OGH 9Ob30/16a

OGH9Ob30/16a24.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei G***** A*****, vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. P***** H*****, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei DDr. R***** P*****, vertreten durch Berger & Partner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 224.700 EUR sA (Revisionsinteresse: 223.228,08 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2016, GZ 3 R 160/15t‑26, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. September 2015, GZ 13 Cg 60/14z‑19, teilweise Folge und jener der beklagten Partei nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00030.16A.0624.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.702,34 EUR (darin 450,39 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die ordentliche Revision des Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a ZPO) – nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Im revisionsgegenständlichen Treuhandauftrag (Pkt 4.3. und 4.4.) hatten der Kläger und der Nebenintervenient als Treugeber sowie der Beklagte als Treuhänder vereinbart, dass der Treuhänder unverzüglich nach eintragungsfähiger Demissionierung des Nebenintervenienten als Stiftungsrat einer Stiftung die Treugeber davon unter Beischluss der jeweiligen Urkunden schriftlich informieren sollte, dem Kläger die „Belege“ für Kosten einer der Stiftung nahestehenden GmbH in liqu (in der der Nebenintervenient Organstellung gehabt hatte) und des Beklagten zur Verfügung stellen sollte und nach Eingangsbestätigung den Treuhandbetrag an den Nebenintervenienten an ein von diesem bekanntzugebendes Konto überweisen sollte. Weiter war vereinbart, dass der Treuhänder dann, wenn die Auszahlungsvoraussetzungen nicht fristgerecht und vollständig geschaffen sein sollten, den gesamten Treuhanderlag zuzüglich der angereiften Zinsen abzüglich KESt und Kontoführungsspesen an den Kläger zurückzuüberweisen hatte.

3. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die vom Beklagten vorgenommenen Auszahlungen aus dem Treuhanderlag des Klägers an den Nebenintervenienten und an sich selbst grob fahrlässig gewesen seien, weil die Auszahlungen nicht schon bei Vorlage diverser Rechnungen, sondern erst bei Nachweis ihrer Zahlung erfolgen hätten dürfen. Der Kläger sei nach Fälligstellung der Belegvorlage und Fristsetzung mangels eines ordnungsgemäßen Zahlungsnachweises implizit von der Treuhandvereinbarung zurückgetreten. Es sei von einem Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Treuhanderlags durch den Beklagten auszugehen, den dieser aufgrund der treuwidrigen Auszahlung nicht erfüllen könne. Die Verminderung des Treuhanderlags infolge treuwidrigen Verhaltens des Beklagten begründe einen Schadenersatzanspruch des Klägers als Treugeber.

4. In Entsprechung des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts begründet der Beklagte das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage damit, dass der Kläger nur die Wiederherstellung des Treuhanderlags (3 Ob 23/14z), nicht jedoch die direkte Rückzahlung des Treuhanderlags an sich verlangen könne, weil letzteres der Sicherungsfunktion der Treuhand widerspreche und auch der Zustimmung des Nebenintervenienten bedurft hätte. Auf diese Fragen kommt es hier jedoch nicht an.

5. Auch wenn die rechtswidrige Verminderung des Treuhanderlags aus schadenersatzrechtlichen Erwägungen einen Anspruch auf Wiederherstellung des Treuhanderlags begründen kann, ist hier nicht zu übersehen, dass der Treuhänder vertraglich zur Rücküberweisung des Treuhanderlags für den Fall verpflichtet war, dass die Auszahlungsvoraussetzungen nicht fristgerecht und vollständig geschaffen sein sollten. In Ansehung vertretbarer Sachen schadet es auch nicht, wenn das Erlangte selbst nicht mehr vorhanden ist (s 2 Ob 87/00h; Strasser in Rummel ABGB 3 § 1009 Rz 23 mwN).

