OGH 5Ob250/15y

OGH5Ob250/15y25.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Mag. S***** H*****, vertreten durch Dr. Stephan Prayer, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Oktober 2015, AZ 46 R 358/15k, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 29. September 2015, TZ 2204/2015, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00250.15Y.0125.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die Antragstellerin beantragt aufgrund einer Teilausfertigung des Scheidungsvergleichs vom 4. 6. 2014 und anderer Urkunden ob den 157/3520‑Anteilen einer Liegenschaft, mit denen Wohnungseigentum an W 9 untrennbar verbunden ist, die Einverleibung ihres Eigentumsrechts sowie die Löschung der Verbindung gemäß §§ 5 Abs 3, 13 Abs 3 WEG und die Zusammenziehung der Anteile mit den ihr zugeschriebenen Miteigentumsanteilen.

Sie legte eine vom Bezirksgericht Hietzing elektronisch hergestellte und mit Bestätigung der Rechtswirksamkeit versehene „Vergleichsausfertigung - Teilausfertigung“ vom 4. 6. 2014 vor. Dort sind nur der Vergleichstext der Punkte II. (Ehewohnung), III. (Übertragung von Liegenschaften/Liegenschaftsanteilen) und XI. (Verzicht auf weitere Ansprüche nach §§ 81 ff EheG und § 98 ABGB) wiedergegeben. Die übrigen Punkte (Ehegattenunterhalt, Fahrnisse in der Ehewohnung, Gebrauchsvermögen, Ausgleichszahlungen, Kreditrück-zahlungen/eheliche Verbindlichkeiten, Obsorge für minderjährige Kinder, Kontaktrecht, Kindesunterhalt) sind nur als Überschriften enthalten, der Regelungsinhalt jedoch nicht. Stattdessen finden sich Leerstellen mit Streichung und der Beschriftung „Auslassung“.

Das Erstgericht forderte die Antragstellerin auf, die Vergleichsausfertigung zur Gänze vorzulegen, was diese jedoch ablehnte.

Das Erstgericht wies daraufhin das Grundbuchsgesuch ab. Die Vorlage einer Teilausfertigung des Scheidungsvergleichs entspreche nicht Erfordernis und Wortlaut des § 87 GBG. Anhand der Teilausfertigung könne nicht beurteilt werden, ob in anderen Vergleichspunkten allfällige Bedingungen oder rechtserhebliche Tatsachen enthalten seien, deren Eintritt Voraussetzung für die Einverleibung sei und die daher nachgewiesen werden müssten.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Nach § 87 Abs 1 GBG seien Urkunden, aufgrund deren eine Eintragung erfolgen solle („Grundbuchsurkunden“), im Original beizulegen. Bei öffentlichen Urkunden ‑ zu denen ein Scheidungsvergleich zu zählen sei ‑ werde dem Erfordernis der Vorlage eines Originals durch Vorlage einer Ausfertigung entsprochen. Bei gerichtlichen Vergleichen sei eine Vergleichsausfertigung vorzulegen. Da eine Originalurkunde als solche nur in einer einzigen, nämlich vollständigen Version existiere, könne ein Auszug daraus ‑ möge er auch vom dazu Berechtigten hergestellt worden sein ‑ per definitionem kein Original sein. Das Grundbuchsgericht habe zwar nur zu prüfen, ob die ihm vorgelegte Vergleichsausfertigung ordnungsgemäß beurkundet sei. Allerdings müsse sich aus dem Gesamtbild und dem Text der Vergleichsausfertigung deren Vollständigkeit ergeben. Dies liege im gegebenen Fall gerade nicht vor, weil schon durch die Aufschriften „Auslassung“ klar hervorgehe, dass der Text nicht vollständig sei. Auch wenn bestimmte Themenbereiche wie Regelungen betreffend eheliche Kinder für die begehrte Eintragung irrelevant seien, sei die Vorlage der vollständigen Grundbuchsurkunden aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 87 GBG zu fordern. Überdies könne aufgrund der Teilausfertigung nicht beurteilt werden, ob in anderen Vergleichspunkten (zB im Rahmen der Vereinbarung einer Ausgleichszahlung) allfällige Bedingungen oder rechtserhebliche Tatsachen enthalten seien, deren Eintritt Voraussetzung für die Einverleibung sei und die daher nachgewiesen werden müssten.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zu der über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage, ob die Vorlage einer Teilausfertigung einer öffentlichen Urkunde der Vorlage einer Originalurkunde im Sinn des § 87 Abs 1 GBG entspreche, keine Rechtsprechung vorliege.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 87 Abs 1 GBG müssen Grundbuchsurkunden im Original vorgelegt werden. Grundbuchsurkunden im Sinn dieser Bestimmung sind solche, die in materieller und formeller Hinsicht die konstitutiven Voraussetzungen der vorzunehmenden Grundbuchshandlung enthalten (RIS‑Justiz RS0061070 [T2]). Bei gerichtlichen Entscheidungen ist nicht die Urschrift, sondern die Ausfertigung das Original (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 87 GBG Rz 8). Dasselbe gilt für die Ausfertigung eines gerichtlichen Vergleichs (Kodek aaO, Rz 9).

2. Schriftliche Ausfertigungen von Urteilen, Beschlüssen oder Vergleichen müssen nach § 79 Abs 1 Satz 1 GOG von der Gerichtskanzlei unter dem Vermerk „für die Richtigkeit der Ausfertigung“ unterschrieben werden. Ausfertigungen, die ‑ wie hier ‑ mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen nach § 79 Abs 1 Satz 3 GOG keiner Unterschrift. Zufolge § 148 GeO müssen alle Ausfertigungen von der Geschäftsabteilung vor Unterfertigung bzw Abfertigung genau mit der Urschrift verglichen werden.

3. Die als Grundbuchsurkunde vorgelegte „Vergleichsausfertigung ‑ Teilausfertigung“ musste als elektronische Ausfertigung zwar nicht unterfertigt werden. Aus ihrer Bezeichnung (Teilausfertigung) und ihrem Erscheinungsbild ergibt sich aber eindeutig, dass sie den Inhalt des Scheidungsvergleichs nicht zur Gänze wiedergibt. Es liegt kein nach § 146 Abs 1 GeO iVm § 79 Abs 5 GOG oder § 417 letzter Absatz ZPO zulässiger Fall einer gekürzten Ausfertigung vor. Es wurde daher keine als Original anzusehende vollständige Ausfertigung eines gerichtlichen Vergleichs vorgelegt. Eine Grundbuchsurkunde darf keine Bedenken gegen ihre Vollständigkeit aufkommen lassen (vgl RIS‑Justiz RS0061072).

4. Die Vorlage der Teilausfertigung des Scheidungsvergleichs widerspricht somit § 87 Abs 1 GBG.

5. Grundbuchsurkunden müssen nach § 27 Abs 1 erster Halbsatz GBG frei von sichtbaren Mängeln sein, die ihre Glaubwürdigkeit schwächen. Diese Kriterien gelten nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0117704) auch für öffentliche Urkunden, zu denen nach § 33 Abs 1 lit b GBG gerichtliche Vergleiche zählen.

6. Der Oberste Gerichtshof hat in dem zu 5 Ob 182/98w entschiedenen Fall das Durchstreichen einer für die Berechtigung des Grundbuchsgesuchs rechtlich irrelevanten Stelle in einem Kaufvertrag (Grundbuchsurkunde) nicht als Eintragungshindernis im Sinn des § 27 Abs 1 GBG erachtet. Die Unerheblichkeit der durchgestrichenen Passage (Vertragsbeitritt des Sohnes eines Vertragsteils) konnte jedoch aus dem Inhalt der vorgelegten Urkunde erkannt werden. Vergleichbares gilt hier aufgrund der Streichung mehrerer Vergleichspunkte und der „Auslassungen“ jedoch nicht. Wie das Rekursgericht zutreffend darlegte, kann aufgrund der vorliegenden Teilausfertigung insbesondere nicht beurteilt werden, ob im „ausgelassenen“ Vergleichspunkt VII (Ausgleichszahlung) Bedingungen für die in den Punkten II und III geregelte Übertragung eines Hälfteanteils an der bisherigen Ehewohnung zu Gunsten der Antragstellerin enthalten sind, wie etwa das Einlangen einer Zahlung vor Verbücherung. Der Eintritt einer derartigen vertraglichen Bedingung müsste dem Grundbuchsgericht urkundlich nachgewiesen werden (RIS‑Justiz RS0105966; RS0060364), und zwar auch ‑ entgegen der Meinung der Revisionsrekurswerberin ‑ in Fällen treuhändiger Abwicklung (5 Ob 206/13z).

7. Nach der Meinung der Antragstellerin ist die Vorlage einer vollständigen Vergleichsausfertigung nicht zu fordern, weil die Preisgabe privater Angelegenheiten wie beispielsweise Unterhalt, Obsorge und Kontaktrecht gegenüber der Öffentlichkeit völlig irrelevant für die Berechtigung ihres Begehrens auf Einverleibung des (Mit‑)Eigentumsrechts an der früheren Ehewohnung sei. Der Verdacht, dass die vom zuständigen Scheidungsgericht hergestellte Teilausfertigung auch für das Grundbuch relevante Passagen nicht ersichtlich mache, bedeute bereits eine meritorische Prüfung des Vergleichsinhalts, die dem Grundbuchsgericht verwehrt sei.

8. Das Grundbuchsgericht darf aber nur nicht prüfen, ob eine vorgelegte, nach den Bestimmungen der GeO ordnungsgemäß beurkundete Vergleichsausfertigung dem Inhalt des tatsächlich geschlossenen Vergleichs entspricht (5 Ob 91/03y = NZ 2004/580 [GbSlg] [Hoyer]; RIS‑Justiz RS0060671; RS0060672). Diese Einschränkung der Prüfpflicht kommt aber im Fall einer Teilvergleichsausfertigung, deren Vorlage den in § 87 Abs 1 GBG gestellten Anforderungen nicht entspricht, nicht zum Tragen.

9. Nach § 94 Abs 1 GBG ist es nämlich das Grundbuchsgericht, das das Grundbuchsgesuch und die Beilagen genau zu prüfen hat und eine grundbücherliche Eintragung (unter anderem) nur dann bewilligen darf, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet ist (Z 3) und die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer ‑ hier relevanten ‑ Einverleibung, erforderlich ist (Z 4).

10. Es dürfen daher weder formelle ‑ hier auf § 87 Abs 1 GBG gegründete ‑ noch durch die Unvollständigkeit der vorgelegten Teilvergleichsausfertigung hervorgerufene materiell‑rechtliche Bedenken bestehen (RIS‑Justiz RS0060878; Kodek in Kodek aaO § 94 GBG Rz 4). Durch den Inhalt der in ihrer Gesamtheit zu beurteilenden (RIS‑Justiz RS0010950) Grundbuchsurkunde geweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel führen zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs (RIS‑Justiz RS0060573).

11. Die Vorinstanzen haben das Grundbuchsgesuch daher zutreffend abgewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte