OGH 3Ob168/02f

OGH3Ob168/02f28.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Harald H*****, vertreten durch Dr. Michael Göbel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Marktgemeinde B*****, vertreten durch Dr. Hermann Geißler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung von Reallasten (Streitwert 7.267,28 EUR), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. März 2002, GZ 18 R 272/01f-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 25. Juni 2001, GZ 4 C 1624/00b-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist Alleineigentümer zweier Liegenschaften, bestehend aus je einem Grundstück (jeweils begrünte Bauflächen). Im Grundbuch ist bei beiden Liegenschaften unter C-LNr 1a zu "TZ eines anderen Gerichtes 4717/1930" die Reallast der Verpflichtung zur Tragung der Kosten der Wasser- und Lichtleitung sowie erstmaligen Straßenherstellung für die beklagte niederösterr. Marktgemeinde einverleibt. Gemäß C-LNr 1b wurden jeweils diese Eintragungen aus einer anderen EZ übertragen.

Der Kläger hat die Kosten für die Herstellung der Wasser- und Lichtleitung bereits bezahlt, die Straße wurde bereits 1958 errichtet. Aus diesem Anlass erließ die beklagte Gemeinde am 26. November 1958 einen Bescheid, in dem sie dem Kläger anteilsmäßige Beitragskosten für die Straßenneubauten der Siedlung vorschrieb. Diesen hob die zuständige Bezirkshauptmannschaft als Berufungsbehörde mit rechtskräftigem Bescheid vom 24. Mai 1961 auf und verwies die Angelegenheit zur Durchführung eines neuerlichen Verfahrens und Erlassung neuer Bescheide an die Baubehörde erster Instanz zurück. Danach schrieb die beklagte Partei keinen weiteren Kostenbeitrag für die Herstellung der Straße vor. Eine Bebauung der Grundstücke des Klägers ist bisher nicht erfolgt, weshalb auch keine Aufschließungsabgabe nach § 38 nö BauO vorgeschrieben wurde.

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei die Zustimmung zur Einverleibung der Löschung der angeführten Reallasten und der jeweiligen Eintragung unter C-LNr 1b. Die Reallasten seien obsolet, weil die erstmalige Straßenherstellung bereits 1958 erfolgt sei und er die Kosten für Wasser- und Lichtleitung bereits seit langem bezahlt habe. Zur Einhebung von Aufschließungsabgaben durch Gemeinden bedürfe es keiner grundbücherlich einverleibten Reallast mehr. Das rechtliche Interesse der beklagten Gemeinde daran sei daher weggefallen. Die beklagte Partei habe das im aufhebenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vorgeschriebene Verfahren nach dem Landesstraßengesetz bei der Bezirkshauptmannschaft nie beantragt und auch nie mehr Kosten vorgeschrieben. Durch die nö BauO 1976 sei, was Straßenbaukosten einer Gemeinde anlange, insofern eine tiefgreifende Änderung erfolgt, als eine Aufschließungsabgabe eingeführt worden sei. Nunmehr seien Gemeinden nicht mehr auf Reallasten angewiesen, um vom Grundstückseigentümer Straßenbaukosten einheben zu können. Eine nach Zivilrecht zu beurteilende Reallastverpflichtung sei durch eine öffentlich-rechtliche Abgabe ersetzt worden. Einer neuerlichen Vorschreibung von Straßenherstellungskosten stünde nunmehr ein faktischer Verzicht und Verjährung sowie Rechtswidrigkeit (Verstoß gegen die nö BauO) entgegen.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, dass der Kläger die mit der Reallast abgesicherten Verpflichtungen ihr gegenüber bis heute nicht vollständig erfüllt habe. Es spiele keine Rolle, dass die Verpflichtung zur Bezahlung bestimmter Straßenbaukosten zusätzlich auch im Gesetz normiert sei. Für die derzeit noch nicht fällige Aufschließungsabgabe diene die eingetragene Reallast nach wie vor als Sicherheit.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Ausgehend von dem oben wiedergegebenen Sachverhalt sah es das Recht der beklagten Gemeinde, einen derartigen Baukostenbeitrag zu fordern, als durch über 40 Jahre dauernde Nichtausübung verjährt an.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Entscheidend sei im vorliegenden Fall, auf welcher Rechtsgrundlage die umstrittene Reallast fuße. Beruhe sie auf einem Privatrechtstitel, also etwa einem privatrechtlichen Vertrag, so kämen als Endigungsgründe jene in Betracht, die auch für Dienstbarkeiten maßgeblich seien. Sei aber Rechtsgrundlage ein Hoheitsakt, also etwa ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde, mit dem öffentliche Interessen wahrgenommen worden seien, so kämen die oben angesprochenen Endigungsgründe nicht in Frage. Insbesondere sei ein staatliches Hoheitsrecht zufolge § 1456 ABGB kein Gegenstand der Ersitzung und Verjährung. Nur dann, wenn in die Vorschriften des öffentlichen Rechts Verjährungsbestimmungen ausdrücklich aufgenommen seien, könnte unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB auf die Verjährungsbestimmungen des ABGB zurückgegriffen werden.

Nach der - nicht festgestellten - Begründung des aufhebenden Bescheids der Bezirkshauptmannschaft vom 24. Mai 1961 sei die Vorschreibung unter Zugrundelegung eines Parzellierungsbescheids der ehemaligen Bezirkshauptmannschaft Hietzing-Umgebung vom 17. Juli 1930 erfolgt. Treffe dies zu, was nach dieser Begründung durchaus möglich erschiene, so handle es sich wohl um eine Reallast des öffentlichen Rechts, von der dann gesprochen werde, wenn sie auf einer im öffentlichen Interesse erlassenen Gesetzesvorschrift beruht. Das bedeute nicht, dass nur solche Verpflichtungen als Reallast in Betracht kämen, die das Gesetz ausdrücklich festlege. Es genüge, dass das Gesetz die Möglichkeit solcher Verpflichtungen eröffne. Keinem Zweifel unterliege es, dass die Gemeinde berechtigt sei, die Bewilligung der Grundabteilung (§§ 6 ff nö BauO in der 1930 geltenden Fassung) von der Erfüllung bestimmter Verpflichtungen abhängig zu machen. In einem solchen Fall würden keine privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Abteilungswerbern und der Gemeinde geregelt, sondern öffentliche Interessen wahrgenommen. Die in der Abteilungsbewilligung auferlegten Lasten gingen als öffentliche Lasten des parzellierten Grundes mit diesem auf die Rechtsnachfolger der Abteilungswerber über. Da es sich also um öffentlich-rechtliche Reallasten handle, sei zu ihrer Wirksamkeit die Eintragung im Grundbuch nicht erforderlich. Sei Rechtsgrundlage der Reallast der Bescheid einer Verwaltungsbehörde, so sei ferner darauf zu verweisen, dass die Gerichte an rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidungen gebunden seien, was eine Prüfung der Frage ausschließe, ob sie durch das Gesetz (noch) gedeckt seien; dies sei letztlich eine Rechtsfolge der von Art 94 B-VG verfügten Gewaltentrennung. Daher könne der vom Kläger behauptete Wegfall des rechtlichen Interesses der beklagten Partei an der Aufrechterhaltung der Reallast infolge Gesetzesänderung nicht vom Zivilgericht geprüft werden.

Der Rekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rsp zur Frage fehle, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen die Löschung einer öffentlich-rechtlichen Reallast im Zivilverfahren begehrt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Zu Unrecht wirft zunächst der Kläger dem Berufungsgericht einen Verstoß gegen das Neuerungsverbot vor, auch wenn tatsächlich die beklagte Partei in erster Instanz lediglich die mangelnde Erfüllung der Reallastverpflichtung eingewendet hatte. Das Vortragen neuer rechtlicher Gesichtspunkte verstößt eben nicht gegen das Neuerungsverbot, wenn dabei das bisherige tatsächliche Vorbringen zugrundegelegt wird (Kodek in Rechberger 2 § 482 ZPO Rz 9 mN). Eine stattgebende Entscheidung hätte aber jedenfalls, wie vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, vorausgesetzt, dass es sich bei der zu Gunsten der beklagten Partei einverleibten Reallast um eine solche auf bürgerlich-rechtlicher und nicht öffentlich-rechtlicher Grundlage handelt. Ist dies der Fall, binden derartige - notwendigerweise rechtsgestaltende - Bescheide die Gerichte (stRsp: EvBl 1983/76 = MietSlg 34/31; 6 Ob 218/01d; RIS-Justiz RS0021153). Allerdings beruft sich das Berufungsgericht zu Unrecht für seine durchaus zu billigende Ansicht, die Bindung an Verwaltungsakte schließe auch die Prüfung aus, ob diese durch das Gesetz noch gedeckt sind, auf die E 5 Ob 563/94 = MietSlg 47.626 (in RIS-Justiz RS0037051). Dieser Rechtssatz kommt in dieser Entscheidung nicht vor. Der Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art 94 B-VG) bietet jedoch für diese Rechtsansicht eine ausreichende Grundlage. Läge demnach tatsächlich ein öffentlich-rechtlicher Titel für die strittige Reallast vor, müsste der Kläger seine Rechtsmeinung, seine Verpflichtung sei erloschen, auf dem Verwaltungsweg durchsetzen.

Öffentlich-rechtliche Reallasten sind nach hA solche, die auf einem öffentlich-rechtlichen Titel (in der Regel einem Bescheid) beruhen (Klang in Klang 2 II 620 f; Gschnitzer/Faistenberger/Barta/Call/Eccher, Sachenrecht2 182; ebenso 7 Ob 423, 424/55; ähnlich 7 Ob 398/55). Ihr Bestand hängt auch nicht von der Eintragung im Grundbuch ab (aaO).

Bevor geklärt ist, auf welchem Rechtstitel die Eintragung im Grundbuch beruht, kann - entgegen der Ansicht des Rekurswerbers - nicht beurteilt werden, ob es sich um eine privatrechtliche Reallast oder aber um eine solche des öffentlichen Rechts handelt. Daran könnte auch der Umstand, dass die - nicht notwendige - Einverleibung erfolgt ist, nichts ändern.

Ihm kann auch keineswegs dahin gefolgt werden, dass es darauf ankäme, ob die Voraussetzungen für die Löschung der Reallast gemäß §§ 130 ff GBG vorlegen. Dabei handelt es sich, wie schon die Überschrift zum entsprechenden Abschnitt des GBG besagt, um die Voraussetzungen für eine Bereinigung des Grundbuchs von Amts wegen (ebenso ausdrücklich jeweils in § 130 und § 131 GBG). Die Prüfung der Voraussetzungen dieser Gesetzesstellen ist im Grundbuchsverfahren zu prüfen (§ 134 GBG).

Stellte sich allerdings heraus, dass die Reallast auf einem zivilrechtlichen Titel beruht, käme durchaus die Verjährung als Endigungsgrund in Betracht, wird doch allgemein die Auffassung vertreten, dass die Gründe für die Beendigung der Reallasten im Großen und Ganzen denen bei den Dienstbarkeiten entsprechen (Hofmann in Rummel 3, § 530 ABGB Rz 2; Iro, Sachenrecht2 Rz 16/8; 6 Ob 30/02h = immolex 2002, 246 mwN; RIS-Justiz RS0116186). Der gegenüber Berechtigten des § 1472 ABGB wie hier eine Gemeinde 40-jährige (§ 1485 ABGB) Nichtgebrauch einer Reallast bewirkt deren Erlöschen (§ 1479 ABGB). Nach Auffassung des erkennenden Senats kann in einem Fall, dass die Reallast (hier in Wahrheit drei verschiedene) nur einmal ausgeübt werden kann, § 1484 ABGB nicht angewendet werden, der ja die Möglichkeit einer wenigstens seltenen Ausübung voraussetzt. Daher wäre 40 Jahre nach dem Straßenbau Verjährung eingetreten.

Für den Fall des Vorliegens einer zivilrechtlichen Reallast ist schließlich noch der Ansicht der beklagten Gemeinde entgegenzutreten, diese könne auch Aufschließungsabgaben nach § 38 der nunmehrigen nö BauO (1996) "als Sicherheit dienen". Reallasten sind nämlich (wenn auch im Gesetz nicht näher geregelte) dingliche Belastungen eines Grundstücks mit der Haftung für positive Leistungen des jeweiligen Eigentümers (SZ 45/45; 5 Ob 81/97s = RdW 1997, 654; RIS-Justiz RS0012180; Hofmann aaO). Gegenstand der Reallast kann nur die im zugrundeliegenden Titel festgelegte Leistungsverpflichtung sein, womit angesichts des Alters der hier eingetragenen Reallast (Einverleibung 1930) die Möglichkeit ausscheidet, sie einseitig auf eine auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhende Verpflichtung zu übertragen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Aufschließungsabgabe nach § 38 nö BauO 1996 um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, nämlich eine ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs 1 Z 5 F-VG 1948 handelt (Abs 3 leg cit).

Aus diesen Erwägungen hat es bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu verbleiben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO. Durch sein Rechtsmittel hat der Kläger zur Klärung der Rechtslage beigetragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte