OGH 8ObA94/15d

OGH8ObA94/15d24.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Mag. Raimund Unger, Rechtsanwalt in Bischofshofen, wider die beklagte Partei Gemeinde D*****, vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder, Rechtsanwalt in Bad Hofgastein, wegen 32.400,47 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 30. September 2015, GZ 12 Ra 75/15h‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:008OBA00094.15D.0524.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor.

Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, wie die Unterlassung von beantragten Beweisaufnahmen, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]).

2. Die rechtliche Würdigung eines als „Mobbing am Arbeitsplatz“ bezeichneten Sachverhalts hat vor allem unter dem Blickwinkel zu erfolgen, ob von den beteiligten Akteuren arbeitsrechtliche Pflichten verletzt wurden. Ein Arbeitgeber verletzt die ihn treffende Fürsorgepflicht, wenn er gegen ein von Kollegen ausgehendes, ihm zur Kenntnis gebrachtes Mobbing nicht eingeschritten ist ( Smutny/Hopf , DrdA 2003, 110 [115]; Hopf in FS Bauer/Maier/Petrag 147 [163]; Posch , ZAS 2005/44, 268; 8 ObA 3/04f ua).

Die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern am Arbeitsplatz ein Mobbing zugrunde liegt, das den Dienstgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht zu Gegenmaßnahmen verpflichtet, sowie um welche Maßnahmen es sich dabei handeln muss, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (zum Begriff vgl RIS‑Justiz RS0124076; 8 ObA 45/14x). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte. Dies ist hier nicht der Fall.

Fest steht, dass zwischen der als Kindergartenpädagogin in einem Gemeindekindergarten beschäftigten Klägerin und ihren Kolleginnen über mehrere Jahre hinweg immer wieder Auseinandersetzungen stattfanden, unter denen die Klägerin litt, die aber erst im Jänner 2012 konkret an den Bürgermeister als Vertreter des Dienstgebers herangetragen wurden. Als Reaktion auf diese Situation, die nicht zuletzt durch unberechtigte Vorwürfe („Gewalt“) der Klägerin gegen eine Kollegin verschlechtert und von den anderen umgekehrt als so belastend empfunden wurde, dass es zu Kündigungsdrohungen kam, führte der Bürgermeister mehrere umfassende Gespräche mit allen Beteiligten. Er kontaktierte die Aufsichtsbehörde und ermöglichte ein Supervisionsverfahren, nach dessen Ende ihm die allseitige Bereitschaft zur weiteren Zusammenarbeit signalisiert wurde. Auch eine Umorganisation der Gruppen wurde vorgenommen, um keine der Hauptkontrahentinnen „gewinnen“ zu lassen. Die Klägerin war von Ende Jänner 2012 bis Jänner 2013 durchgehend nicht an ihrem psychisch belastenden Arbeitsplatz, sondern im Krankenstand und Urlaub, rund ein halbes Jahr danach trat sie in den Ruhestand.

Von dieser festgestellten Situation ausgehend ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass die von der Beklagten gesetzten Maßnahmen objektiv angemessen waren und die Fürsorgepflicht gegenüber der Klägerin nicht verletzt wurde, jedenfalls nicht unvertretbar.

Soweit die Revisionsausführungen dagegen eine völlige Untätigkeit der Beklagten rügen und die aktive Beteiligung der Klägerin an der Eskalation der Konflikte ausblenden, gehen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

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