OGH 10Ob89/15h

OGH10Ob89/15h7.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Thomas Juen, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Stadt D*, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 150.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 100.000 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. Juli 2015, GZ 10 R 45/15s‑83, mit dem über Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 21. April 2015, GZ 9 Cg 68/12b‑76, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E114840

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 40.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 4. 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 110.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 4. 2013 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ihre mit 23.933,86 EUR (darin 1.795,12 EUR USt und 13.163,14 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei ihre mit 14.554,73 EUR (darin 1.829,48 EUR USt und 3.577,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.696,88 EUR (darin enthalten 71,14 EUR USt und 3.270 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 29. 8. 2010 in einem Krankenhaus, dessen Rechtsträger die beklagte Partei ist, wegen intensiver Schmerzen der linken Schulter behandelt. Die erstellte Diagnose (atraumatische Schulterschmerzen) war fehlerhaft. Es lag ein akutes Koronarsyndrom vor, das drei Tage später zu einem Herzinfarkt und zu einer irreversiblen Schädigung des Herzens des Klägers führte. Bei nach den Regeln der ärztlichen Kunst indizierten weiteren abklärenden Untersuchungen wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit das beim Kläger vorliegende akute Koronarsyndrom erkannt und damit eine Therapie zur Wiederherstellung der Durchblutung des Herzmuskels eingeleitet worden. Dadurch hätten jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit der nachfolgende Herzinfarkt, die dadurch hervorgerufene ausgedehnte Narbenbildung und die Verminderung der Herzmuskelfunktion vermieden werden können.

Als Folge der Fehlbehandlung traten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Herzinfarkt fünf Tage starke und 16 Tage mittelstarke Schmerzen auf. Im Verlauf eines typischen Tages sind beim Kläger seitdem leichte körperliche Schmerzen und Herzstolpern bei körperlicher Belastung mit einer Dauer von 8 Stunden pro Tag anzunehmen sowie mittelgradige Schmerzen mit Atemnot und Beklemmung mit einer Dauer von weiteren 8 Stunden. Die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit ist erheblich eingeschränkt und gegenüber einer gesunden Person um mindestens 50 % reduziert.

Mit den Schmerzen geht auch eine erhebliche psychische Belastung einher. Der Kläger leidet an Existenzängsten und depressiven Verstimmungszuständen und befand sich nach dem Vorfall zeitweise in ambulanter fachärztlicher Betreuung.

Die weitere Prognose ist ungünstig. Es ist damit zu rechnen, dass aufgrund verminderter Leistungsfähigkeit und eines kardiovaskulären Umbaus des Herzens die Verschlechterung der Herzmuskelfunktion fortschreitet, was zu einer zunehmenden Verstärkung der Schmerzsymptomatik führen wird. Die Herzrhythmusstörungen werden häufiger auftreten und schließlich chronisch werden.

Die statistische Lebenserwartung ist erheblich reduziert. Die weitere Entwicklung des Gesundheitszustands lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. In 30 bis 50 % der Fälle sterben Patienten, die an chronischem Herzversagen leiden, an einem plötzlichen Herztod, in den restlichen Fällen nach schwerem Leiden infolge eines progressiv verlaufenden Pumpversagens des Herzmuskels.

Beim Kläger ist aufgrund der gegebenen medikamentösen Behandlung die Grunderkrankung bisher nicht fortgeschritten und ein künftiges Fortschreiten mit einem neuerlichen Herzinfarkt eher unwahrscheinlich. Er übt seinen Beruf nach wie vor aus. Die Geburt seines Kindes gab ihm einerseits Auftrieb, führte andererseits aber auch zu vermehrten Existenzängsten.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte die Grunderkrankung bei einer rechtzeitigen Behandlung lediglich eine minimale und klinisch nicht bedeutsame Schädigung des Herzmuskels verursacht.

Nicht mehr strittig ist, dass die beklagte Partei dem Kläger für die Folgen der Fehlbehandlung einzustehen hat.

Der Kläger begehrte zuletzt Schmerzengeld von (weiteren) 150.000 EUR sA und brachte vor, an psychischen Beeinträchtigungen im Sinn einer Anpassungsstörung sowie an Angst und depressiven Reaktionen zu leiden. Er sehe sich in relativ jungen Jahren einem massiven gesundheitlichen Dauerschaden, einer 50%igen Minderung der Leistungsfähigkeit sowie einer stetigen Zunahme der bereits bestehenden Schmerzbelastung und einer hochgradig eingeschränkten Lebenserwartung gegenüber. Bereits unter Heranziehung der vom Sachverständigen eingeschätzten Schmerzperioden als Berechnungshilfe errechne sich ein Schmerzengeldanspruch von 158.000 EUR. Unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Klägers sei ein Schmerzengeld von 200.000 EUR jedenfalls gerechtfertigt. Abzüglich einer von der beklagten Partei geleisteten Zahlung von 50.000 EUR stünden ihm daher noch 150.000 EUR zu.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, dass eine Globalbemessung des Schmerzengelds noch gar nicht möglich sei, da die voraussichtlichen Schmerzen auf Lebensdauer nicht einschätzbar seien. Nach dem psychiatrischen Gutachten sei der Kläger als psychisch gesund anzusehen. Hätte er sich in eine Psychotherapie begeben, hätte er keine psychischen Schmerzen. Das geltend gemachte Schmerzengeld sei überhöht.

Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang (soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz) die beklagte Partei schuldig, dem Kläger 100.000 EUR sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von 50.000 EUR sA wies es ab. Es führte aus, dass der Kläger Anspruch auf ein angemessenes Schmerzengeld habe. Zu berücksichtigen seien die festgestellten Schmerzperioden, die Verminderung der Leistungsfähigkeit und die fortschreitenden Beeinträchtigungen. Auch die erhebliche Verkürzung der verbleibenden Lebensspanne sei ein bestimmender Faktor für die Ermittlung eines angemessenen Schmerzengeldes. Aufgrund der ungünstigen Prognosen und der massiven Reduktion der Lebensdauer erscheine es angemessen, in einem Vergleich mit anderen Fällen die Rechtsprechung zu schwersten Fällen einzubeziehen. Von diesen unterscheide sich der Fall des Klägers dadurch, dass die Fähigkeit, das Leben bewusst zu gestalten und Schmerzen zu empfinden, nicht verloren gegangen sei. Damit müsse er aber auch bewusst mit widrigen Umständen fertig werden. Davon ausgehend erscheine ein Betrag von 150.000 EUR angemessen, auf den bereits eine Zahlung von 50.000 EUR geleistet worden sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, die auf einen weiteren Zuspruch von 30.500 EUR sA gerichtet war, sowie der gegen den Zuspruch von 100.000 EUR gerichteten Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Ausgehend davon, dass das Verletzungsbild des Klägers feststehe und derzeit ein stabiler Dauerzustand bestehe, könne das Schmerzengeld global bemessen werden. Dass tendenziell mit einer Verschlechterung des Zustands zu rechnen sei, hindere dies nicht. Die vom Erstgericht vorgenommene Globalabfindung überschreite nicht den Ermessensspielraum, wie ein Vergleich mit anderen Fällen zeige, in denen ähnliche Beträge zugesprochen worden seien.

Gegen den Zuspruch von 100.000 EUR richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das Klagebegehren auch in diesem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und auch teilweise berechtigt.

Die beklagte Partei macht geltend, dass ein globales Schmerzengeld nicht zugesprochen werden dürfe. Es sei derzeit nicht vorherzusagen, wie sich der Gesundheitszustand des Klägers, der mittlerweile stabilisiert sei, weiter entwickeln werde. Zu Unrecht sei bei der Bemessung die drastische Verkürzung der Lebenszeit berücksichtigt worden, da nach der herrschenden Rechtsprechung für ein verkürztes Leben kein Schmerzengeld zustehe. Die vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen seien mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, da der Kläger nach wie vor beruflich tätig sei.

Dazu ist auszuführen:

1. Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen, hier der Beeinträchtigung aufgrund der ärztlichen Fehlbehandlung, und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihren Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustands abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (7 Ob 29/05y; 2 Ob 61/02p; RIS‑Justiz RS0031040, RS0031307; Danzl in Danzl/Gutiérrez‑Lobos/Müller, Schmerzengeld10 [2013] 245 mwN). Dabei ist zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RIS‑Justiz RS0031075).

2. Eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes oder die Geltendmachung bloß eines Teilbetrags hievon ist daher nur aus besonderen Gründen zulässig (2 Ob 103/10a; 2 Ob 232/07t; RIS‑Justiz RS0031051). Eine mehrmalige (ergänzende) Schmerzengeldbemessung wird demnach nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände für zulässig erachtet.

Die von der Judikatur vertretene Auffassung des Schmerzengeldes als grundsätzlich einmalige Pauschalabgeltung erspart es nicht nur dem Geschädigten, immer wieder neue Schmerzengeldklagen einzubringen, sondern verhindert auch, dass der Schädiger ständig neuen Forderungen ausgesetzt ist, obwohl die Verletzungsfolgen im Bemessungszeitraum des ersten Prozesses bereits hinreichend überschaubar waren (6 Ob 185/09p mwN). In diesem Sinn ist eine Globalbemessung lediglich dann nicht vorzunehmen, wenn noch gar kein Dauer‑(End‑)zustand vorliegt, weshalb die Folgen noch nicht oder noch nicht im vollen Umfang und mit hinreichender Sicherheit überblickt werden können; wenn Schmerzen in ihren Auswirkungen zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch gar nicht oder nicht endgültig überschaubar erscheinen; wenn der Kläger nachweist, dass ihm gegenüber dem Vorprozess und der dort vorgenommenen Globalbemessung weitere, aus der damaligen Sicht nicht abschätzbare Schmerzbeeinträchtigungen entstanden sind (3 Ob 241/10b; 6 Ob 185/09p; 2 Ob 242/09s uva).

Das Vorliegen eines derartigen Sonderfalls hat der Kläger darzutun, um damit den Nachweis zu erbringen, dass die Geltendmachung eines Teilbetrags ausnahmsweise zulässig ist (7 Ob 270/04p). Ein Teilanspruch auf Schmerzengeld ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme (2 Ob 232/07t).

3. Nach den Feststellungen ist der Gesundheitszustand des Klägers derzeit stabil und kann voraussichtlich für einen längeren Zeitraum stabil gehalten werden. Die derzeitigen und als bleibend anzusehenden Beeinträchtigungen des Klägers stehen fest. Diese Umstände erlauben daher auch eine Globalbemessung ausgehend von dem jetzt vorliegenden Dauerzustand. Allein der Umstand, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren Verschlechterung kommen wird, wobei offen ist, welchen Verlauf die weitere gesundheitliche Entwicklung des Klägers in welchem zeitlichen Rahmen nehmen wird, führt nicht dazu, dass eine zeitliche Begrenzung des Schmerzengeldes vorzunehmen ist.

4. Wie ausgeführt soll bei der Schmerzengeldbemessung der Gesamtkomplex der physischen und psychischen Beeinträchtigungen abgegolten werden. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen die Zuerkennung einer Entschädigung für den verfrühten Tod abgelehnt hat (2 Ob 55/04h; 8 Ob 64/05b). In diesen Fällen hatten die Angehörigen von Unfallopfern Schmerzengeldansprüche auf den erlittenen Tod oder die Verkürzung der Lebenserwartung des Opfers gestützt, begehrten also Ersatz im Wesentlichen für eine Zeit nach dem Tod des Opfers. Unter ausführlicher Darstellung der österreichischen und deutschen Lehre sowie der Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 64/05b dargelegt, dass eine solche Entschädigung mit der Zweckbestimmung des Schmerzengeldes im österreichischen Recht nicht zu vereinbaren ist.

Daraus ist jedoch für die beklagte Partei nichts zu gewinnen. Im vorliegenden Fall wurde die Verringerung der Lebenserwartung von den Vorinstanzen nicht als Grundlage dafür herangezogen, bei der Globalbemessung des Schmerzengeldes für den Kläger Zeiten nach dem voraussichtlichen Tod des Klägers einzubeziehen. Berücksichtigt wurden vielmehr die Leidenszustände, die aus dem Wissen um die verringerte Lebenserwartung resultieren. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin widerspricht es nicht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, derartige psychische Beeinträchtigungen bei der Bemessung zu berücksichtigen (vgl 2 Ob 221/02t; 10 Ob 71/04w ua; Danzl aaO 276).

5. Zu prüfen bleibt, ob sich der Zuspruch in dem von der Judikatur allgemein gezogenen Rahmen für die Bemessung im Einzelfall hält. Das Berufungsgericht hat eine Reihe von Entscheidungen zitiert, in denen ähnlich hohe Schmerzengeldbeträge zugesprochen wurden. In der Entscheidung 2 Ob 104/06t wurden 180.000 EUR als angemessen angesehen. Der dortige Kläger erlitt bei einem Unfall im Jahr 2000 ein schweres Hirntrauma mit verbleibendem schweren organischen Psychosyndrom, das einem apallischen Syndrom (Wachkoma) gleichkommt. Damit verbunden war die Lähmung aller Extremitäten. Dem Kläger war keine sprachliche Äußerung mehr möglich, keine Kontaktaufnahme und keine zielgerichteten Bewegungen oder aktiven Kraftleistungen. Er konnte die Vorgänge um sich herum nicht einordnen, nicht verstehen und war auch verbal nicht erreichbar.

