OGH 9ObA127/13m

OGH9ObA127/13m19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Susanne Jonak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bauarbeiter‑Urlaubs‑ und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1a, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Oliver Koch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 68.775,46 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 68.579,29 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. August 2013, GZ 9 Ra 66/13m‑44, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines in der Wiedereröffnung der bereits geschlossenen Verhandlung gelegenen Verfahrensmangels verneint, weil die Wiedereröffnung einer Verhandlung gemäß § 194 ZPO schon begrifflich keinen Verfahrensmangel darstellen kann (RIS‑Justiz RS0125622 = 2 Ob 108/09k). Nach ständiger Rechtsprechung können vermeintliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht verneint wurden, im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).

2. Die ausreichende Bestimmtheit des Klagebegehrens ist anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall zu prüfen. Die Frage, ob eine Klage hinreichend bestimmt und damit schlüssig ist, stellt daher ‑ vom Fall einer groben Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (10 Ob 49/11w; vgl RIS‑Justiz RS0116144, RS0037780). Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts zur Schlüssigkeit des Klagebegehrens stellen keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Das auf eine Geldleistung gerichtete Klagebegehren erfüllt jedenfalls die Voraussetzung ausreichender Präzisierung (vgl RIS‑Justiz RS0037874). Die Beklagte zeigt in ihrer Zulassungsbegründung auch nicht auf, welche „Unklarheiten“ und „Differenzen“ bis zuletzt nicht aufgeklärt worden seien. Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen (9 Ob 114/04m und 3 Ob 241/97f = SZ 70/136), die beim Begehren eines Pauschalbetrags eine Individualisierung der einzelnen Ansprüche verlangen, sind nicht einschlägig. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage keinen Pauschalbetrag, sondern einen Gesamtbetrag, der sich aus einzelnen exakt aufgelisteten Einzelbeträgen zusammensetzt.

3. Hat der Beschäftiger seine Verpflichtungen aus der Überlassung bereits dem Überlasser nachweislich erfüllt, haftet er nur als Ausfallsbürge (§ 1356 ABGB) für die gesamten der überlassenen Arbeitskraft für die Beschäftigung in seinem Betrieb zustehenden Entgeltansprüche und die entsprechenden Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sowie für die Lohnzuschläge nach dem BUAG (§ 14 Abs 2 iVm Abs 1 AÜG). Der Begriff des Ausfallsbürgen ist nicht gesetzlich definiert; dieser Bürgschaftstyp ist im ABGB auch nicht allgemein geregelt (RIS‑Justiz RS0081756). Ausfallsbürgschaft liegt bei der Einschränkung der Bürgschaft auf den Fall der Uneinbringlichkeit der Hauptschuld vor. Der Gläubiger kann erst dann auf den Bürgen greifen, wenn er gegen den Hauptschuldner geklagt und vergeblich Exekution geführt hat, oder wenn der Schuldner (Überlasser) unbekannten Aufenthalts ist (Schindler in ZellKomm² § 14 AÜG Rz 2 f; Sacherer in Sacherer/Schwarz, AÜG § 14 Erl 4; vgl auch RIS‑Justiz RS0120351).

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, beide Voraussetzungen für die Haftung der Beklagten als Ausfallsbürgin iSd § 14 Abs 2 AÜG lägen hier vor, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte stützt sich, wie bereits im Berufungsverfahren, auch in ihrer außerordentlichen Revision (ausschließlich) auf die Entscheidung 8 Ob 135/66 = SZ 39/122, wonach der Ausfallsbürge nicht schon belangt werden könne, wenn der Hauptschuldner zahlungsunfähig sei, sondern erst dann, wenn überdies feststehe, dass der Gläubiger infolge Versagens der sonstigen Sicherheiten einen Verlust erleide. Da sich die Revision aber mit dem Argument des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht dargelegt, auf welche sonstigen Sicherheiten die Klägerin noch greifen hätte können, gar nicht auseinandersetzt, fehlt es insoweit an einer gesetzmäßigen Ausführung der Rechtsrüge (RIS‑Justiz RS0043603).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte