OGH 8ObA41/16m

OGH8ObA41/16m28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Schleinzer und Mag. Regina Albrecht als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. S***** Z*****, vertreten durch die Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit‑Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei G***** eingetragene GenmbH, 1230 Wien, Untere Aquäduktgasse 7, vertreten durch die Lattenmayr, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (BEinstG), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. April 2016, GZ 7 Ra 100/15z‑32, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00041.16M.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Entlassungsrecht muss grundsätzlich unverzüglich ausgeübt werden. Dafür ist maßgebend, dass der Entlassungsgrund dem Dienstgeber bekannt geworden ist (RIS‑Justiz RS0029131).

Das vom Berufungsgericht erzielte Ergebnis, wonach der Kläger einen Verzicht der Beklagten auf das Entlassungsrecht im Zusammenhang mit der von ihm geforderten Prozesskostenablöse nicht hätte annehmen können, ist nicht unvertretbar. In der Berufungsbeantwortung hat der Kläger die beiden im Verfahren thematisierten Versicherungsangelegenheiten selbst als „aktuelle Entlassungsgründe“ qualifiziert. Eine Verfristung hat er in dieser Hinsicht damit nicht mehr geltend gemacht.

2. Die Beurteilung, ob ein Entlassungsgrund verwirklicht ist und ob das dem Dienstnehmer angelastete Fehlverhalten derart schwerwiegend ist, dass dem Dienstgeber die Weiterbeschäftigung nicht mehr zugemutet werden kann, stellt eine typische Frage des Einzelfalls dar (RIS‑Justiz RS0106298; 8 ObA 53/15z).

Bei Beurteilung des Entlassungstatbestands der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 dritter Fall AngG ist das Berufungsgericht von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Zur Verwirklichung des genannten Entlassungsgrundes reicht fahrlässiges Verhalten aus. Schädigungsabsicht oder Eintritt eines Schadens sind nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0029652).

Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Erklärungen des Klägers gegenüber dem Versicherungsbetreuer eine unzulässige Verknüpfung seiner privaten Forderungen mit seiner Leitungsfunktion bei der Beklagten darstellten und mit Rücksicht auf das Gesamtverhalten des Klägers und seine leitende Stellung bei der Beklagten der in Anspruch genommene Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit erfüllt sei, hält sich innerhalb des Beurteilungsspielraums, der dem Berufungsgericht eingeräumt ist. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt demnach nicht vor.

3. Nach objektivem Verständnis hat der Kläger mit seinen Erklärungen gegenüber dem Versicherungsbetreuer im Zusammenhang mit der Prozesskostenablöse seine berufliche Leitungsfunktion bei der Beklagten – ohne inneren Sachzusammenhang und damit rechtswidrig – ausgenützt, um von der Versicherung (als Rechtsschutzversicherer) eine von ihm gewünschte Erledigung (Zahlung einer zufriedenstellenden Prozesskostenablöse) in einem privaten Schadensfall zu erlangen. Dies ist ihm auch gelungen, wobei sich der Versicherungsbetreuer aufgrund des Hinweises des Klägers auf die Bedeutung der Beklagten für die Versicherung unter Druck gesetzt gefühlt hat.

Der Kläger beharrt auf seiner Ansicht, dass es sich um eine berechtigte Interessenverfolgung gehandelt habe. Für die Verflechtung der wirtschaftlichen Bedeutung der Beklagten als Versicherungsnehmerin mit der Verfolgung seiner privaten Interessen trifft dies freilich nicht zu. Ob der Versicherung ein Schaden entstanden ist, bleibt letztlich unerheblich. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, die übrigen festgestellten Vorfälle würden die Neigung des Klägers belegen, seine berufliche Position für unangemessene Verhaltensweisen auszunützen, erweist sich ebenfalls als nicht unvertretbar.

4. Entgegen dem Verständnis des Klägers hat das Berufungsgericht die Angelegenheit mit der Prozesskostenablöse als einen die erforderliche Mindestintensität aufweisenden Anlass für die Entlassung, also als geeigneten Anlassfall für den Ausspruch der Entlassung qualifiziert. Mit Rücksicht auf den Kenntnisstand der Beklagten handelt es sich dabei auch um einen nicht verfristeten und in diesem Sinn „aktuellen“ Entlassungsgrund.

Die vom Berufungsgericht angesprochene „große Geschäftsbeziehung bzw ökonomische Bedeutung“ der Beklagten für die Versicherung ist keineswegs inhaltsleer. Nach den Feststellungen haben die Erklärungen des Klägers den Versicherungsbetreuer dazu bewogen, mit dem Leiter der Schadensabteilung zu sprechen, weil es nach der Beurteilung des Versicherungsbetreuers um große Geschäftsbeziehungen gegangen ist, was er dem Leiter der Schadensabteilung auch mitgeteilt hat. Aus Sicht der Versicherung war es somit von wirtschaftlich relevanter Bedeutung, die Beklagte als Versicherungsnehmerin zu behalten.

5. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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