In der Entscheidung 2 Ob 180/04s wurden 160.000 EUR zugesprochen. Hier ereignete sich der Unfall im Jahr 1999. Die Klägerin erlitt ein schweres Schädelhirntrauma mit Gehirnquetschung, Frakturen, Abknick der Halswirbelsäule. Sie war aufgrund des Unfalls voll pflegebedürftig, überwiegend rollstuhlpflichtig sowie stuhl‑ und harninkontinent.

In der Entscheidung 2 Ob 83/14s wurde ein Teilschmerzengeld von 170.000 EUR zugesprochen. Die Klägerin erlitt ein Überrolltrauma mit ausgedehntem Weichteilverlust und knöchernen Verletzungen. Sie musste sich innerhalb der ersten zwei Monate nach dem Unfall 22 Operationen unterziehen, litt an Gefühllosigkeit im Unterleib, dauerhaften starken Schmerzen, reaktiven Depressionen und posttraumatischer Belastung.

In der Entscheidung 2 Ob 175/14w wurde die Klägerin bei dem Unfall 2011 von einem Fahrzeug mitgeschliffen. Sie erlitt ein lebensbedrohliches Polytrauma mit zahlreichen Brüchen und Prellungen, einer unheilbaren Gallenwegsentzündung mit deutlichem Anstieg der Leberparameter und ausgeprägter Gelbsucht. Sie leidet seit dem Unfall unter Todesangst und weiß, dass sie eine verkürzte Lebensdauer hat. Es liegt eine Invalidität von 90 % vor. In diesem Fall wurden 130.000 EUR als angemessen angesehen.

Von diesen Fällen, die das Berufungsgericht als vergleichbar angesehen hat, unterscheidet sich der Fall des Klägers darin, dass ihm trotz der aus der Fehlbehandlung resultierenden massiven Beeinträchtigungen noch die Teilnahme am familiären und beruflichen Leben möglich ist. Insoweit ist der gegenständliche Fall mit den geschilderten Fällen schwerster Behinderung, die zu einem Teil zur völligen Abhängigkeit von anderen Menschen bzw dem Vorliegen schwerwiegender Bewusstseinsstörungen führte, nicht vergleichbar. Auch wenn der Kläger in relativ jungem Alter mit einer 50%igen Verringerung der Leistungsfähigkeit, den täglichen Schmerzen sowie dem Wissen um eine deutlich verkürzte Lebenserwartung konfrontiert ist, ist ihm noch eine aktive und selbstbestimmte Lebensgestaltung möglich. Berücksichtigt man diese trotz der schwerwiegenden physischen und psychischen Folgen der Fehlbehandlung verbleibenden Möglichkeiten zur Lebensgestaltung in Relation zu anderen Fällen, insbesondere auch zu den vom Berufungsgericht angeführten, würde auch bei Bedachtnahme auf die mittlerweile teilweise eingetretene Geldabwertung ein ähnlich hoher Zuspruch außerhalb des allgemein gezogenen Rahmens für die Bemessung im Einzelfall liegen. In Anbetracht der Gesamtsituation des Klägers erscheint dem erkennenden Senat ein Schmerzengeld von 90.000 EUR als angemessen. Abzüglich der bereits geleisteten Zahlung von 50.000 EUR sind ihm daher aus diesem Titel weitere 40.000 EUR zuzusprechen.

Der Revision der beklagten Partei war daher teilweise Folge zu geben.

Infolge der Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts ist nicht nur über die Kosten des Revisionsverfahrens, sondern auch über die Kosten des gesamten vorausgegangenen Verfahrens zu entscheiden (§ 50 Abs 1 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 ff und 50 ZPO. Dafür waren Verfahrensabschnitte zu bilden. Im ersten Abschnitt im Verfahren vor dem Erstgericht bis zur Ausdehnung des Klagebegehrens in der Tagsatzung vom 24. 4. 2013 ist der Kläger nur mit einem sehr geringen Teil seines Begehrens unterlegen. Er hat daher Anspruch auf vollen Kostenersatz. Dabei war aber entsprechend den Einwendungen der beklagten Partei die die Sphäre des Klägers betreffende Vertagungsbitte vom 18. 6. 2012 nicht sowie, wie schon vom Erstgericht ausgeführt, der Schriftsatz vom 5. 2. 2013 nur nach TP 2 RATG zu entlohnen und für den Schriftsatz vom 17. 4. 2013, der als Beleg für die vorprozessualen Kosten der Kostennote angeschlossen hätte werden können, kein Ersatz zuzuerkennen. Demnach stehen dem Kläger für diesen Abschnitt 10.770,72 EUR (darin 1.795,12 EUR USt) zu.

Die Barauslagen sind dem jeweiligen Abschnitt, in dem sie entstanden sind, zuzuordnen. Der Kläger hat daher auch Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr in Höhe von 1.322 EUR sowie der Sachverständigengebühren von 6.911 EUR und der Reisekosten von 284,20 EUR. Hinsichtlich der vorprozessualen Kosten kann auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, das die bescheinigten Kosten mit 3.683,22 EUR (inkl USt) errechnete, verwiesen werden. Auch dieser Betrag war zuzusprechen.

Für die zweite Stunde der Tagsatzung vom 24. 4. 2013 ist aufgrund der Ausdehnung von einem Obsiegen des Klägers mit ca 20 % auszugehen. Der Kläger hat daher der beklagten Partei 60 % ihrer Kosten zu ersetzen. Diese errechnen sich ausgehend von einem Ansatz von 1.127,10 EUR. Da es sich um die zweite Verhandlungsstunde handelte, ist diese mit 50 % dieses Betrags zu bewerten. Zuzüglich Einheitssatz und Umsatzsteuer ergeben sich 1.352,52 EUR. Der Beklagte hat daher Anspruch auf 811,51 EUR (60 %). Aufgrund der offenkundigen Überklagung kommt dem Kläger das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO nicht zu Gute.

Demgegenüber hat der Kläger Anspruch auf 20 % der Pauschalgebühr aus dem ausgedehnten Betrag (siehe dazu auch den Kostenbestimmungsantrag des Klägers vom 5. 10. 2015). Dabei ist die Gesamtpauschalgebühr heranzuziehen, davon 20 %, wovon bereits im ersten Abschnitt 1.322 EUR zugesprochen wurden. Dies ergibt weitere 387,72 EUR, die dem Kläger zustehen.

Im Berufungsverfahren im ersten Rechtsgang ist der Kläger mit seiner Berufung zur Gänze unterlegen. Er hat daher der beklagten Partei die Kosten der Berufungsbeantwortung (3.555 EUR inkl 592,50 EUR USt) zu ersetzen. Dabei steht ein Einheitssatz von 200 %, wie auch verzeichnet, zu, jedoch keine gesonderten Kosten für die Berufungsverhandlung, in der keine Beweise aufgenommen wurden (§ 23 Abs 9 RATG). Die beklagte Partei hat mit ihrer Berufung letztlich zu 60 % obsiegt, daher einen Kostenersatzanspruch von 20 % des Verdienstes (711 EUR inkl USt) sowie 60 % der Barauslagen (2.452,80 EUR).

Im fortgesetzten Verfahren erster Instanz hat der Kläger mit ca 25 % seines Begehrens obsiegt, er hat daher der Beklagten 50 % ihrer Kosten zu ersetzen. Diese betrugen 5.735,11 EUR (darin 955,85 EUR USt), 50 % davon sind daher 2.867,55 EUR. Auch hier ist von einer offenkundigen Überklagung auszugehen. Weiters hat die beklagte Partei Anspruch auf Ersatz der von ihr aufgewendeten Sachverständigengebühren im Ausmaß von 75 %, das sind 1.125 EUR, sowie der Kläger Anspruch auf Ersatz von 25 % der von ihm bezahlten Sachverständigengebühren, das sind 575 EUR.

Im Berufungsverfahren im zweiten Rechtsgang ist der Kläger zur Gänze mit seiner Berufung unterlegen, er hat daher der beklagten Partei die Kosten der Berufungsbeantwortung von 2.431,56 EUR (darin 405,26 EUR USt) zu ersetzen.

Die beklagte Partei hat mit ihrer Berufung zu ca 60 % obsiegt und hat daher Anspruch auf 20 % Kostenersatz der Berufungskosten von 3.001,56 EUR, das sind 600,31 EUR. Eine neuerliche Pauschalgebühr war nicht zu zahlen und ist daher auch nicht zuzusprechen.

In Summe hat der Kläger daher einen Kostenersatzanspruch von 23.933,86 EUR und die beklagte Partei einen Ersatzanspruch von 14.554,73 EUR.

Im Revisionsverfahren hat die beklagte Partei ebenfalls mit 60 % obsiegt und hat daher Anspruch auf Ersatz von 20 % der Kosten der Revision, die 2.134,44 EUR (darin 355,74 EUR USt) betragen, daher auf Ersatz von 426,88 EUR. Von der Pauschalgebühr sind dem Beklagten 60 %, das sind 3.270 EUR zuzusprechen.

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