OGH 9Ob36/16h

OGH9Ob36/16h24.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J*****, vertreten durch Dr. Manfred Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Sonja Hebenstreit, Rechtsanwältin in Wien, wegen 2.155,77 EUR sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. März 2016, GZ 40 R 60/16v‑17, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 10. April 2015, GZ 4 C 9/13i‑9, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00036.16H.0624.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 349,46 EUR (darin 58,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Beklagte ist Mieter einer im Eigentum des Klägers stehenden Wohnung. Das Erstgericht erkannte ihn schuldig, dem Kläger 2.155,77 EUR sA an offenen Gas‑ und Stromkosten für diese Wohnung zu zahlen.

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Beklagten wies das Berufungsgericht zurück. Da Gegenstand des Verfahrens eine Zahlung über 2.155,77 EUR sei, könne das Urteil des Erstgerichts nach § 501 Abs 1 ZPO nur wegen Nichtigkeit und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werden. Eine Streitigkeit nach § 502 Abs 5 ZPO liege nicht vor. Da der Beklagte in seiner Berufung ausschließlich unzulässige Berufungsgründe, nämlich unrichtige Beweiswürdigung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend mache, sei die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen. In eventu wird beantragt, den Beschluss aufzuheben und der Berufung Folge zu geben.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil gegen den Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückweist, gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erhoben werden kann (RIS‑Justiz RS0043893, RS0098745). Er ist aber nicht berechtigt.

Der Beklagte macht geltend, dass es sich bei der vorliegenden Streitigkeit um eine Rechtssache im Sinn des § 501 Abs 2 iVm § 502 Abs 5 Z 2 ZPO handle, weshalb die Berufungsgründe nicht auf die in § 501 Abs 1 ZPO genannten beschränkt seien. Der Kläger mache eine Forderung aus angeblich ausstehenden Strom‑ und Gaskosten, damit auf einen Teil des Mietzinses, geltend. Die Feststellungen beträfen den Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung, damit den Mietvertrag. Die Frage nach dem Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags stelle somit die Hauptfrage der Streitigkeit dar.

Nach § 501 Abs 1 ZPO ist dann, wenn das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geld oder Geldeswert 2.700 EUR nicht übersteigt, das Urteil nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrunde liegenden unrichtigen Beurteilung bekämpfbar. In Rechtsstreitigkeiten mit einem diese Bagatellgrenze nicht übersteigenden Streitgegenstand, in denen ausschließlich andere als die in § 501 Abs 1 ZPO genannten Berufungsgründe geltend gemacht werden, sind Berufungen als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041863). Eine sachliche Entscheidung ist nur dann zu treffen, wenn zulässige Berufungsgründe geltend gemacht und inhaltlich ausgeführt werden (7 Ob 185/09w ua).

§ 501 Abs 1 ZPO gilt nach seinem Abs 2 nicht für die in § 502 Abs 4 und 5 ZPO bezeichneten Streitigkeiten. Der Beklagte beruft sich auf § 502 Abs 5 Z 2 ZPO, behauptet daher das Vorliegen einer Streitigkeit, in der über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Bestandvertrags entschieden wird (§ 49 Abs 2 Z 5 JN).

Zweck dieser Sonderregelung ist, dass die Rechtsmittelbeschränkungen in jenen Fällen nicht gelten, in denen der Verlust des Bestandobjekts droht. Zur Lösung von Abgrenzungsfragen ist darauf abzustellen, ob etwas mit der Frage der Auflösung des Bestandvertrags so eng zusammenhängt, dass ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit unbefriedigend wäre (RIS‑Justiz RS0120190).

Unter die Ausnahme fällt daher nicht nur der Ausspruch über die Kündigung, die Räumung oder das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags, sondern auch die gleichzeitige Entscheidung über andere Ansprüche, soweit sie unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallen, etwa über einen Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses. Ein solch enger Zusammenhang mit der Frage der Auflösung des Bestandvertrags ist aber bei einer ausschließlich auf Zahlung gerichteten Klage ohne gleichzeitige Entscheidung über die Kündigung, Räumung oder des Bestehen oder Nichtbestehen des Bestandvertrags nicht gegeben (RIS‑Justiz RS0042922). Die Ausnahme gilt nämlich dann nicht, wenn die Kündigung, die Räumung oder die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des Vertrags nicht Gegenstand des Verfahrens sondern lediglich als Vorfrage zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0043006, RS0042950).

Das ausschließlich auf Zahlung gerichtete Klagebegehren unterliegt daher, wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, der Rechtsmittelbeschränkung des § 501 Abs 1 ZPO. Da die Berufung nur unzulässige Inhalte aufwies, wurde sie zu Recht zurückgewiesen. Dem Rekurs des Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei steht nur der einfache Einheitssatz zu.

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