OGH 1Ob89/08g

OGH1Ob89/08g25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert K*****, vertreten durch Dr. Markus Schuster, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Christa S*****, vertreten durch Dr. Joachim W. Leupold und Mag. Eleonore Neulinger, Rechtsanwälte in Irdning, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Manfred P*****, und 2. Gerlinde P*****, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Liezen, wegen 20.000 EUR sA und Rechnungslegung (Streitwert 150 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2008, GZ 5 R 215/07p-35, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 13. September 2007, GZ 4 Cg 225/05b-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger verkaufte eine Eigentumswohnung an die Nebenintervenienten. Die Beklagte übernahm den Treuhandauftrag zur Überweisung des von den Nebenintervenienten zu erlegenden - und tatsächlich erlegten - Kaufpreises - abzüglich der Beträge für ein noch abzudeckendes Darlehen - binnen acht Tagen nach Verbücherung ihres Eigentumsrechts an den Kläger. Wegen des der Beklagten erst nach Vertragserrichtung bekannt gewordenen Umstands, dass sich das der gekauften Wohnung zugeordnete Kellerabteil und der Tiefgaragenplatz zum Großteil auf der Liegenschaft eines Dritten befinden, wiesen die Nebenintervenienten die Beklagte an, einen Teil des Treuhanderlags, nämlich 20.000 EUR, nicht an den Kläger zu überweisen.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von 20.000 EUR sA und Rechnungslegung, in eventu die gerichtliche Hinterlegung von 20.000 EUR sA und Rechnungslegung, aus dem Titel des Treuhandvertrags und hilfsweise Schadenersatzes.

Die Beklagte berief sich im Wesentlichen auf ihre Neutralitätspflicht als Treuhänderin.

Das Erstgericht wies die Klage - bis auf einen geringfügigen Zuspruch von Zinsen - ab. Bei Unklarheit über die Erfüllung der Ausfolgungsbedingungen dürfe der Treuhänder seine Tätigkeit unterbrechen oder das Treugut gemäß § 1425 ABGB gerichtlich hinterlegen. Eine Verpflichtung zur gerichtlichen Hinterlegung des Treuguts oder zum Abschluss des Treuhandkontos sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Bei der Prüfung, ob ein Konflikt zwischen den Treugebern bestehe, sei der Treuhandvertrag im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Kaufvertrag heranzuziehen. Im vorliegenden Fall sei die Beklagte zu Recht von einem Konfliktsfall ausgegangen, der sie zur Nichtauszahlung des treuhändig erlegten Kaufpreisrests berechtigt bzw allenfalls sogar verpflichtet habe. Eine Rechnungslegung habe die Beklagte ohnehin vorgenommen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die Beklagte sei zur Einbehaltung des treuhändig erlegten Kaufpreisrestes berechtigt. Den Eintritt eines Schadens habe der Kläger nicht nachgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene außerordentliche Revision ist wegen des Fehlens von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

1. Bei der Frage, ob ein Rechtsanwalt bei der Abwicklung einer mehrseitigen Treuhandschaft seiner hohen Sorgfaltspflicht nachgekommen ist, handelt es sich um einen Einzelfall, da es immer auf die jeweilige konkrete Vereinbarung ankommt (RIS-Justiz RS0107573).

2. Bei Auftreten eines Konflikts zwischen den Treugebern kann der Treuhänder bei unklarer Sach- oder Rechtslage zwar zu Gericht erlegen, er ist jedoch hiezu nicht verpflichtet (7 Ob 523/91; 7 Ob 272/01b). Ein „Konflikt" liegt - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - nicht erst im Falle der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen seitens eines Treugebers vor, sondern schon dann, wenn für den Treuhänder unklar ist, ob die Ausfolgungsbedingungen erfüllt sind (8 Ob 39/07d). Dies ist etwa dann gegeben, wenn behauptete Mängel eine unklare Rechtslage (einen Konfliktsfall) für den Treuhänder geschaffen haben (5 Ob 309/00b). War dies - wie hier - der Fall, muss mangels rechtswidriger Vorgangsweise der Beklagten ein Schadenersatzbegehren von vornherein scheitern.

3. Der Revisionswerber argumentiert schließlich, dass er die Nebenintervenienten nicht auf Zustimmung zur Ausfolgung des restlichen Treuhanderlags an ihn belangen könne, weil sie nicht berechtigt seien, der Treuhänderin (= Beklagten) Weisungen über die Auszahlung zu erteilen, und weil sie ihm gegenüber keine Gewährleistungsansprüche behauptet hätten bzw die Beklagte den strittigen Betrag nicht bei Gericht erlegt habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass im Falle von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Ausfolgung eines Kaufpreises durch den Treuhänder, die ihre Wurzel im Kaufvertrag haben, für den Verkäufer nur die Möglichkeit besteht, sich an den Käufer zu wenden und von ihm die Zustimmung zur Ausfolgung des Kaufpreises zu verlangen (5 Ob 588/87). Dass im gegebenen Fall eine derartige Streitigkeit vorliegt, ergibt sich schon daraus, dass die Nebenintervenienten die Beklagte - wegen eines im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag behaupteten Rechtsmangels - angewiesen haben, den strittigen Teil des Treuhanderlags nicht an den Kläger zu überweisen, dieser jedoch die Ausfolgung von der Beklagten verlangt. Somit ist der Kläger - auch ohne Gerichtserlag durch die Beklagte - nicht an der Geltendmachung seiner - behaupteten - Ansprüche gegenüber den Nebenintervenienten gehindert.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung im Einklang. Seine Rechtsansicht, dass die Beklagte zu Recht von einem Konfliktsfall ausgegangen sei, der sie zum Rückbehalten des treuhändig erlegten Kaufpreisrests berechtigt habe, und dass sie zum gerichtlichen Erlag nicht verpflichtet sei, ist jedenfalls vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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