OGH 6Ob137/15p

OGH6Ob137/15p31.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** T*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagte Partei ***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch Mag. Sascha Jung, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.500 EUR sA, Unterlassung (Streitwert 15.000 EUR) und Leistung (Streitwert 5.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 10. Juni 2015, GZ 5 R 40/15i‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kläger legt in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs entgegen der ihn nach § 528 Abs 3, § 506 Abs 1 Z 5 ZPO treffenden Verpflichtung weder gesondert noch konkret dar, worin die erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO liegen soll. Er führt lediglich aus, dass die Entscheidung des Rekursgerichts von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) „diametral abweicht“.

2. Eine solche erhebliche Rechtsfrage wird aber auch inhaltlich nicht dargestellt.

2.1. Der Gerichtsstand nach Art 5 Nr 3 Brüssel I‑VO (die Brüssel Ia‑VO findet nach ihrem Art 66 in Anbetracht der Gerichtsanhängigkeit des vorliegenden Verfahrens bereits seit 26. 9. 2013 noch keine Anwendung), auf welchen sich der Kläger auch im Revisionsrekursverfahren ausdrücklich stützt, erfasst außervertragliche Schadenersatzansprüche. Dabei ist nicht entscheidend, ob der geltend gemachte Anspruch nach österreichischem Recht deliktischer Natur ist, sondern ob der Anspruch von Art 5 Nr 3 in seiner Auslegung durch den EuGH erfasst wird. Der EuGH stellt darauf ab, ob die Pflichten, aus deren Verletzung der deliktische Schadenersatzanspruch hergeleitet wird, in einem so engen Zusammenhang mit einem Vertrag stehen, dass dieses vertragliche Element ganz im Vordergrund steht und auch den Charakter des deliktischen Rechtsverhältnisses ganz entscheidend prägt; in solchen Fällen sei Art 5 Nr 3 unanwendbar (vgl auch EuGH 27. 9. 1988 Rs 189/87 [ Kalfelis/Bankhaus Schöder ua ]). Wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem EuGH (vgl 27. 10. 1998 Rs C-51/97 [ Réunion européenne SA ua/Spliethoff’s Bevrachtingskantoor BV ua ]) wiederholt ausgesprochen hat, bezieht sich Art 5 Nr 3 daher (grundsätzlich) auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird, die nicht an einen „Vertrag“ im Sinne des Art 5 Nr 1 anknüpft (RIS‑Justiz RS0109739; 9 Ob 2/05t).

Auch die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH (13. 3. 2014 Rs C‑548/12 [ Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes EURL ua ]) hält fest, dass Klagen wegen zivilrechtlicher Haftung, die nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur sind, gleichwohl an einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art 5 Nr 1 anknüpfen, wenn das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen.

2.2. Ob das vorgeworfene Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Verpflichtungen angesehen werden kann, richtet sich ebenso nach den Umständen des Einzelfalls wie die Ermittlung des konkreten Vertragsgegenstands. Das Rekursgericht ist dabei, ohne dass dies einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, von einer bestehenden Vertragsbeziehung zwischen den Parteien ausgegangen, der sowohl eine Vereinbarung im Jahr 2005 als auch eine solche im Jahr 2009 zugrunde liegen. Warum, wie der Kläger nunmehr in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs meint, im Jahr 2005 eine Vereinbarung gar nicht getroffen worden sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat in der Klage selbst vorgebracht, er habe im Jahr 2005 kostenlos die Dienste von Animierdamen in Anspruch genommen und sei als Gegenleistung damit einverstanden gewesen, dass Szenen seines Aufenthalts im Bordell (von der Beklagten) gefilmt würden; er habe auch einen Kontrakt unterschrieben. Die Übereinkunft zwischen den Parteien aus dem Jahr 2009 nennt er im Übrigen selbst „Unterlassungsvereinbarung“.

2.3. Der Kläger hat im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens „ausdrücklich [ den ] deliktische[ n ] Anspruch im Sinne der §§ 78 ff UrhG geltend gemacht“ und meint nun in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs, damit „nicht mehr“ an die Vereinbarung aus dem Jahr 2009 anzuknüpfen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist zwar ein „Nachschieben“ von Zuständigkeitsgründen, die in der Klage noch nicht geltend gemacht wurden, selbst dann zulässig, wenn die beklagte Partei die internationale Zuständigkeit bestreitet (5 Ob 201/08g); dies ändert aber nichts daran, dass aufgrund des von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts zwischen den Parteien eine vertragliche Grundlage besteht, deren Auslegung für die Ansprüche des Klägers maßgeblich ist.

2.4. Das Erstgericht hat hinsichtlich der Vereinbarung aus dem Jahr 2009 ausgeführt, darin liege „eine den Anforderungen des Art 23 Abs 1 [ Brüssel I‑VO ] genügende Gerichtsstandsvereinbarung, aus der sich die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg“ ergebe. Diese Auffassung hat der Kläger in seinem Rekurs nicht bekämpft, er kommt darauf auch in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht mehr zurück.

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