OGH 9Ob20/16f

OGH9Ob20/16f24.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Jöstl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S***** A*****, vertreten durch Dr. Matthias Wassermann, Rechtsanwalt in Jenbach, wegen 11.900 EUR brutto sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2016, GZ 4 R 331/15b‑47, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Schwaz vom 3. Juni 2015, GZ 2 C 998/14k‑38 aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00020.16F.0624.000

 

Spruch:

Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Das Berufungsgericht hob das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts auf und trug ihm eine Verfahrensergänzung auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es zur Frage, ob die Nichteinholung eines Schriftsachverständigengutachtens durch das Erstgericht im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 315, 319 ZPO im Berufungsverfahren bekämpft werden kann, für zulässig. Auch die Fragen der Bestimmtheit des Klagebegehrens und der (von den Vorinstanzen bejahten) Zulässigkeit der beanstandeten Klausel in den AGB der Klägerin gingen in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung des Rekurses kann sich auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO analog; RIS‑Justiz RS0043691):

1. Die bestrittene Echtheit einer Privaturkunde oder einer auf derselben befindlichen Namensunterschrift ist von demjenigen zu beweisen, der die Urkunde als Beweismittel gebrauchen will (§ 312 Abs 2 ZPO).

Nach § 314 Abs 1 ZPOkann der Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde auch durch Schriftvergleichung geführt werden. Dabei können nur solche Schriftstücke als Vergleichungsschriften benützt werden, deren Echtheit unbestritten ist oder doch ohne erhebliche Verzögerung dargetan werden kann (§ 314 Abs 2 ZPO). Bei der Schriftvergleichung handelt es sich um ein eigenes Beweismittel für den Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde (Kodek in Fasching/Konecny² § 315 ZPO Rz 1; Rechberger in Rechberger ZPO4 §§ 314, 315 ZPO Rz 1). Der Echtheitsbeweis einer Unterschrift kann aber auch durch jedes sonstige zulässige Beweismittel geführt werden (3 Ob 545/84).

Den Beweis der Schriftvergleichung kann das Gericht selbst durch Vergleichung der Handschriften vornehmen oder, wenn sich ihm Zweifel ergeben, das Gutachten von Sachverständigen einholen (§ 315 Abs 1 ZPO). Über das Ergebnis der Schriftvergleichung ist vom Gerichte nach freier Überzeugung zu entscheiden (§ 315 Abs 2 ZPO).

Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin zum Beweis ihrer Behauptung, mit der Beklagten einen Kaufvertrag über ein bestimmtes Gebrauchtfahrzeug abgeschlossen zu haben, auf den schriftlichen mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrag gestützt. Die Beklagte bestritt die Echtheit ihrer Unterschrift auf diesem Kaufvertrag. Die Klägerin als Beweisführer iSd § 312 Abs 2 ZPO hat zum Beweis der Echtheit der Unterschrift der Beklagten als Beweismittel Urkunden- und Zeugenbeweise sowie die Parteienvernehmung angeboten. Die Beklagte beantragte zum Gegenbeweis auch die Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens. Keiner der Parteien stützte sich aber zur Frage der Echtheit oder Unechtheit der Unterschrift der Beklagten auf dem Kaufvertrag auf das (eigene) Beweismittel der Schriftvergleichung iSd §§ 314, 315 ZPO.

Dass das Erstgericht diesen Beweis der Schriftvergleichung iSd §§ 314, 315 ZPO auch nicht von Amts wegen aufgenommen hat, zeigt sich schon in der im erstgerichtlichen Urteil (S 2, 3. Absatz) wiedergegebenen Auflistung sämtlicher aufgenommenen Beweise, in der die Schriftvergleichung nicht angeführt ist. Das Erstgericht hat lediglich in seiner Beweiswürdigung die Echtheit der Unterschrift der Beklagten auf dem Kaufvertrag neben zahlreichen anderen Beweisergebnissen unter anderem auch damit begründet, dass die Unterschrift der Beklagten auf dem Kaufvertrag mit jener auf dem von der Beklagten im Rahmen des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe vorgelegten Mietvertrag ident sei. Dabei berief es sich zutreffend nicht auf das Beweismittel der Schriftvergleichung iSd §§ 314, 315 ZPO. Danach hätte der Mietvertrag nicht herangezogen werden dürfen, weil die Beklagte erklärte, dass die Unterschrift auf dem Mietvertrag nicht von ihr stamme (S 10 in ON 31), sohin die Echtheit des Schriftstücks mit der Vergleichsunterschrift nicht unbestritten ist (§ 314 Abs 2 erster Fall ZPO).

Die vom Berufungsgericht als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage zur Bekämpfbarkeit der Nichteinholung eines Schriftsachverständigengutachtens durch das Erstgericht im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 315, 319 ZPO stellt sich daher im Anlassfall nicht. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin auch keine andere iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts (oder des materiellen Rechts) geltend. Insoweit das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, das Erstgericht hätte den Antrag der Beklagten auf Einholung eines graphologischen Gutachtens nicht (in vorgreifender Beweiswürdigung) abweisen dürfen und damit das Vorliegen eines zur Verfahrensaufhebung führenden primären Verfahrensmangels bejaht hat, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS‑Justiz RS0043414; RS0042179 [T17, T22]).

2. Die Klage hat ein bestimmtes Begehren zu enthalten (§ 226 Abs 1 ZPO); auch die Zug‑um‑Zug‑Leistung muss iSd § 7 Abs 1 EO genau bezeichnet sein (RIS‑Justiz RS0002046; RS0002042; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 7 EO Rz 37). Die Unbestimmtheit einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung steht der exekutiven Durchsetzung einer – an sich bestimmten – (Haupt‑)Leistung entgegen (1 Ob 103/15a mwN). Ein Klagebegehren ist in der Regel unbestimmt, wenn ein stattgebendes Urteil nicht Grundlage einer Exekution sein könnte (4 Ob 118/12z; RIS‑Justiz RS0000799; RS0037452). Ein unbestimmtes Klagebegehren unterliegt der Abweisung (RIS‑Justiz RS0037407).

Die ausreichende Bestimmtheit des Klagebegehrens ist stets anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall zu prüfen. Die Frage, ob eine Klage hinreichend bestimmt und damit schlüssig ist, stellt daher – vom Fall einer groben Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RIS‑Justiz RS0116144; RS0037780; 9 ObA 127/13m). Die vertretbaren Rechtsausführungen des Berufungsgerichts zur mangelnden Schlüssigkeit des Klagebegehrens im Hinblick auf die Formulierung „Zug um Zug gegen Ausfolgung des Kraftfahrzeuges … oder eines gleichartigen Kraftfahrzeuges ...“ stellen daher keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Bewegliche Sachen sind so zu bezeichnen, dass eine Verwechslung nicht möglich ist. Bei gattungsmäßig bestimmten Sachen darf kein Zweifel über Menge, Art und Güte aufkommen (RIS‑Justiz RS0037874 [T14]).

Die Rekursbeantwortung der Beklagten enthielt zur Frage der (Un‑)Zulässigkeit des Rekurses der Klägerin keine inhaltlichen Ausführungen, sondern bloß die Behauptung, der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit des Rekurses sei nicht rechtmäßig. Damit diente die Rekursbeantwortung aber nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (vgl RIS‑Justiz RS0035979 [T13]), sodass von einem Kostenzuspruch jedenfalls Abstand zu nehmen war.

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