6. Die Frage, ob die Auszahlungsbedingungen erfüllt waren, hat das Berufungsgericht zutreffend am Willen der Streitteile gemessen und in vertretbarer und nicht weiter korrekturbedürftiger Weise verneint. Davon ausgehend war der Beklagte schon vertraglich verpflichtet, die Erlagssumme samt Anhang an den Kläger zurückzuüberweisen. Das entspricht auch dem Ansinnen des Beklagten selbst, dass der Kläger so zu stellen ist, wie er im Fall der ordnungsgemäßen, dh vertragskonformen Abwicklung der Treuhand durch den Beklagten gestellt wäre. Der Rückerstattungsanspruch des Klägers besteht daher zu Recht.

7. Die in der Revision zitierten Fälle 1 Ob 89/08g und 5 Ob 588/87 stützen die Ansicht des Revisionswerbers schon deshalb nicht, weil der Treuhänder in jenen Fällen keine Auszahlungen (eines Teilbetrags) vorgenommen hatte und die Klagsseite als Verkäufer vom Treuhänder die Auszahlung eines Teils des Treuhanderlags bei aufrechtem Treuhandvertrag (1 Ob 89/08g) bzw von den Käufern die Zustimmung zur Ausfolgung des Treuhanderlags (5 Ob 588/87) verlangt hatte. In keinem der Fälle war die Treuhandvereinbarung beendet. Auch den Entscheidungen 3 Ob 23/14z und 4 Ob 3/14s lagen keine vergleichbaren Konstellationen zugrunde.

8. Mit seinem weiteren Revisionsvorbringen zielt der Beklagte auf eine andere Auslegung des Treuhandvertrags ab. Insbesondere sei er nicht verpflichtet gewesen, auch die Vorlage von Zahlungsbelegen zu überprüfen.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Auch der Auslegung einzelner Bestimmungen eines Treuhandvertrags kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0107573). Das ist auch hier nicht der Fall. Bei einer Formulierung wie der streitgegenständlichen („die Belege für Kosten der … GmbH … im Original zur Verfügung zu stellen“) liegt die Annahme des Berufungsgerichts, dass nur tatsächlich bezahlte Kosten vom Kläger refundiert werden sollten, näher als die vom Beklagten angestrebte Auslegung. Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht vor, war doch die Frage, ob auch Zahlungsnachweise gefordert seien, schon Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens.

Der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensmangel wurde vom Revisionsgericht geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

9. Bei der Frage, ob ein Rechtsanwalt bei der Abwicklung einer mehrseitigen Treuhandschaft seiner hohen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, handelt es sich um eine Beurteilung im Einzelfall, da es immer auf die jeweilige konkrete Vereinbarung ankommt (RIS‑Justiz RS0107573). Die übereinstimmende Ansicht der Vorinstanzen, dass die Auszahlung des Beklagten – insbesondere angesichts des seit Jahren zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten schwelenden Abrechnungskonflikts – dieser Anforderung nicht entsprach, ist hier nicht weiter zu beanstanden.

10. Auch die Frage, ob der Kläger in seiner Korrespondenz ausreichend deutlich zum Ausdruck brachte, aufgrund eines Verzugs des Beklagten den Vertragsrücktritt zu erklären, und ob die gewährte Nachfrist angemessen war, geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus.

11. Schließlich liegt hinsichtlich der – nach der Beurteilung der Vorinstanzen nicht zu Recht bestehenden – Gegenforderung des Beklagten keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vor. Dass die Auszahlungen des Treuhänders an den Nebenintervenienten Tilgungswirkung gehabt hätten, ist den Begründungen der Vorinstanzen nicht zu entnehmen. Vielmehr gingen sie zutreffend davon aus, dass aktuell keine offene Forderung des Nebenintervenienten ersichtlich ist, die er an den Beklagten abgetreten haben könnte. Das ist nicht weiter korrekturbedürftig, zumal auch der vertragliche Anspruch auf Auszahlung des restlichen Treuhanderlags an den Nebenintervenienten den Eintritt der Treuhandbedingungen vorausgesetzt hätte.

12. Die Revision des Beklagten ist daher mangels einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0035962, RS0035979).

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