OGH 7Ob212/15z

OGH7Ob212/15z17.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Schlösser & Partner Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei DI L***** O*****, vertreten durch Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 16.332,93 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Juli 2015, GZ 3 R 75/15t-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. März 2015, GZ 6 Cg 43/14y‑19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00212.15Z.0217.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.049,04 EUR (darin 174,84 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist der Rechtsschutzversicherer des Beklagten. Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung der Klägerin (ARB 2005) zugrunde, die auszugsweise lauten:

Art 6.6.1. Der Versicherer zahlt die angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes bis zur Höhe des Rechtsanwaltstarifgesetzes oder, sofern dort die Entlohnung für anwaltliche Leistungen nicht geregelt ist, bis zur Höhe der autonomen Honorarrichtlinien.

...

Art 8.1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

1.1. den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen

1.4. alles zu vermeiden, was die Kosten unnötig erhöht oder die Kostenerstattung durch Dritte ganz oder teilweise verhindert.

Die Klägerin hat dem Beklagten Rechtsschutzdeckung für ein Kündigungsanfechtungsverfahren gewährt. Der Rechtsanwalt des Beklagten übermittelte der Klägerin eine Ausfertigung der Klage, in der der Streitwert nach RATG mit 511.000 EUR angegeben war. Das Begleitschreiben des Rechtsanwalts hatte ua folgenden Wortlaut:

„Es wurde nunmehr die Kündigungsanfechtungsklage eingebracht wie beiliegend. Ich ersuche um Bestätigung der Deckung. Betreffend die Bewertung mit dem zehnfachen Jahresgehalt darf ich auf die in der Klage angeführte Rechtsprechung sowie auf Adamovic , Beratung und Bewertung bei arbeitsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten, Anwaltsblatt 1998, 365, verweisen. Dieser besondere Hinweis meinerseits erfolgt deshalb, weil die Verfahren mit der Fachhochschule betreffend die Schriftsätze meist sehr aufwendig sind. … Ich ersuche um Bestätigung der Deckung und stehe für allfällige Fragen gerne zur Verfügung.“

Die Klägerin antwortete dem Rechtsanwalt des Beklagten wie folgt: „… Hiermit beauftragen wir Sie, unseren Versicherungsnehmer rechtsfreundlich zu vertreten. Im Rahmen der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Rechtsschutzbedingungen gewähren wir vorerst Deckung für die tarifmäßigen Kosten eines ortsansässigen Anwaltes für das Kündigungsanfechtungsverfahren, soweit dies zur Wahrnehmung der rechtlichen Interessen notwendig ist. …“ Die zuständige Mitarbeiterin der Klägerin erachtete die Bewertung mit dem zehnfachen Jahresgehalt im Hinblick auf schon öfter zuvor erfolgte Anfragen nach Deckungszusagen auf Basis eines solchen Streitwerts für gerechtfertigt.

Im Kündigungsanfechtungsverfahren setzte das Erstgericht infolge Streitwertbemängelung durch die dort Beklagte den Streitwert mit 21.800 EUR fest. Der Rechtsanwalt des Beklagten übermittelte das Protokoll über diese Verhandlung der Klägerin und rechnete das Kündigungsanfechtungsverfahren letztlich auf Basis des Streitwerts von 511.000 EUR ab. Die Klägerin leistete dementsprechend Zahlung.

Die Klägerin begehrte nunmehr die Rückzahlung von 16.332,93 EUR sA mit der wesentlichen Begründung, dass sie infolge Streitwertherabsetzung im Kündigungsanfechtungsverfahren eine Überzahlung geleistet habe. Der Rechtsanwalt des Beklagten habe sie über die Streitwertherabsetzung in Irrtum geführt und mit der Wahl des Streitwerts gegen die Obliegenheit verstoßen, alles zu vermeiden, was die Kosten unnötig erhöhe.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der wesentlichen Begründung, dass die Beklagte nach der erfolgten Korrespondenz die Deckung der Verfahrenskosten auf Basis des Streitwerts von 511.000 EUR zugesagt habe.

Das Berufungsgericht sprach ‑ über Abänderungsantrag der Klägerin nachträglich aus ‑ dass die Revision doch zulässig sei, weil unter Berücksichtigung der Revisionsausführungen der Klägerin „nicht von der Hand zu weisen (sei), dass das Berufungsgericht möglicherweise eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen (habe)“.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1.  Das Berufungsgericht ist rechtlich davon ausgegangen, dass bei Auslegung nach dem redlichen Empfängerhorizont (§ 914 ABGB) mit Deckungsanfrage des Beklagten und Deckungszusage der Klägerin eine Abrechnung auf Basis des vom Rechtsanwalt ausdrücklich angesprochenen Streitwerts in Höhe des zehnfachen Jahresgehalts (511.000 EUR) vereinbart worden sei.

2.  Ob diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts zutrifft, muss sich am Inhalt der von den Parteien im vorliegenden Einzelfall abgegebenen Erklärungen orientieren und hat demnach keine darüber hinausgehende erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine Frage der Auslegung einer Parteierklärung kann nämlich nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (RIS-Justiz RS0044298 [insb T27]) und deshalb in Verkennung der Auslegungsgrundsätze ein unvertretbares und aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierendes Auslegungsergebnis erzielt worden wäre (RIS-Justiz RS0042776 [T1, T3]). Dies ist hier nicht der Fall:

3.  Der Rechtsanwalt des Beklagten hat in der Deckungsanfrage ausdrücklich auf die ihm klärungsbedürftig erscheinende Frage des Streitwerts im Kündigungsanfechtungsverfahren hingewiesen und gerade unter diesem Aspekt mit dem Hinweis auf den vermeintlichen hohen Verfahrensaufwand um Bestätigung der Deckung ersucht. Diese hat die nunmehrige Klägerin ohne konkreten Vorbehalt zu dem vom Rechtsanwalt intendierten Streitwert erteilt, weil deren Mitarbeiterin ‑ nach den getroffenen Feststellungen ‑ die Bewertung mit dem zehnfachen Jahresgehalt im Hinblick auf schon öfter zuvor erfolgte Anfragen nach Deckungszusagen auf Basis eines solchen Streitwerts für gerechtfertigt erachtete.

4.  Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage zufolge Auslegung nach der Vertrauenstheorie gemäß dem objektiven Erklärungswert der Deckungszusage der Klägerin (RIS-Justiz RS0014160) und gemessen am Empfängerhorizont (vgl RIS-Justiz RS0113932) eine Vereinbarung einer Kostenabrechnung auf Basis des zehnfachen Jahresgehalts des nunmehrigen Beklagten angenommen hat, dann liegt darin ‑ namentlich unter Berücksichtigung der zu dieser Bemessungsfrage vorliegenden Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0046516; vgl auch Gerlach , Zur Frage der Bewertung arbeitsrechtlicher Feststellungsbegehren, ecolex 1998, 647) ‑ kein unvertretbares Auslegungsergebnis. Der von der Beklagten betonte Hinweis auf die Deckungszusage nur für die „tarifmäßigen Kosten“ steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen, setzt doch eine solche Abrechnung gerade eine Bewertung des Streitgegenstands voraus, die nach der vertretbaren Ansicht des Berufungsgerichts eben mit besagter Parteienvereinbarung erfolgte. Eine solche Parteienvereinbarung schließt auch die Annahme einer Verletzung der aus Art 8.1.1. und 8.1.4. ARB 2005 folgenden Obliegenheiten aus.

5.  Einer weitergehenden Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

6.  Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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