OGH 6Ob11/16k

OGH6Ob11/16k23.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E***** S*****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) I***** F*****, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Rechtsanwalt in Wien, 2.) A***** C*****, 3.) P***** F*****, beide vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Unwirksamkeit eines Dienstbarkeitsbestellungsvertrags und Einwilligung in die Löschung von Dienstbarkeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. November 2015, GZ 13 R 35/15k‑32, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Dezember 2014, GZ 15 Cg 25/13a‑25, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00011.16K.0223.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin hat das Berufungsgericht das strittige Benützungsrecht abschließend nicht als Fruchtgenussrecht beurteilt, was es durch die Zitierung der Entscheidungen 5 Ob 87/91 und 1 Ob 125/01s (= RIS‑Justiz RS0011621 [T1]) verdeutlicht hat; in diesen Entscheidungen ging der Oberste Gerichtshof davon aus, die unregelmäßige Servitut entspreche inhaltlich einer Grunddienstbarkeit. In Übereinstimmung mit 1 Ob 125/01s (= RIS‑Justiz RS0011621 [T1]) führte das Berufungsgericht lediglich aus, dass das der Erstbeklagten eingeräumte Benützungsrecht einem Fruchtgenussrecht entspreche. Auch aus dem Satz „Selbst wenn … eine persönliche Dienstbarkeit … vorläge, ...“ wird deutlich, dass das Berufungsgericht rechtlich gerade keine Personalservitut und demnach auch kein Fruchtgenussrecht angenommen hat.

Die Rechtsausführungen der Revisionswerberin, die die angebliche Beurteilung des Berufungsgerichts bekämpfen, es handle sich gegenständlich um ein Fruchtgenussrecht, können daher auf sich beruhen.

2. Die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht habe vom Erstgericht nicht getroffene Tatsachenfeststellungen ohne Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung im Rahmen einer Berufungsverhandlung getroffen, was eine Verletzung des Unmittelbarkeits-grundsatzes bedeute.

Soweit das Berufungsgericht ergänzend aus der schon vom Erstgericht herangezogenen Urkunde Beilage ./F (Kaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Verkäufer) zitiert hat, ist die Revisionswerberin auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen: Die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanzen ‑ wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe ‑ enthaltenen Urkunde, deren Echtheit überdies zugestanden wurde, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfordert nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RIS‑Justiz RS0121557).

Mit den Ausführungen zur fehlenden Ermittlung der Parteienabsicht vermag die Revision schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, da ein erstinstanzliches konkretes Vorbringen zu einer vom Inhalt der Urkunden abweichenden und auch übereinstimmenden Absicht beider Vertragsparteien nicht zugrunde gelegt wird (RIS‑Justiz RS0107851, RS0017820; vgl auch RS0017915).

Die Auslegung der schriftlichen Vertragsklauseln ist (eine dem Berufungsgericht zustehende) rechtliche Beurteilung.

3. Die Klägerin wurde beim Kauf der Liegenschaft vom Veräußerer darauf hingewiesen, „dass die 200 m² zum Haus Nr. 9 gehören“. Sie erhielt beim Kauf 1989 auch den schriftlichen Vertrag zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und der Erstbeklagten aus dem Jahr 1974, in dem es heißt: [Der Rechtsvorgänger der Klägerin] räumt nun für sich und seine Rechtsnachfolger … [der Erstbeklagten] und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum des vorgenannten Hauses Nr. 9 … das Benützungsrecht … ein.“ Die Klägerin besorgte sich diesen Vertrag 2012 beim Grundbuchsgericht nochmals.

Angesichts dieser Feststellungen ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin sei betreffend eine fehlende Verpflichtung zur Einräumung des Benützungsrechts an die Erwerber des Nachbargrundstücks (Zweit‑ und Drittbeklagte) nicht in gutem Glauben gewesen, jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung (RIS‑Justiz RS0011545; RS0011345; 7 Ob 170/14x).

4. Die weiteren Revisionsausführungen bekämpfen im Kern die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der festgestellten Verträge. Die Vertragsauslegung erfolgt regelmäßig einzelfallbezogen und bildet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0044358 [T7, T11]). Angesichts der (auszugsweise im Punkt 3. wiedergegebenen) Feststellungen stellt die berufungsgerichtliche Rechtsansicht, die Klägerin sei verpflichtet gewesen, der Zweitbeklagten und dem Drittbeklagten (beide Rechtsnachfolger der Erstbeklagten) die Dienstbarkeit einzuräumen, jedenfalls keine korrekturbedürftige Beurteilung dar.

5. Insoweit kann in der Ansicht der Klägerin bei Abschluss des Dienstbarkeitsbestellungsvertrags im Jahr 2012, sie sei zum Abschluss dieses Vertrags verpflichtet, kein relevanter Irrtum gesehen werden, weshalb auch die Revisionsausführungen zum Irrtum keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen vermögen.

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