OGH 12Os46/15d

OGH12Os46/15d19.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Niloufar E***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Niloufar E***** und Afshin Eg***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 17. November 2014, GZ 29 Hv 105/14p‑232, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00046.15D.1119.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Niloufar E***** der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Abs 4 erster Fall FPG (I./A./) sowie der Vergehen der entgeltlichen Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt nach § 115 Abs 1 und Abs 2 FPG (II./A./) und Afshin Eg***** der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG (I./B./) und des Vergehens der entgeltlichen Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt nach §§ 12 dritter Fall StGB, 115 Abs 1 FPG (II./B./) schuldig erkannt.

Danach haben sie in I***** und an anderen Orten von September 2012 bis April 2013

I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Neda E*****, Nasar E***** und den im Iran agierenden Schleppern Sharooz A***** und N. M***** als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise „und Durchreise“ iranischer Staatsangehöriger nach „und durch“ Österreich mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt, nämlich an Sharooz A***** in Höhe von rund 13.000 Euro pro Person und an Niloufar E***** von ca 1.000 Euro pro erwachsener Person, unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A./ Niloufar E***** gewerbsmäßig hinsichtlich insgesamt 15 im Urteil namentlich genannter iranischer Staatsangehöriger

1./ durch Vermittlung des Kontakts zu dem im Iran aufhältigen und abgesondert verfolgten Schlepper Sharooz A***** sowie durch den Auftrag, für die rechtswidrige Einreise ein gefälschtes Visum zu organisieren;

2./ „unmittelbar nach Ankunft der […] geschleppten Personen am Flughafen in W*****, durch Dirigieren der Migranten von W***** an ihren Zielort (I***** oder Asylaufnahmestelle T*****) mittels telefonischer Bekanntgabe der Zug‑ und Busabfahrtszeiten“;

3./ „unmittelbar nach Ankunft der […] geschleppten Personen in I***** durch Abholung und Verbringung der Migranten in eine Unterkunft bzw durch Organisation der Weiterreise zu einer Asylantragsstelle (Polizeidienststellen, Asylaufnahmestelle T*****)“;

4./ „durch Weiterleitung eines Teils des von den geschleppten Personen an sie ausbezahlten Schlepperlohns über Mittelsmänner an den iranischen Schlepper“ Sharooz A*****, indem sie diesem in zumindest drei Fällen insgesamt 3.800 Euro überwies bzw übergab;

B./ Afshin Eg***** „unmittelbar nach Ankunft der […] geschleppten Personen in I***** durch Abholung und Verbringung der Migranten in eine vorab organisierte Unterkunft bzw durch Organisation der Weiterreise in eine Asylantragsstelle (Polizeidienststelle, T*****)“ hinsichtlich insgesamt acht im Urteil namentlich genannter iranischer Staatsangehöriger;

II./ mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes, nicht bloß geringfügiges Entgelt, nämlich den unter Punkt I./ genannten Lohn in Höhe von 1.000 Euro pro Person, unrechtmäßig zu bereichern, Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Europäischen Union erleichtert, und zwar

A./ Niloufar E***** gewerbsmäßig, indem sie insgesamt 18 im Urteil namentlich genannte iranische Staatsangehörige dazu anleitete, vor der Asylbehörde

a./ wahrheitswidrig zu behaupten, „sie würden den dringenden Wunsch verspüren, vom Islam zum Christentum zu konvertieren bzw sie wären bereits konvertiert, weshalb sie von den iranischen Behörden verfolgt würden“,

b./ ihre Reiseroute und Zwischenaufenthalte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor ihrer Einreise nach Österreich zu verschweigen und die bezughabenden, einem positiven Ausgang des Asylverfahrens abträglichen Unterlagen zu unterdrücken;

B./ Afshin Eg***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, indem er das von einem im Urteil namentlich genannten iranischen Staatsangehörigen für die zu II./A./ genannten Taten entrichtete Entgelt von 400 Euro in Empfang nahm und an Niloufar E***** weiterleitete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die von Niloufar E***** auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO und von Afshin Eg***** auf Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten. Ihnen kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Niloufar E*****:

Den Ausführungen zum überwiegend auf den Einwand fehlender bzw offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) gestützten Vorbringen der

Mängelrüge ist

voranzustellen, dass die unter Nichtigkeitsdrohung stehende Begründungspflicht ausschließlich für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen besteht. Darunter sind solche zu verstehen, die entweder auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben (§§ 260, 270 Abs 2 Z 4, 5, 281 Abs 1 Z 5 StPO; RIS‑Justiz RS0106268, RS0099497; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399).

Offenbar unzureichend ist eine Begründung, die den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS‑Justiz RS0118317).

Die mit Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisierten (allgemeinen) Feststellungen der Tatrichter zur Entwicklung der Zahl der von iranischen Staatsangehörigen gestellten Asylanträge (US 10) sowie zum Zeitpunkt, zu welchem die Migranten mit der Telefonnummer der Beschwerdeführerin „ausgestattet“ waren, betreffen jeweils keine entscheidenden Tatsachen.

Dass die Nichtigkeitswerberin als Mitglied eines international tätigen Schlepperrings agierte (US 11 ff), hat das Erstgericht dem Einwand offenbar unzureichender Begründung zuwider aus der Zahl der geschleppten Personen über einen längeren Tatzeitraum, der gleichbleibenden Aufgabenverteilung und aus ihrer detaillierten Kenntnis der Vorgehensweise der absondert verfolgten Schlepper erschlossen (US 41).

Entgegen dem weiteren Vorbringen ist die von den Tatrichtern aus der „ursprünglich“ (gemeint: im Ermittlungsverfahren; vgl insbesondere ON 43 S 10 ff und S 30 ff, ON 80 S 7 ff [= ON 96] sowie ON 97 S 3 ff) geständigen Verantwortung der Beschwerdeführerin und des Angeklagten Afshin Eg***** im Zusammenhalt mit den Angaben der vernommenen Zeugen und mit den Ergebnissen der durchgeführten „Telefonüberwachungen“ erfolgte Ableitung (US 37 im Zusammenhalt mit den auf US 11 ff jeweils im Detail angeführten Fundstellen im Akt) der Feststellungen zu den Schuldspruch II./A./ zugrunde liegenden Tathandlungen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Soweit die Beschwerdeführerin diese Schlussfolgerungen pauschal als „unstatthafte Vermutungen“ kritisiert und ihnen zum Teil eigenständige Beweiswerterwägungen entgegenhält, bekämpft sie ‑ nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung ‑ die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Ob es sich bei der inkriminierten Tätigkeit um ein für die Angeklagte „lukratives Geschäftsmodell“ handelte, betrifft keine entscheidende Tatsache.

Die Frage, ob die Einreisetitel (Touristenvisa) der zu Schuldspruch I./A./2./a./ genannten Personen „vermutlich gefälscht“ waren, betrifft ‑ mit Blick auf den nicht in Frage gestellten Zweck ihrer Einreise (US 15 f) ‑ keine entscheidende Tatsache, weil auch deren Erschleichung Rechtswidrigkeit der Einreise begründet (vgl RIS‑Justiz RS0118058; Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 9 mwN).

Dass diese Migranten ‑ entgegen ihrer ursprünglichen Absicht ‑ aufgrund der Empfehlung des im Iran agierenden Schleppers Sharooz A***** wegen seiner zur Beschwerdeführerin und ihren Mittätern bestehenden „Kontakte“ nach Österreich einreisten (US 15 f), ist nicht entscheidungswesentlich. Überdies hat das Schöffengericht dies ‑ dem Vorwurf mangelnder Begründung zuwider ‑ aus den im Urteil näher wiedergegebenen Angaben der Angeklagten, der abgesondert verfolgten Neda E***** sowie der Zeugen Ali ***** Ah***** und Nazila K***** abgeleitet (US 16 bis 18).

Weshalb die Schuldspruch II./A./ (iVm I./A./2./a./) zugrunde liegenden Feststellungen zum Gegenstand der wahrheitswidrigen Angaben der dort genannten Personen im Asylverfahren und die darauf bezogene Tathandlung der Angeklagten nicht unzweifelhaft erkennbar wären (Z 5 erster Fall), bleibt angesichts der unmissverständlichen Urteilsannahmen (US 15 unten: „Für das Asylverfahren instruierte sie die Geschleppten über ihr Aussageverhalten, nämlich die wahre Reiseroute zu verschweigen und als Fluchtgrund die religiöse Verfolgung im Iran wegen ihres christlichen Glaubens zu behaupten“) ebenso unerfindlich wie der unsubstantiiert behauptete Begründungsmangel (Z 5 vierter Fall; vgl die auf US 15 durch Ausweis der Fundstellen im Akt bezeichnete Zeugenaussage).

Die Kritik an der Schuldspruch II./A./a./ (iVm I./A./2./b./) betreffenden Konstatierung, die Familie M***** und S***** hätte im Asylverfahren auftragsgemäß behauptet, sich durch ein persönliches Ereignis in ihrem Leben dem christlichen Glauben zugewandt zu haben und aus diesem Grund von den iranischen Behörden gesucht zu werden (US 19), übergeht die Ausführungen der Tatrichter, wonach sie diese Konstatierungen aus der geständigen Verantwortung der Angeklagten und der abgesondert verfolgten Neda E***** im Ermittlungsverfahren abgeleitet haben (US 19).

Auch die Feststellungen zu Schuldspruch II./A./ iVm I./A./2./c./ hat das Erstgericht aus eben diesen geständigen Verantwortungen erschlossen (US 21) und auch dargelegt, aus welchen Erwägungen es die entgegenstehenden Angaben der Zeugen Somaye ***** Kh***** und Abbass ***** P***** verworfen hat (US 21 bis 23).

Die Frage, ob die Einreisetitel der zu Schuldspruch I./A./2./d./ und e./ genannten Personen „gefälscht“ (bzw „gestohlen“) waren, betrifft wiederum keine entscheidende Tatsache.

Abermals aus den von der Beschwerdeführerin bei ihrem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung übergangenen Erwägungen der Tatrichter zu einer geständigen Verantwortung im Ermittlungsverfahren (US 24, US 30) erschlossen diese die Feststellungen zu Schuldspruch II./A./ iVm I./A./2./d./ und hinsichtlich Cameran Mu***** und seiner Familie.

Dass sich Erfan Sa***** laut Urteilsannahmen als Cousin der Angeklagten ausgab (US 32), betrifft erneut keine entscheidende Tatsache (vgl § 2 Abs 4 Z 11 und 12 FPG, §§ 2 Abs 1 Z 9, 47 Abs 3 Z 3 NAG und § 2 Abs 1 Z 20c und 22 AsylG). Mit welcher konkreten weiteren Feststellung diese Annahme im Widerspruch stehen soll, macht das Vorbringen nicht deutlich.

Die Frage einer allfälligen rechtswidrigen Einreise des Milad Po***** betrifft ‑ mit Blick auf die ihn tangierenden, nur nach § 115 Abs 1 und 2 FPG inkriminierten Tathandlungen (Schuldspruch II./A./; US 32 ff) ‑ abermals keine entscheidende Tatsache. Die Kritik an den von den Tatrichtern aus seinen Angaben abgeleiteten Schlussfolgerungen beschränkt sich neuerlich auf einen unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Welchen weiteren Beweisergebnissen dessen Angaben widersprechen sollten, sodass diese erörterungsbedürftig gewesen seien (dSn Z 5 zweiter Fall), sagt die Rüge nicht.

Zur Geltendmachung der behaupteten ‑ im Übrigen wiederum keine entscheidenden Tatsachen betreffenden ‑ Begründungsmängel (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zu den vom Angeklagten Afshin Eg***** im Juni 2013 getroffenen Verfügungen über ein Girokonto ist die Beschwerdeführerin nicht legitimiert (RIS‑Justiz RS0099257; Ratz, WK‑StPO § 282 Rz 27).

Indem die Mängelrüge eine isoliert hervorgehobene Passage der zusammenfassenden beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter (US 37) als „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) abtut, orientiert sie sich nicht an der gebotenen Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (US 37 letzter Absatz iVm den auf US 11 ff jeweils gewürdigten Beweismitteln; vgl RIS‑Justiz RS0119370, RS0116504; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394).

Unter dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5a) verfehlt das ‑ ohne konkrete Bezugnahme auf aktenkundige, in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweismittel erstattete, im Übrigen unsubstantiierte ‑ Vorbringen die prozessförmige Darstellung (RIS‑Justiz RS0117961).

Die Feststellung einer ‑ bereits vor deren Einreise nach Österreich zugesagten ‑ „Unterstützung“ der geschleppten Personen durch die Angeklagte (US 39) ergibt sich ebenso aus den von der Beschwerdeführerin übergangenen Erwägungen der Tatrichter insbesondere zu ihrer geständigen Verantwortung im Ermittlungsverfahren (US 37 iVm ON 43 28 ff, ON 80 S 7 ff [= ON 96] und ON 97 S 3 ff) wie die Annahme, dass ihre Kontrolle über das Aussageverhalten der Geschleppten die Aufdeckung der Organisation verhindern sollte (US 37 iVm ON 80 S 9).

Worin der Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen den von den Tatrichtern festgestellten Vermögensverhältnissen im Urteilszeitpunkt (US 9) und im Tatzeitpunkt (US 40) bestehen soll, macht die Beschwerdeführerin nicht deutlich. Weshalb in der Hauptverhandlung am 17. November 2014 vorgelegte Urkunden, aus denen die Vermögensverhältnisse der Zweitangeklagten vor dem Tatzeitraum dargelegt würden, erörterungsbedürftig gewesen sein sollten, sagt die Rüge nicht. Der in diesem Zusammenhang bloß substratlos behauptete Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung.

Die gesetzmäßige Ausführung eines

materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten an der Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren

Verdeutlichung das Erkenntnis herangezogen werden kann, deren Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581).

Zur prozessförmigen Ausführung einer Rechts- oder Subsumtionsrüge genügt es nicht, die angestrebte rechtliche Konsequenz (Schuldspruch statt Freispruch oder umgekehrt beziehungsweise Änderung der rechtlichen Unterstellung) zu behaupten. Diese ist vielmehr methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116569).

Die Schuldspruch I./A./ betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den hinreichend deutlichen Konstatierungen der Tatrichter zu der bereits vor der (tatplangemäß vorzunehmenden) Einreise der im Urteil genannten iranischen Staatsangehörigen nach Österreich erfolgten ‑ und damit deren Förderung begründenden (vgl Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 10) ‑ Zusage der zu I./A./2./ bis 4./ genannten Handlungen durch die Angeklagte (US 11 bis 14 und US 39). Im Übrigen verkennt das Vorbringen, dass die tatsächliche Einreise eines Fremden ohne Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0127813) und die rechtliche Annahme nur einer von mehreren austauschbaren in § 114 Abs 1 FPG genannten (hier: neben der Ein- auch die Durchreise der Fremden [US 39]) Alternativen nicht angefochten werden kann (RIS‑Justiz RS0116655, RS0098710). Die zu I./A./4./ vermisste Feststellung der Weiterleitung von noch ausständigen Schlepperlöhnen findet sich auf US 13.

Weshalb das zu Schuldspruch I./A./1./ konstatierte Verhalten der Angeklagten (US 31) insgesamt nur eine „straflose Vorbereitungshandlung“ begründen sollte, leitet das bloß einen Teilaspekt ihrer Tätigkeit herausgreifende weitere Vorbringen nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl demgegenüber RIS‑Justiz RS0127813; Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 10).

Die gegen Schuldspruch II./A./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) beschränkt sich mit der unsubstantiierten Bestreitung der Tatbestandsmäßigkeit der der Beschwerdeführerin angelasteten Tathandlungen ebenfalls auf eine nicht methodisch aus dem Gesetz entwickelte Rechtsbehauptung (§§ 31 und 120 Abs 2 FPG; Schmalzl in Schrefler‑König/Szymanski, Fremdenpolizei‑ und Asylrecht § 115 FPG Anm 1; Tipold in WK2 FPG § 115 Rz 5, 10 und 12).

Auch die Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich nicht an den Feststellungen der Tatrichter zu dem von ihnen angenommenen, auf längere Dauer angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Begehung der hier in Rede stehenden strafbaren Handlungen (US 11 ff iVm US 41) und verfehlt damit den im Urteilssachverhalt

gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt des materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Afshin Eg*****:

Dessen Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) bezieht sich mit ihrer Kritik an der Annahme, der Beschwerdeführer habe an den Einnahmen der Angeklagten Niloufar E***** „mitpartizipiert“, auf keine entscheidende Tatsache (vgl RIS‑Justiz RS0093364 [T2]). Die Annahme seines auf unrechtmäßige Bereicherung (zumindest) eines Dritten gerichteten (Eventual‑)Vorsatzes (US 39 f) haben die Tatrichter seinem weiteren Vorbringen zuwider mängelfrei aus seiner „ursprünglich“ (gemeint: im Ermittlungsverfahren) ‑ auch zur subjektiven Tatseite ‑ geständigen Verantwortung abgeleitet (US 37 iVm ON 43 S 10 ff). Die Behauptung, die Tatrichter hätten „Wissentlichkeit“ angenommen, übergeht die genannten Feststellungen (US 39 f).

Das Bestehen eines auf längere Dauer angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen zur Begehung der gegenständlichen strafbaren Handlungen (US 11 ff iVm US 41) hat das Schöffengericht aus der zunächst geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers und der Angeklagten Niloufar E***** im Ermittlungsverfahren (ON 43 S 10 ff und S 30 ff, ON 80 S 7 ff sowie ON 97 S 3 ff) im Zusammenhalt mit den Angaben der vernommenen Zeugen und mit den Ergebnissen der durchgeführten „Telefonüberwachungen“ erschlossen (vgl US 37 im Zusammenhalt mit den auf US 11 ff jeweils im Detail angeführten Fundstellen im Akt).

Die Schuldspruch I./B./ betreffende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den ‑ hinreichend deutlichen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) ‑ Konstatierungen zu der bereits vor der (tatplangemäß vorzunehmenden) Einreise der im Urteil genannten iranischen Staatsangehörigen nach Österreich erfolgten ‑ und damit deren Förderung begründenden (vgl Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 10) ‑ Zusage der zu I./B./ genannten Handlungen (auch) dieses Angeklagten (US 11 bis 14 und US 39). Das auf Grundlage des tatsächlichen Zeitpunkts der Einreise (vgl aber RIS‑Justiz RS0127813) der zu Schuldspruch I./B./ genannten Fremden argumentierende ‑ nur deren Durchreise in Abrede stellende ‑ Vorbringen ist mit Blick auf diese unbekämpften Annahmen für die Schuldfrage ohne rechtliche Relevanz (vgl RIS‑Justiz RS0116655, RS0098710).

Die Forderung der Feststellung wissentlicher (§ 5 Abs 3 StGB) Tatbegehung entbehrt wiederum einer methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (vgl demgegenüber Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 11).

Die gegen Schuldspruch II./B./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Feststellungen (US 28 ff iVm US 39 f), aus welchen sich die tatkausale Beitragshandlung des Beschwerdeführers (US 29) sowie ‑ hinreichend deutlich (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) ‑ ergibt, dass sich der von den Tatrichtern verwendete Begriff „Schlepperlöhne“ (nicht nur auf § 114 Abs 1 FPG, sondern) auch auf das für nach § 115 Abs 1 FPG tatbestandsmäßige Förderungshandlungen geleistete Entgelt bezieht (vgl US 28 ff und US 32 ff zur undifferenzierten Verwendung des Begriffs „Schlepperei“ sowie US 5 und US 39 zur Konstatierung der subjektiven Tatseite insgesamt [arg: „und nachfolgend den unbefugten Aufenthalt der rechtswidrig eingereisten Personen erleichtert“] zu den Schuldsprüchen I./ und II./ hinsichtlich beider Angeklagter).

Die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell auch Z 5 vierter Fall) orientiert sich nicht an den Feststellungen zu einem angenommenen, auf längere Dauer angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen ‑ nämlich den abgesondert verfolgten Sharooz A*****, N. M*****, Neda und Nasar E***** sowie den Angeklagten ‑ zur Begehung der hier gegenständlichen strafbaren Handlungen (US 11 ff iVm US 41) und verfehlt damit den (auf der Sachverhaltsebene) gerade darin gelegenen

Bezugspunkt materieller Nichtigkeit. Weshalb die Willenseinigung der beteiligten Personen eine über das festgestellte konkludente Verhalten hinausgehende Verabredung erfordern sollte (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0125232 [T2]; Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 5), entwickelt der Beschwerdeführer abermals nicht methodengerecht aus dem Gesetz.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerungen der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO bleibt anzumerken, dass unter dem ‑ durch den Beitritt der Republik Österreich zum Schengener Vertragswerk relevant gewordenen (EBRV 952 BlgNR 22. GP , 76) ‑ Begriff der Durchreise das „Durchqueren des Bundesgebiets samt den hiefür unerlässlichen Unterbrechungen“ (§ 2 Abs 4 Z 3 FPG) zu verstehen ist, um sich in das Hoheitsgebiet eines Drittstaats zu begeben (vgl Art 11 Abs 1 lit b des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen, BGBl III 90/1997). Die Förderung der Durchreise iSd § 114 Abs 1 FPG betrifft daher nur solche Reisebewegungen, deren tatplangemäßes Ziel die Weiterreise in einen Drittstaat (mit-)umfasst. Innerhalb des Bundesgebiets erfolgende Reisebewegungen mit einem Ziel im Inland können demgemäß nur unter dem Aspekt des § 115 Abs 1 FPG von Relevanz sein (vgl auch Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 7 und 31, § 115 Rz 13, der unter Hinweis auf „§ 20 Abs 5 FPG“ [gemeint: idF BGBl I 100/2005] darüber hinaus noch auf eine Verweildauer von fünf Tagen abstellen möchte; siehe dazu aber nunmehr Art 2 Z 2 lit a der Verordnung [EG] Nr 810/2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex], ABl L 243 vom 15. September 2009 sowie EBRV 2144 BlgNR 24. GP , 18 f und 21).

Die tatsächliche Umsetzung der von den Angeklagten bereits vor der (tatplangemäß vorzunehmenden) Einreise der im Urteil genannten iranischen Staatsangehörigen nach Österreich gegebenen ‑ und damit nach § 114 Abs 1 FPG tatbestandsmäßigen ‑ Zusage wurde jedoch ‑ insoweit rechtlich verfehlt ‑ auch zu Schuldspruch I./ angeführt und damit jeweils dem Tatbestand der Schlepperei unterstellt. Diese reinen Binnenreisebewegungen (mit dem Ziel der Erschleichung von Aufenthaltstiteln durch die zu Schuldspruch II./ angeführten weiteren Verhaltensweisen) betreffenden (Förderungs‑)Handlungen können jedoch nur ‑ weil über den Grenzschutz hinausgehend auch Verhaltensweisen in Bezug auf bereits (rite) eingereiste Fremde erfassend (Tipold in WK2 FPG § 115 Rz 3, 12; vgl auch RIS‑Justiz RS0118057; zu den verschiedenen ‑ insbesondere auch aus den Kosten erschlichener Aufenthaltsrechte resultierenden fiskalischen ‑ Aspekten des Migrationsunrechts Tipold in WK2 FPG Vor §§ 114 ‑ 119 Rz 6 mwN) in echter Konkurrenz dazu ‑ Strafbarkeit nach § 115 Abs 1 FPG begründen.

Eine konkrete Benachteiligung der Beschwerdeführer ist jedoch nicht ersichtlich, weil das vom Erstgericht angenommene Zusammentreffen „von mehreren Verbrechen und mehreren Vergehen“ (US 42) bei der Angeklagten Niloufar E***** (aufgrund der wiederholten Tatbegehung in Bezug auf eine Mehrzahl von Fremden) auch bei der richtigerweise vorzunehmenden Subsumtion zutreffend wäre und sich die Annahme des „Zusammentreffens von mehreren Verbrechen und einem Vergehen“ (US 42) zum Vorteil des Angeklagten Afshin Eg***** auswirkt. Im Übrigen ist das Berufungsgericht nach entsprechender Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof an die fehlerhafte Subsumtion nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0118870; Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 27/1).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte