OGH 6Ob101/15v

OGH6Ob101/15v26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. G*****, 2. D*****, beide vertreten durch Mag. Gerald Griebler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 63.751,20 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 27. März 2015, GZ 7 R 141/14b‑44, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00101.15V.1126.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Die Kläger sind die Vermieter der von der Beklagten gemieteten Geschäftsräume in einem Haus in G*****, dessen Eigentümer der Erstkläger und dessen Fruchtnießerin die Zweitklägerin ist. Das Mietverhältnis unterliegt dem Vollanwendungsbereich des MRG.

Im auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag vom 27. 6. 1988 wurde ein wertgesicherter Bestandzins vereinbart und dass der Bestandgeber das Bestandverhältnis erstmals zum 31. 12. 2011 kündigen kann. Punkt XVI. des Mietvertrags lautet:

„Die Parteien dieses Vertrags kommen überein, dass jede von ihnen vom 1. Juli 2010 an das Recht hat, die andere zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ziel einer Verlängerung dieses Bestandvertrags aufzufordern. Die aufgeforderte Vertragspartei ist verpflichtet, sich spätestens am 1. Jänner 2011 an derartigen Verhandlungen zu beteiligen. … Sollte die Bestandnehmerin, ohne dass es zu einer Vereinbarung über eine Verlängerung des vorliegenden Bestandvertrages für die Zeit nach dem 1. Jänner 2012 gekommen ist, das Bestandobjekt nach diesem Zeitpunkt weiter benützen, stimmt sie schon jetzt der Erhöhung des Bestandzinses vom 1. Jänner 2012 an um 50 % zu.“

Die Vertragsparteien wussten bei Abschluss des Vertrags, dass eine Befristung des Bestandvertrags nach der damaligen Rechtslage nicht zulässig war. Ungeachtet dessen wollten sie einen befristeten Bestandvertrag. Sie schlossen daher den Vertrag auf unbestimmte Zeit mit dem befristeten Kündigungsverzicht des Bestandgebers ab. Aufgrund dessen wurde für den Fall des Nichtzustandekommens einer Vertragsverlängerung bis 1. 1. 2012 die Regelung in Punkt XVI. des Vertrags getroffen.

Wegen einer vom Erstkläger beabsichtigten Errichtung einer Tiefgarage und eines oberirdischen Parkplatzes kam es zwischen den Streitteilen zu Differenzen. Im Jahr 2002 schlossen die Streitteile und die L***** OHG einen (mit 19. 4. 2002) datierten Vergleich, in dem die Beklagte der Tiefgaragenerrichtung zustimmte. Der Erstkläger verpflichtete sich zur Abgeltung aller Schadenersatzansprüche zur Zahlung eines Pauschalbetrags von 360.000 EUR an die Beklagte; er und die Zweitklägerin verzichteten außerdem für den Zeitraum von 1. 7. 2002 bis einschließlich 30. 6. 2012 auf den Hauptmietzins für das gesamte Mietobjekt und auf das Recht der ordentlichen Kündigung zu einem Kündigungstermin vor dem 31. 12. 2012. Die L***** OHG ‑ die Bauführerin ‑ verpflichtete sich zur Zahlung eines pauschalen Schadenersatzbetrags von 510.000 EUR an die Beklagte. Dieser Vergleich beinhaltete nach dem übereinstimmenden Willen der Streitteile bereits eine Verlängerung des Bestandverhältnisses zwischen den Klägern und der Beklagten bis zum 31. 12. 2012.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Berufungsgericht das auf Zahlung der Differenz zwischen dem um 50 % erhöhten Mietzinses für die Monate Juli bis Dezember 2012 und dem von der Beklagten für diese Monate gezahlten Zins ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Kläger zeigt keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Der Oberste Gerichtshof hat schon in der Entscheidung 9 Ob 10/10a zum Vergleich vom 19. 4. 2002 ausgeführt, dass Verfügungen über den Gegenstand der Zwangsverwaltung nur relativ unwirksam sind (RIS‑Justiz RS0002823 [T4]) und zudem nur der betreibenden Partei gegenüber, soweit sich die Verfügungen zu deren Nachteil auswirken (RIS‑Justiz RS0002823 [T1]; RS0004007). Betreibende Partei des damaligen Zwangsverwaltungsverfahrens war allerdings die Beklagte. Das Berufungsgericht ist nicht von der oberstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 12/02d abgewichen. Die Revisionswerber übersehen mit ihren Ausführungen zu § 42 MRG, dass mit dem Vergleich nicht über die Hauptmietzinsforderungen zweckwidrig verfügt, sondern diese zur teilweisen Abgeltung der Schäden der Beklagten aus der Errichtung der Tiefgarage herangezogen und somit durch Aufrechnung getilgt wurden (9 Ob 10/10a).

2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ausgehend von der Feststellung des Erstgerichts, wonach es mit dem Vergleich vom 19. 4. 2002 nach dem übereinstimmenden Willen der Streitteile bereits zu einer Vertragsverlängerung gekommen ist, die Anhebungsklausel in Punkt XVI. des Mietvertrags nicht zum Tragen kommt, ist jedenfalls vertretbar. Die Bekämpfung der Feststellung des Erstgerichts in der Revision ist nicht möglich, weil der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist. Die Frage, ob diese Klausel nach dem MRG zulässig war, ob es dadurch ‑ wie das Berufungsgericht in einer Zusatzbegründung ausführte ‑ zu einer unzulässigen Umgehung der vor der WRN 2000 unzulässigen Befristung von Geschäftsraummieten kam oder ob sie wirksam vereinbart werden konnte, ist daher nicht entscheidend, sodass die Ausführungen der Revision zu diesen Fragen keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.

3. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach für die Laderampe im Hinblick auf die unmittelbar vor Vergleichsabschluss vom Beklagtenvertreter den Klägern übermittelte Plankopie mit eingezeichneten (die Laderampe erfassenden) Grenzen des Bestandobjekts aufgrund Punkt 5. des Vergleichs vom 19. 4. 2002 kein gesonderter Mietzins mehr zu zahlen sei, ist jedenfalls vertretbar.

4. Die Streitteile haben im Mietvertrag einen Schriftformvorbehalt vereinbart. Das Erstgericht stellte fest, nicht feststellen zu können, dass eine „explizite schriftliche Vereinbarung“ besteht. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass mangels Behauptung der Kläger eines übereinstimmenden Parteiwillens, vom Schriftformgebot abzugehen, die mündliche Vereinbarung zur Zahlung eines sogenannten Erhaltungs‑ und Verbesserungsbeitrags wegen Nichteinhaltung der vereinbarten Schriftform nicht rechtswirksam getroffen wurde (§ 884 ABGB), ist keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

5. Auf das vorgelegte private Rechtsgutachten musste das Berufungsgericht nicht eingehen (RIS‑Justiz RS0041743 [T2]; RS0043585).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte