OGH 12Os74/15x

OGH12Os74/15x22.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ortner als Schriftführer in der Strafsache gegen Scott F***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 23. Februar 2015, GZ 18 Hv 85/14h‑44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00074.15X.1022.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Privatbeteiligtenzuspruch enthält, wurde Scott F***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (1./) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz ‑ am 28. Februar 2014 in G***** die durch Alkohol beeinträchtigte, schlafende Diane Marie D*****, somit „eine wehrlose Person“, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er ihr zunächst seinen erigierten Penis in den Mund steckte und in weiterer Folge mit seinem erigierten Penis in ihre Vagina eindrang, somit mit ihr eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung und den Beischlaf vornahm.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Ob sich das Tatopfer am späten Abend des 27. Februar 2014 in der Hotelbar nur in Begleitung von Jehna Da***** befand oder auch Lily H***** zugegen war, betrifft schon deshalb keine entscheidende oder erhebliche Tatsache (zu den Begriffen Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 399 ff, 409 ff), weil Diane Marie D***** jedenfalls bereits einige Zeit alleine war, bevor sie ihr Zimmer aufsuchte (US 3 iVm ON 2 S 42 und ON 10 S 4), und auch ein allfälliger Irrtum in diesem Punkt ‑ der Rüge zuwider ‑ keine Rückschlüsse auf die behauptete Beeinträchtigung ihrer Wahrnehmungsfähigkeit zum eigentlichen Tatgeschehen zuließe. Der behauptete Widerspruch zwischen den Angaben des Tatopfers und den Aussagen der Zeugen Michael C***** und Jehna Da***** (die aber davon spricht, dass Lily H***** sie bei ihrem vorangehenden Abendessen begleitet hatte; ON 2 S 41), war daher entgegen dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erörterungsbedürftig.

Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Einnahme von Diazepam und Sainex „am verfahrensgegenständlichen Abend“ und das daraus abgeleitete, die Aussagetüchtigkeit des Tatopfers in Frage stellende Wahrnehmungsdefizit erschöpft sich in einer bloßen, im Übrigen nicht durch die gebotene Bezeichnung entsprechender Belegstellen fundierten (vgl RIS‑Justiz RS0124172) Behauptung (siehe demgegenüber die Angaben der Diane Marie D*****, an diesem Tag keine Medikamente genommen zu haben; ON 10 S 8), die den Anforderungskriterien einer Mängelrüge nicht gerecht wird.

Der unter dem Titel der Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) erhobene Einwand, das Erstgericht hätte den durch das Tatopfer vermittelten Eindruck während der kontradiktorischen Vernehmung falsch wiedergegeben, zumal es den gesamten Geschehnisablauf ruhig und unaufgeregt geschildert und einzig zu weinen begonnen habe, als sie über die Schönheit des von ihr bewohnten Hotels gesprochen habe (gemeint offenbar ON 10 S 16; vgl jedoch auch ON 10 S 5), verkennt, dass der aufgrund des in der Hauptverhandlung (in diesem Fall durch Vorführung der DVD über die Vernehmung; ON 42 S 27) gewonnene persönliche Eindruck zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen führende kritisch‑psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 431).

Aus welchen Gründen sich Diane Marie D***** weigerte, nach der Tat in ein anderes Hotel verlegt zu werden, ist weder entscheidend noch erheblich, sodass das Schöffengericht nicht verhalten war, die darauf bezogenen Wahrnehmungen der Hotelmanagerin Marlies De***** (ON 7a S 3) in seine Überlegungen miteinzubeziehen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt mit der Behauptung, die vorliegenden Feststellungen vermöchten keinen Schuldspruch nach § 205 Abs 1 StGB zu tragen, weil das angefochtene Urteil keine über die Wiedergabe der

verba legalia hinausgehenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite enthalte, nicht auf, welcher weiterer Annahmen zur inneren Tatseite über die ohnedies

getroffenen ‑ und in der Rüge im Wesentlichen zitierten ‑ hinaus (US 4 f) es bedurft hätte.

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, dem Angeklagten sei klar gewesen, er habe also gewusst, dass Diane Marie D***** auf Grund ihres Schlafzustands bzw ihrer Schlaftrunkenheit und ihrer alkoholisierungsbedingten Benommenheit unfähig war, die Bedeutung der geschlechtlichen Handlung einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, es ihm aber gerade darauf angekommen sei, diesen Zustand der sexuellen Selbst-bestimmungsunfähigkeit dazu auszunützen, um mit ihr den Oralverkehr und den Beischlaf vornehmen zu können (US 4 f). Dass diese Feststellungen nichts über den erforderlichen bedingten Vorsatz, nämlich das Tatopfer unter Ausnützung ihres Zustands im Sinn des § 205 StGB zu missbrauchen, aussagten, wird von der Rüge bloß

begründungslos behauptet, nicht jedoch ‑ wie geboten (vgl RIS‑Justiz RS0116569, RS0116565) ‑ methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet.

Weshalb trotz dieser Konstatierungen und der weiteren Urteilsannahme, der Beschwerdeführer habe angesichts der von innen versperrten Zimmertüre in Erwägung gezogen, dass Diane Marie D***** entgegen seiner Annahme tatsächlich keinen sexuellen Kontakt mit ihm gewollt hatte (US 4), es jedenfalls einer Feststellung bedurft hätte, „warum“ er vor der Durchführung der sexuellen Handlungen Kenntnis von der mangelnden Einvernehmlichkeit hätte haben sollen, zumal er nach Bemerken des Wegstoßens sofort vom Tatopfer abgelassen habe, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr versucht der Nichtigkeitswerber mit seinen spekulativen weiteren Erwägungen, daraus ergäbe sich zwingend, dass er es bis zu diesem Zeitpunkt ernstlich für möglich gehalten habe, Diane Marie D***** sei einverstanden gewesen, mit ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen, die erstgerichtlichen Urteilsannahmen in Abrede zu stellen, verfehlt solcherart aber

den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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