verpflichtungen nicht beweisen, so ist er jedenfalls zur Deckung all jener Kosten verpflichtet, die zwischen dem Zeitpunkt, in dem er zum Deckungsanspruch hätte Stellung nehmen müssen, und der verspäteten, im Übrigen jedoch dem § 158n Abs 1 VersVG entsprechenden Ablehnung des Deckungsanspruchs aufgelaufen sind. Dies gilt jedoch nicht für die Deckung solcher Kosten, die nach der vertraglichen Risikoumschreibung nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind (§ 158n Abs 3 VersVG).

In Art 6 ARB wird auf Art 9 ARB verwiesen. Dieser enthält in dessen Z 1 ‑ allerdings ohne den Hinweis auf die nötige Form der Ablehnung ‑ zwar den Text von § 158n Abs 1 VersVG. Sowohl in Art 6 als auch in Art 9 ARB fehlt aber die Sanktion des § 158n Abs 3 VersVG. Der Hinweis der Beklagten, sie behandle geltend gemachte Deckungsansprüche umgehend, kann ihr nichts nützen, weil eben die Sanktion für jene Fälle, in denen sie dies nicht tut, fehlt. Nach den Klauseln steht es ihr frei, den Zeitpunkt der Bestätigung des Versicherungsschutzes selbst zu wählen und damit zu bestimmen, welche Kosten gedeckt werden. Dafür gibt es keine sachliche Rechtfertigung.

Im Übrigen ist noch Folgendes zu bedenken:

In dem der Entscheidung 7 Ob 41/04m (RIS‑Justiz RS0119295) zu Grunde liegenden Verfahren hatte der Oberste Gerichtshof eine Klausel zu beurteilen, nach der der Versicherer im Falle einer Leistungspflicht die ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Deckungsanspruchs entstehenden Kosten, soweit sie für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers notwendig seien, übernehme. Die Klausel wurde nicht als zeitliche Risikobeschränkung, sondern als verhüllte Obliegenheit beurteilt. Nach Sinn und Zweck der Klausel hat nämlich der Versicherer nur ein Interesse an einem bestimmten Verhalten des Versicherungsnehmers, und zwar ihn vom Versicherungsfall entsprechend rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Auch wenn sich der Wortlaut der Klausel (möglicherweise auch von den Verfassern bezweckt) wie eine Risikobeschränkung liest, wird darin dennoch inhaltlich für den Versicherungsnehmer nur eine Obliegenheit statuiert, den Versicherer von einem Versicherungsfall, für den Deckung gewährt werden soll, unverzüglich zu informieren und den Deckungsanspruch geltend zu machen. Wenn sich der Versicherer nicht innerhalb der vierzehntägigen Frist äußert, kann er etwa die Klagseinbringung entsprechend dem übermittelten Entwurf nicht als Obliegenheitsverletzung geltend machen (RIS‑Justiz RS0124257).

Die Klausel, die sich auch hier wie eine Risikobeschränkung liest, aber nur eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers bestimmt, bei deren Verletzung der Kausalitätsgegenbeweis zulässig ist, ist auch intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG, weil der Versicherungsnehmer über seine Rechte im Unklaren ist.

Zu Klausel 3:

Art 9.5. Verlangt der Versicherungsnehmer die Durchführung eines Schiedsgutachterverfahrens, so muss er innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der (Teil‑)Ablehnung des Versicherers unter gleichzeitiger Benennung eines Rechtsanwalts die Einleitung des Schiedsgutachterverfahrens schriftlich beantragen.

Die Klägerin bringt vor, dass die Frist von 14 Tagen zu kurz bemessen sei und die Möglichkeit des Versicherungsnehmers untergrabe, das gegenüber einer Deckungsklage mit einem geringeren Kostenrisiko behaftete Schiedsgutachterverfahren zu beantragen. Dies bewirke eine gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers.

Die Beklagte wendet ein, dass für beide Parteien die gleiche Frist von zwei Wochen Geltung habe. Der Versicherungsnehmer müsse lediglich einen Anwalt namhaft machen und die Einleitung des Verfahrens beantragen. Der Gesetzgeber habe keine andere Frist vorgesehen.

Das Erstgericht erkannte die Klausel als nichtig. Die vierzehntägige Frist sei zu kurz für den Versicherungsnehmer, um einen Rechtsanwalt auszuwählen und mit ihm die Sach‑ und Rechtslage sowie die Aussichten und die Sinnhaftigkeit eines Schiedsgutachterverfahrens zu prüfen. Dies bewirke eine gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass viele Versicherungsnehmer, die eine (Teil‑)Ablehnung des Versicherers erhielten und bis zu diesem Zeitpunkt noch nie einen Rechtsanwalt kontaktiert hätten, nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten in der Lage seien, innerhalb einer bloß vierzehntägigen Frist einen geeigneten Rechtsanwalt auszuwählen, eine Terminvereinbarung zu treffen und im Zuge einer Besprechung ein Mandat zu erteilen, um in weiterer Folge unter gleichzeitiger Benennung eines Rechtsanwalts die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens schriftlich beantragen zu können. Dafür sei mindestens eine vierwöchige Frist, wie sie zum Beispiel der Gesetzgeber für die Klagsbeantwortung oder den Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl vorsehe, notwendig.

Es ist der Revision zuzugeben, dass § 158l Abs 3 VersVG keine Frist für die Beantragung eines Schiedsgutachterverfahrens vorsieht, sondern nur auf die im Versicherungsvertrag vereinbarte Frist verweist. Die Rechtsansicht der Beklagten, dass in diesem Fall jede Frist zulässig sei, ist aber nicht zu teilen. Versäumt der Versicherungsnehmer die Frist, dann kann er das schiedsgutachterliche Verfahren nicht mehr in Anspruch nehmen. Die Frist muss damit ‑ vergleichbar wie bei Verfallsklauseln (RIS‑Justiz RS0016688) ‑ so bemessen werden, dass dem Verbraucher die Rechtsverfolgung im Schiedsgutachterverfahren nicht unnötig erschwert oder unmöglich gemacht wird.

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass eine Frist von 14 Tagen für einen Verbraucher, der im täglichen Leben überwiegend nicht mit dieser Art von Rechtsfragen konfrontiert ist, zu kurz bemessen ist. Der Einwand, die Frist sei ohnehin paritätisch, überzeugt nicht. Die Position des Versicherers ist mit jener des Versicherungsnehmers nicht vergleichbar. Der Versicherer ist mit Rechtsfällen täglich konfrontiert und hat die geeignete Unternehmensstruktur geschaffen, um bei Bedarf umgehend ein Schiedsgutachterverfahren einzuleiten. Der durchschnittliche Verbraucher hingegen wird regelmäßig keinen Rechtsanwalt seines Vertrauens bei der Hand haben. Er bedarf einer umfassenden Beratung und braucht Zeit, um die Sach‑ und Rechtslage zu erwägen. Die von der Klausel vorgegebene kurze Frist behindert den Versicherungsnehmer unnötig, ohne dass dem ein (auch gar nicht behauptetes) berücksichtigungswürdiges Interesse des Versicherers gegenüber steht. Die Klausel benachteiligt den Verbraucher durch die kurze Frist gröblich nach § 879 Abs 3 ABGB.

Zu Klausel 4:

Art 15.2. …

Dem Versicherer gebührt die Prämie, die er hätte einheben können, wenn die Versicherung von vornherein nur bis zu diesem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem der Versicherer Kenntnis vom Risikowegfall erlangt. Der Versicherer ist berechtigt, die für die längere Vertragsdauer eingeräumten Prämiennachlässe (Dauerrabatt) nachzuverrechnen.

Die Klägerin bringt vor, dass die Klausel § 68 VersVG widerspreche und daher gegen § 879 Abs 1 ABGB verstoße. Für den Fall, dass eine Rückverrechnung des Dauerrabatts zulässig sei, sei die Bestimmung intransparent, weil der Regelungsinhalt unklar sei. Eine Dauerrabattrückforderung, bei der die Rückforderung mit längerer Vertragsdauer höher werde, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Insofern sei die Klausel nach § 879 Abs 3 ABGB unzulässig. Sie sei auch intransparent, weil sie offen lasse, wie eine allfällige Dauerrabattrückforderung berechnet werde.

Die Beklagte erwidert (soweit noch im Revisionsverfahren relevant), dass die Klausel nicht von § 68 Abs 2 VersVG abweiche. Es bestehe weder Unklarheit noch Intransparenz. Der Versicherungsnehmer könne beim Wegfall des versicherten Risikos die Höhe der Rückforderung selbst leicht berechnen, weil sich die degressive Berechnung der Rabattnachforderung aus dem Antrag für die Rechtsschutzversicherung ergebe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren in diesem Punkt ab. Die Berechnung der Prämie richte sich nach der tatsächlichen Laufzeit der Versicherung und sei danach objektiv feststellbar. Eine konkrete Berechnung im Rahmen von AGB sei nicht möglich. Diese hänge von der Gestaltung des einzelnen Vertragsverhältnisses ab.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts in diesem Punkt in eine Klagsstattgebung ab. Strittig sei nur die Auslegung des letzten Satzes der Klausel, wonach der Versicherer bei Risikowegfall berechtigt sei, die für eine längere Vertragsdauer eingeräumten Prämiennachlässe nachzuverrechnen. Die Klausel erlaube durchaus den Schluss, dass der Versicherer zu einer Nachverrechnung des gesamten für eine bestimmte ‑ länger als bis zum Risikowegfall währende ‑ Vertragsdauer vereinbarten Rabatts befugt sei, ohne darauf Bedacht nehmen zu müssen, welcher Zeitraum bis zum Risikowegfall verstrichen sei. Dass der Versicherungsnehmer durch eine derartige Kalkulationsmethode nach § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligt werde, ziehe auch die Beklagte nicht in Zweifel.

Fällt das versicherte Interesse nach dem Beginn der Versicherung weg, so gebührt dem Versicherer die Prämie, die er hätte erheben können, wenn die Versicherung nur bis zu dem Zeitpunkt beantragt worden wäre, in welchem der Versicherer vom Wegfall des Interesses Kenntnis erlangt hat (§ 68 Abs 2 VersVG). Auf eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von dieser Bestimmung abweicht, kann sich der Versicherer nicht berufen (§ 68a VersVG).

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs 2 VersVG soll der Versicherer die Prämie erhalten, die er erzielt hätte, wenn der Versicherungsvertrag von vornherein nur für den Zeitraum vom Abschluss des Vertrags bis zur Kenntnis vom Wegfall des versicherten Risikos abgeschlossen worden wäre (vgl auch Römer in Römer/Langheid , VVG 2 [aF], § 68 Rn 18; Kollhosser in Prölss/Martin , VVG 27 [aF], § 68 Rn 15). Dies bedeutet, dass dem Versicherungsnehmer nur ein Prämiennachlass zugute kommen kann, der dem entspricht, den der Versicherer gewährt hätte, wäre von vornherein ein Versicherungsvertrag nur für die genannte kürzere Dauer abgeschlossen worden. Ergibt sich eine Differenz zwischen dem schon gewährten Nachlass und dem nach der tatsächlichen Vertragsdauer zustehenden zu Lasten des Versicherers, ist der Versicherer berechtigt, diese Differenz vom Versicherungsnehmer zurückzufordern.

Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr die Auslegung des Texts der Klausel. Der erste Satz entspricht § 68 Abs 2 VersVG. Es ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass der zweite Satz die Aussage des ersten aber verändert. Bei kundenfeindlichster Auslegung ist die Beklagte nämlich mangels Einschränkung im zweiten Satz der Klausel entgegen dem Gesetzeswortlaut berechtigt, den gesamten bisher gewährten Prämiennachlass nachzuverrechnen, ohne dass es darauf ankäme, ob der tatsächlichen Vertragsdauer nicht auch ein Prämiennachlass (gleicher oder geringerer Höhe) entsprochen hätte. Dies ist ‑ was die Beklagte gar nicht bestreitet ‑ gröblich benachteiligend.

Der Hinweis der Beklagten auf Beil ./3 (Antrag auf Abschluss einer Rechtsschutzversicherung, in dem sich eine Tabelle über die Höhe von Nachlässen findet) kann schon deshalb zu keiner anderen Beurteilung führen, weil in der Klausel auf diese Tabelle nicht hingewiesen wurde. Abgesehen davon verlangt es schon das Transparenzgebot, dass die Klausel die Regelung der rückforderbaren Beträge entweder vollständig selbst wiedergibt oder zumindest einen leicht verständlichen Hinweis enthält, der die Auffindung einer entsprechenden Darstellung auch dem Durchschnittsverbraucher ermöglicht (RIS‑Justiz RS0122040, RS0122073 [T3], RS0115219).

Zu Klausel 5:

Art 15.3.2. Der Versicherer kann zum Schutz der versicherten Gemeinschaft vor überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Versicherung kündigen, wenn

‑ er den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht hat,

...

‑ die Kündigung ist innerhalb eines Monats vorzunehmen

‑ nach Bestätigung des Versicherungsschutzes,

‑ nach Erbringung einer Versicherungsleistung,

...

Die Klägerin stützt sich darauf, dass das gesetzliche Kündigungsrecht durch vertragliche Vereinbarung ausgedehnt werde. Es müsse für beide Parteien gleich ausgestaltet sein. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Klausel sei gröblich benachteiligend und verstoße gegen § 6 Abs 3 KSchG, weil dem Verbraucher verschleiert werde, dass eine Schadensfallkündigung nur dann vereinbart werden könne, wenn das Kündigungsrecht für beide Seiten gleich ausgestaltet sei.

Die Beklagte verweist darauf, dass im Bereich der Rechtsschutzversicherung der Grundsatz des paritätischen Kündigungsrechts nicht zwingend sei. Dem Versicherungsnehmer werde in jenen Fällen, in denen er ein Interesse an der Vertragsbeendigung habe, ein Kündigungsrecht eingeräumt. Die Vertragsbestimmung sei nicht unklar formuliert.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Wenn die Beklagte durch die Klausel ein uneingeschränktes Kündigungsrecht vom Bereich der Haftpflicht‑, Feuer‑ und Hagelversicherung auf den Bereich der Rechtsschutzversicherung ausweiten wolle, müsse sie dem Versicherungsnehmer ein paritätisches Kündigungsrecht einräumen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Klausel sei gröblich benachteiligend.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung. Das außerordentliche Kündigungsrecht des Versicherers stelle nicht darauf ab, ob der Versicherungsnehmer seine Vertragspflichten zumindest leicht fahrlässig verletzt habe, sondern knüpfe bloß an Umstände an, die außerhalb der Sphäre des Versicherungsnehmers lägen. Es fehlten Kriterien, anhand derer beurteilt werden könne, in welchen konkreten Konstellationen ein „Schutz der versicherten Gemeinschaft“ geboten sei. Das Kündigungsrecht sei damit an keine objektivierbaren Voraussetzungen geknüpft, sondern stünde unüberprüfbar im Ermessen des Versicherers. Zudem werde dem Versicherungsnehmer ein gleichartiges außerordentliches Kündigungsrecht nicht eingeräumt. Das imparitätische Kündigungsrecht sei gröblich benachteiligend.

Der Oberste Gerichtshof hat sich zwischenzeitig mit der Rechtsfrage, ob das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach §§ 96, 113 und 158 VersVG analog auch in der Rechtsschutzversicherung bestehe, auseinandergesetzt (7 Ob 212/11v, 7 Ob 215/11k). Danach handelt es sich bei der Rechtsschutzversicherung nicht um eine Sachversicherung, sondern mangels einer „versicherten Sache“ um eine passive Schadensversicherung (= RIS‑Justiz RS0127808). Da die ARB schon vor den Gesetzesnovellen ein imparitätisches Kündigungsrecht zu Lasten des Versicherungsnehmers vorsahen (und noch immer vorsehen), hätten sie eine korrigierende Reaktion des Gesetzgebers hervorrufen müssen, als die §§ 158j ff VersVG geschaffen wurden, hätte er ein paritätisches Kündigungsrecht aus der Sach‑ und der Haftpflichtversicherung auch für die Rechtsschutzversicherung übernehmen wollen. Die Schadensfallkündigung ist aber in der Rechtsschutzversicherung weiterhin nur in den ARB und nicht (auch) im VersVG geregelt. Eine analoge Anwendung des gesetzlich geregelten Kündigungsrechts im Schadensfall auf die Rechtsschutzversicherung kommt nicht in Betracht (= RIS‑Justiz RS0127809), sodass die Kündigungsrechte in der Rechtsschutzversicherung imparitätisch gestaltet werden können. Zu bedenken ist nämlich, dass in der Rechtsschutzversicherung einerseits die Konfliktmöglichkeiten zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags wesentlich geringer sind, andererseits als Besonderheit zum Teil auf die sogenannte Verstoßtheorie abgestellt wird. Es gilt in Teilen der Rechtsschutzversicherung, dass der Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten und Rechtsvorschriften ist. Würde man die Schadensfallkündigung dem Versicherungsnehmer unbeschränkt zugestehen (insbesondere auch im Rahmen des Beratungsrechtsschutzes), würde das wegen der leichten Einflussmöglichkeit des Versicherungsnehmers auf den Versicherungsfall zur jederzeitigen Auflösbarkeit des Versicherungsvertrags durch den Versicherungsnehmer führen. Ein derartiges Bedürfnis besteht im Hinblick auf § 8 VersVG nicht.

Auch wenn das Kündigungsrecht in der Rechtsschutzversicherung nicht vollständig paritätisch sein muss, bedeutet dies nicht, dass sich der Versicherer ein unbeschränktes Kündigungsrecht einräumen und damit den Versicherungsnehmer, der nur eingeschränkte Kündigungsmöglichkeiten hat, gröblich benachteiligen darf.

Zur Sachversicherung wurde ausgesprochen, dass der Kündigungsgrund nach dem Versicherungsfall überwiegend dem Interesse des Versicherungsnehmers dient, der ihn auch häufiger in Anspruch nimmt als der Versicherer (7 Ob 146/11p; RIS‑Justiz RS0117830). Durch die strittige Klausel soll aber der Versicherer begünstigt werden.

In der Lehre wird die Ansicht vertreten, dass § 158 VersVG Leitbildfunktion zukomme ( Fenyves in Fenyves/Kronsteiner/Schauer , VersVG-Novellen, § 108 Rz 4; Kriegner , Günstigeres Kündigungsrecht des Rechtsschutzversicherers im Schadenfall rechtswidrig?, ecolex 2006, 891 [892]). Nach Kriegner (aaO 893) ist die Einräumung eines unbeschränkten Kündigungsrechts an den Versicherer nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig. Gruber (in FS Migsch [2004], Die Kündigung im Schadensfall, 108) meint, dass ein einseitiger Ausschluss oder eine wesentliche Einschränkung des Kündigungsrechts für den Versicherungsnehmer einer Inhaltskontrolle nicht stand halte. Fenyves (aaO) vertritt die Ansicht, der Grundsatz der Parität des Kündigungsrechts nach Eintritt des Versicherungsfalls werde zumindest im Wege der Inhaltskontrolle auf die AVB ausstrahlen.

Zur vergleichbaren alten Rechtslage in Deutschland hat der BGH (IV ZR 130/90) ausgesprochen, dass unabhängig davon, ob man aus den §§ 96, 113, 158 VVG einen allgemeinen Grundgedanken des Versicherungsrechts ableiten wolle oder nicht, die Vereinbarung eines unbeschränkten Kündigungsrechts im Schadensfall für den Versicherer unwirksam sei, wenn nicht dem Versicherungsnehmer unter gleichen Bedingungen das gleiche Recht eingeräumt werde. Das verschuldensunabhängige Kündigungsrecht könne nicht wirksam in AVB zu Lasten des Versicherungsnehmers eingeschränkt werden. Es sei nicht zulässig, dass sich der Versicherer, wie es seinen Wünschen und Vorstellungen entspreche, ein Kündigungsrecht einräume. Dies halte der Inhaltskontrolle nicht stand und widerspreche auch dem Gebot von Treu und Glauben, weil es den Versicherungsnehmer unangemessen benachteilige. Prölss (in Prölss/Martin , VVG 27 [aF], § 8 Rn 5) vertritt, dass AVB nichtig seien, wenn sie dem Versicherungsnehmer anlässlich des Schadensfalls nicht unter gleichen Bedingungen ein Kündigungsrecht einräumten wie dem Versicherer.

Nach den vorliegenden ARB kann der Versicherer den Versicherungsvertrag kündigen, wenn er den Versicherungsschutz bestätigt oder eine Leistung erbracht hat, der Versicherungsnehmer einen Anspruch arglistig oder mutwillig erhoben oder den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Der Versicherungsnehmer kann den Versicherungsvertrag kündigen, wenn der Versicherer die Bestätigung des Versicherungsschutzes verzögert oder die Ablehnung des Versicherungsschutzes verspätet, ohne Begründung, zu Unrecht, ohne Angabe von Gründen und/oder ohne Hinweis auf die Möglichkeit eines Schiedsgutachterverfahrens ausgesprochen hat.

Nach der Klausel steht der Beklagten de facto ein uneingeschränktes Kündigungsrecht im Schadensfall zu, weil der Zusatz, dass die Kündigung (nur) „zum Schutz der versicherten Gemeinschaft vor überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Versicherung“ erfolgen werde, keine objektivierbaren Kriterien festlegt. Die Kündigung wird damit in das freie Ermessen der Beklagten gestellt. Sie räumt sich die Möglichkeit ein, Prämien während eines beliebig langen Zeitraums zu lukrieren und beim ersten Schadensfall den Versicherungsvertrag zu kündigen. Dass dies gröblich benachteiligend ist, liegt auf der Hand. Eine sachliche Rechtfertigung dafür ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn dem Versicherungsnehmer ‑ wie hier ‑ nur ein beschränktes Kündigungsrecht im Schadensfall zusteht.

Dem Versicherungsnehmer wird nämlich durch die ARB nur ein sehr eingeschränktes Kündigungsrecht eingeräumt. Gerade dann, wenn ein imparitätisches Kündigungsrecht zu Lasten des Versicherungsnehmers zulässig ist, müssen die Voraussetzungen für das Kündigungsrecht des Versicherers besonders genau präzisiert und objektivierbar sein, um beurteilen zu können, ob es im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB auch sachlich gerechtfertigt ist. Die Klausel ist nach § 879 Abs 3 ABGB nichtig.

Der Kostenvorbehalt im Teilurteil gründet sich auf § 52 Abs 4 ZPO.

Zu 3.:

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, im Rahmen des Abschlusses von Versicherungsverträgen bei der Vorschreibung von Versicherungsprämien im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten von Kunden, die sich für die Zahlungsweise Zahlschein entscheiden, wie auch immer bezeichnete Entgelte, insbesondere eine Zahlscheingebühr, die bei anderen Zahlungsweisen wie etwa Einziehungsermächtigung und Kundenkonto nicht verlangt würden, zu verlangen. Die Einhebung einer Zahlscheingebühr verstoße gegen § 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG, weil die Einhebung von Entgelten durch Zahlungsempfänger im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig sei. Die zitierte Bestimmung gehe § 41b VersVG als lex posterior und specialis vor.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Die Klägerin sei nicht berechtigt, die Einhebung einer Zahlscheingebühr, die nicht auf AGB oder einem Vertragsformblatt gegründet sei, im Verbandsprozess zu verfolgen, weil weder § 28 KSchG noch § 28a KSchG anwendbar seien. Die Begünstigung effizienter Zahlungsinstrumente beeinträchtige keine allgemeinen Interessen. Die Zahlscheingebühr basiere auf § 41b VersVG. Die Bestimmungen des ZaDiG seien auf Versicherer nicht anwendbar. Es seien keine Übergangsbestimmungen für bestehende Verträge vorgesehen, wodurch in die Kalkulationsgrundlage und damit in die Eigentumsfreiheit der Beklagten eingegriffen werde.

Das Erstgericht gab dem Begehren statt. Unter § 28a KSchG fielen auch Verstöße gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten. § 27 Abs 6 ZaDiG beziehe sich ausdrücklich auf den Zahlungsempfänger und sei unmittelbar auf diesen anwendbar. Durch die Zahlscheingebühr seien die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt. § 41b VersVG werde durch § 27 Abs 6 ZaDiG verdrängt, sodass die Einhebung eines Entgelts durch den Zahlungsempfänger im Fall der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung. Die Einhebung einer Zahlscheingebühr durch den Zahlungsempfänger verstoße gegen den unmissverständlichen Wortlaut des § 27 Abs 6 Satz 2 ZaDiG. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten seien nicht stichhältig, weil der Gesetzgeber durch die Untersagung sehr geringer Zusatzentgelte von seinem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum in zulässiger Weise Gebrauch gemacht habe. § 27 Abs 6 ZaDiG sei gegenüber § 41b VersVG nicht nur lex posterior, sondern auch lex specialis. Dadurch solle ein für alle Sparten geltendes Sonderzivilrecht für Zahlungsdienste geschaffen werden. Die Klägerin sei nach § 28a Abs 1 KSchG berechtigt, den Verstoß (das Zahlungsinstrument solle für die Verbraucher unattraktiv gemacht werden) geltend zu machen.

Das Revisionsverfahren ist zu unterbrechen .

Gemäß § 28a Abs 1 KSchG kann unbeschadet des § 28 Abs 1 KSchG auf Unterlassung geklagt werden, wer im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten gegen ein gesetzliches Verbot oder Gebot verstößt und dadurch die allgemeinen Interessen der Verbraucher beeinträchtigt. Damit wird die RL 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 5. 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen umgesetzt. Nach den ErlRV 1998 BlgNR XXI. GP (abgedruckt in Die Konsumentenschutzgesetze, Pro Libris, § 28a, 232) soll mit dieser Bestimmung der Anwendungsbereich der Verbandsklage des KSchG über verbots‑ oder sittenwidrige Bedingungen in AGB und Vertragsformblättern hinaus (§ 28 KSchG) auf jegliche unerlaubte Handelspraktiken ausgedehnt werden, die im Zusammenhang mit Geschäftsfällen stehen, die im Binnenmarkt einen besonderen gemeinschaftlichen Schutz des Verbrauchers erfordern. Im Verein mit § 28 KSchG werden demnach von der Verbandsklage sämtliche rechtswidrigen Geschäftspraktiken (gemeint sind regelmäßig wiederkehrende unlautere Verhaltensweisen eines Unternehmers) erfasst, die in den Schutzbereich der in der Unterlassungsklagen‑Richtlinie aufgezählten Verbraucher‑ schutz‑Richtlinien fallen. Eine Aufzählung aller derzeit in Betracht kommenden gesetzlichen Regelungen im Schutzbereich dieser Richtlinien ist angesichts der Vielfalt des Geschäftslebens nicht möglich. Die Reichweite der Verbandsklage kann nur beispielhaft angedeutet werden. Es kommen daher nicht nur alle nach dem österreichischen Beitritt zur EU ergangenen legislativen Umsetzungsmaßnahmen in Betracht, sondern auch alle darüber hinaus vorgesehenen Schutzmaßnahmen (wie etwa die meisten Regelungen der KSchG‑Novelle 1997) sowie zahlreiche Rechtsvorschriften des KSchG und des ABGB, die schon zuvor Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung gewesen sind und dem Schutz des Geschäftspartners dienen. Die Entscheidung, welche Gesetzesverletzungen die kollektiven Interessen der Verbraucher im Schutzbereich der Richtlinien beeinträchtigen (können), soll der einzelfallbezogenen Beurteilung durch die Gerichte überlassen bleiben. Die gesetzlichen Interessenvertretungen (§ 29 KSchG) können daher nicht nur ‑ wie schon bisher ‑ verbots‑ oder sittenwidrige Inhalte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, sondern beispielsweise auch andere verbots‑ oder sittenwidrige Handlungen, gesetzwidrige Unterlassungen (etwa einer gesetzlich vorgesehenen Belehrung oder Mindestinformation) sowie unzulängliche oder zwar im Einzelfall ausverhandelte, dennoch aber unzulässige Vertragsinhalte zum Gegenstand einer Verbandsklage machen. Weitere Voraussetzung ist lediglich, dass es sich dabei um Ausprägungen einer unlauteren Geschäftspraxis zum Nachteil der Verbraucher handelt, denen für eine Vielzahl von Verträgen oder außervertraglichen Rechtsverhältnissen in den genannten Geschäftsbereichen Bedeutung zukommt. Bei Massengeschäften wird dies in der Regel zu bejahen sein. Damit soll jedem nach dem Gesetz für unzulässig befundenen Verhalten, das sich zu einer Praxis des jeweiligen Unternehmers entwickelt hat, wirksam vorgebeugt werden können. Nur vereinzelt oder gelegentlich vorkommende Unregelmäßigkeiten sollen von der Verbandsklage nicht erfasst werden.

Die RV zu BlgNR I 66/2009 verweist zu § 28a Abs 1 KSchG, darauf, dass Art 80 Abs 1 der RL 2007/64/EG (über Zahlungsdienste im Binnenmarkt) umgesetzt wird. Hiemit wird sichergestellt, dass die Verbraucherschutzverbände ausreichende Beschwerde‑ und Rechtsmittelmöglichkeiten im Bereich der Zahlungsdienste haben.

Von § 28a Abs 1 KSchG sollen also gerade Fälle wie der vorliegende erfasst werden, bei denen ein gesetzwidriges Verhalten gesetzt wird, ohne dass der Unternehmer AGB oder allgemeine Vertragsformblätter verwendet. Die Bestimmung bezieht sich auf gesetzwidriges Verhalten „im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten“. Eine Beschränkung auf die Handlungen von Zahlungsdienstleistern erfolgt nicht. Damit wird auch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen einem Unternehmer, der nicht selbst Zahlungsdienstleister ist, und Verbrauchern eingeschlossen, zumal der Verbraucherschutzgedanke in diesem Zusammenhang derselbe ist. Da nach § 27 Abs 6 ZaDiG die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments unzulässig ist, muss es den Verbänden möglich sein, allfällig rechtswidrige Geschäftspraktiken von Unternehmern zu verfolgen. Die Klägerin ist daher klagslegitimiert.

Die beanstandete Verhaltensweise muss, damit sie nach § 28a KSchG geltend gemacht werden kann, für eine Vielzahl von Verträgen oder außervertraglichen Rechtsverhältnissen von Bedeutung sein, was vor allem bei gesetzwidrigen Verhaltensweisen im Massengeschäft der Fall ist (RIS‑Justiz RS0121961).

Der Einwand der Beklagten, nur 0,107 % ihrer Kunden seien von der Zahlscheingebühr betroffen, sodass die allgemeinen Interessen von Verbrauchern durch ihre Geschäftspraxis nicht beeinträchtigt seien, überzeugt nicht. Dass die Beklagte als Versicherer ein Massengeschäft betreibt, kann nicht zweifelhaft sein. Wird im Massengeschäft generell von allen Kunden gefordert, dass sie bei der Verwendung von Zahlscheinen ein zusätzliches Entgelt entrichten müssen, so betrifft dies nicht 0,107 % der Geschäftsfälle, sondern alle. Gerade der Umstand, dass nur 0,107 % der Kunden der Beklagten mit Zahlscheinen zahlen, belegt, dass die Entgeltforderung der Beklagten Wirkung zeigt und sich viele Kunden aus diesem Grund für eine andere, entgeltfreie Zahlungsart entscheiden. Es besteht ein allgemeines Interesse der Verbraucher zu klären, ob von der Beklagten eine Zahlscheingebühr verlangt werden darf oder nicht. Die Klägerin ist daher berechtigt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen.

Im Sinn von § 104 Abs 2 Z 2 VAG besteht der Grundsatz, dass Versicherte durch das Leistungsversprechen des Versicherers oder das vereinbarte Versicherungsentgelt ohne sachlichen Grund nicht begünstigt werden dürfen. Dennoch ist der Einwand der Beklagten, die Höhe der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämie habe dem in die Risikogemeinschaft eingebrachten Risiko zu entsprechen (Grundsatz der Risikogerechtigkeit der Prämie), eine pauschale Verrechnung von Verwaltungskosten an alle Versicherungsnehmer, also auch an solche, die sich nicht der Zahlung mittels Zahlscheins bedienten, laufe dem zuwider, nicht überzeugend. Bei der Erhebung einer Zahlscheingebühr handelt es sich ‑ wie die Beklagte selbst erkennt ‑ um einen Teil der Verwaltungskosten und nicht um die Ausmessung der vom versicherten Risiko abhängigen Prämie. Dieser Verwaltungskostenanteil kann naturgemäß nur pauschal und nicht individuell veranschlagt werden. Es wird dem einzelnen Versicherungsnehmer nicht jeder Aufwand, der mit ihm und seinem Vertrag konkret verbunden ist, gesondert verrechnet. Dieser Verwaltungskostenanteil wird nach dem durchschnittlichen Verwaltungsaufwand pro Versicherungsnehmer ermittelt. Da ‑ wie die Beklagte selbst vorbringt ‑ nur ein ganz geringer Teil der Kunden ihre Prämien mit Zahlscheinen zahlen, ist nicht erkennbar, dass dieser Vorgang überhaupt zu einer relevanten Erhöhung des durchschnittlichen Verwaltungskostenanteils führen könnte. Ein Eingriff in die Risikogerechtigkeit ist nicht zu erkennen.

Nach § 41b VersVG darf der Versicherer neben der Prämie nur solche Gebühren verlangen, die der Abgeltung von Mehraufwendungen dienen, die durch das Verhalten des Versicherungsnehmers veranlasst worden sind; die Vereinbarung anderer Nebengebühren ist unwirksam. Nach § 27 Abs 6 zweiter Satz ZaDiG ist die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments nicht zulässig. Die zuletzt genannte Bestimmung ist die jüngere und speziellere. Wäre § 27 Abs 6 ZaDiG auch auf die Beklagte anwendbar und fielen darunter auch Zahlscheine, so würde § 41b VersVG durch diese Bestimmung eingeschränkt und die Verwendung von Zahlscheinen nicht zu einem vom Versicherungsnehmer verursachten Mehraufwand. Wenn ein gesetzliches Verbot gegen die Einhebung gesonderter Entgelte durch den Zahlungsempfänger bestehen würde, käme es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer durch den Zahlungsvorgang weniger leicht in Prämienverzug geraten und daher auch zum Teil einen (aufgedrängten) Vorteil daraus ziehen könnte.

Es muss also beurteilt werden, ob die Beklagte mit dem Verlangen einer Zahlscheingebühr gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Dazu ist derzeit ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anhängig:

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. 11. 2011 zu 10 Ob 31/11y folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Ist Art 52 Abs 3 der RL 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 13. 11. 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt dahin auszulegen, dass er auch auf das Vertragsverhältnis zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinen Privatkunden (Verbraucher) als Zahler Anwendung zu finden hat?

2. Sind ein vom Zahler eigenhändig unterschriebener Zahlschein bzw das auf einem unterschriebenen Zahlschein beruhende Verfahren zur Erteilung von Überweisungsaufträgen sowie das zur Erteilung von Überweisungsaufträgen im Online‑Banking (Telebanking) vereinbarte Verfahren als 'Zahlungsinstrumente' im Sinn von Art 4 Z 23 und des Art 52 Abs 3 der RL 2007/64/EG anzusehen?

3. Ist Art 52 Abs 3 der RL 2007/64/EG dahin auszulegen, dass er der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften entgegensteht, die ein generelles und insbesondere nicht zwischen verschiedenen Zahlungsinstrumenten differenzierendes Verbot der Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger vorsehen?“

Die Vorlagefragen sind auch im vorliegenden Rechtsfall, in dem ein Versicherer Zahlungsempfänger ist, entscheidend. Die Vorabentscheidung des EuGH ist über den Anlassfall hinaus zu beachten. Ein späteres Verfahren (wie das vorliegende), das die gleichen Rechtsfragen betrifft, ist nach ständiger Rechtsprechung aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (9 Ob 59/11h, 1 Ob 124/11h, RIS‑Justiz RS0127240, RS0110583).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte