OGH 9Ob30/15z

OGH9Ob30/15z29.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hopf als Vorsitzenden sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der O***** M*****, bisheriger Sachwalter A***** H*****, wegen Umbestellung des Sachwalters, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der neu bestellten Sachwalterin Dr. D***** H*****, Rechtsanwältin in N*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 1. April 2015, GZ 1 R 76/15g‑64, womit infolge Rekurses der neu bestellten Sachwalterin der Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 2. Februar 2015, GZ 6 P 11/09w‑51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00030.15Z.0729.000

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

 

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 2. 7. 2009 wurde A***** H***** ‑ ein Bekannter der Betroffenen, der wie diese spanisch spricht ‑ zu ihrem Sachwalter für alle Angelegenheiten bestellt, weil diese an einer Unterbegabung unbestimmten Grades und an Epilepsie leide und nicht in der Lage sei, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen.

In weiterer Folge gab es bei der Rechnungslegung trotz Androhung und Verhängung von Ordnungsstrafen immer wieder Verzögerungen des Sachwalters. In einem Clearingbericht vom 24. 12. 2014 empfahl der Sachwalterverein, dennoch von der Enthebung des bestellten Sachwalters abzusehen. Dieser führe die Sachwalterschaft, die hohen persönlichen und zeitlichen Einsatz verlange, seit über fünf Jahren mit großem Engagement, er pflege eine sehr gute und herzliche Beziehung zur Betroffenen und sei in der Lage, sich mit ihr in ihrer Muttersprache zu verständigen. Der Sachwalter sei aber verständlicherweise nur bereit, die Sachwalterschaft fortzuführen, wenn die verhängten Ordnungsstrafen vom Gericht aufgehoben werden.

Das Erstgericht teilte der Betroffenen und dem bisher bestellten Sachwalter am 5. 1. 2015 seine Absicht mit, für die Betroffene eine neue Sachwalterin zu bestellen und stellte ihnen frei, innerhalb einer Frist von drei Wochen dagegen Einwände zu erheben. Weder der bisher bestellte Sachwalter noch die Betroffene äußerten sich dazu.

Das Erstgericht enthob den bisher bestellten Sachwalter seines Amtes und bestellte die Revisionsrekurswerberin zur neuen Sachwalterin, die wie ihr Vorgänger alle Angelegenheiten gemäß § 268 Abs 3 Z 3 ABGB zu besorgen habe. Die Verlässlichkeit des bisher bestellten Sachwalters sei nicht gegeben, weil er seinen Pflichten nicht innerhalb schicklicher Frist nachkomme, sodass das Gericht seiner Prüf‑ und Beaufsichtigungspflicht des Wohls der Betroffenen nicht nachkommen könne. Der bisher bestellte Sachwalter habe erklärt, nicht mehr länger als Sachwalter tätig sein zu wollen. Da sonstige der Betroffenen nahestehenden Personen nicht vorhanden seien und auch ein Verein zur Übernahme der Sachwalterschaft nicht in Frage komme, sei die nunmehrige Sachwalterin zu bestellen, obwohl die Führung dieser Sachwalterschaft keine besonderen rechtlichen Kenntnisse verlange.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der neuen Sachwalterin nicht Folge. Ob der bisherige Sachwalter aufgrund seines Engagements und seiner Sprachkenntnisse für die Betroffene trotz seiner Verzögerungen bei der Berichterstattung und Rechnungslegung in den vergangenen Jahren als Sachwalter geeignet wäre, sei hier nicht zu prüfen, weil er nach dem Bericht des Sachwaltervereins und nach seinen Ausführungen in einem Rekurs gegen die Verhängung der Ordnungsstrafen zur Weiterführung der Sachwalterschaft nur bereit sei, wenn die über ihn verhängten Ordnungsstrafen nachgesehen würden. Der Antrag des bisherigen Sachwalters auf Aufhebung der über ihn verhängten Ordnungsstrafen sei jedoch bereits rechtskräftig vom Erstgericht abgewiesen worden. Eine Zustimmung des bisherigen Sachwalters zur Weiterführung der Sachwalterschaft, die aber Voraussetzung seiner Bestellung sei, liege daher nicht vor. Die Rekurswerberin sei als Rechtsanwältin zur Übernahme der Sachwalterschaft verpflichtet, eine Unzumutbarkeit der Übernahme dieser Verpflichtung iSd § 274 Abs 2 ABGB ergebe sich aus ihren Ausführungen nicht.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu, weil erhebliche Rechtsfragen nicht zu lösen gewesen seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der neuen Sachwalterin mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung, hilfsweise auf Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und Zurückverweisung.

Die Betroffene und der bisher für sie bestellte Sachwalter machten von der Möglichkeit der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Beantwortung des außerordentlichen Revisionsrekurses keinen Gebrauch.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Begründung der Entscheidung des Rekursgerichts nicht entnommen werden kann, dass bei der zu beurteilenden Umbestellung eines Sachwalters auf das Wohl der Betroffenen ausreichend Bedacht genommen wurde; er ist auch im Sinn der hilfsweise beantragten Aufhebung und Zurückverweisung berechtigt.

1.  Eine Sachwalterumbestellung setzt voraus, dass das Wohl der Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert (RIS‑Justiz RS0117813). Das „Wohl“ der Betroffenen ist nicht allein von einem materiellen Gesichtspunkt aus zu beurteilen, sondern es ist auch auf die Befindlichkeit und den psychischen Zustand des Betroffenen abzustellen (3 Ob 75/02d). Der Gesetzgeber erachtet stabile Betreuungssituationen für wünschenswert, sodass es zu einer Umbestellung nur aus besonderen Gründen kommen soll, zu denen aber nach der Rechtsprechung eine widerrufene Zustimmung des enthobenen Sachwalters allein nicht zählt (6 Ob 129/12g).

2.  Das Rekursgericht hat die Umbestellung allein damit begründet, dass der bisher tätige Sachwalter seine Zustimmung zu einer Weiterführung der Sachwalterschaft nicht erteilt habe. Dies genügt ‑ worauf die Revisionsrekurswerberin zutreffend hingewiesen hat ‑ allerdings nicht, um abschließend beurteilen zu können, ob das Wohl der Betroffenen durch die Umbestellung in der vom Gesetz geforderten Weise gewahrt wird.

3.  Das Erstgericht hat zwar auch die fehlende Eignung des bisherigen Sachwalters im Hinblick auf seine Versäumnisse bei Rechnungslegung und Berichterstattung dargelegt. Es hat sich jedoch im Übrigen ebenfalls damit begnügt darauf hinzuweisen, dass der bisherige Sachwalter seine Bereitschaft zur Übernahme der Sachwalterschaft widerrufen habe. Damit lässt sich jedoch nicht beurteilen, wie sich die von Amts wegen erfolgte Bestellung einer der Muttersprache der Betroffenen nicht mächtigen Rechtsanwältin statt eines langjährigen, der Muttersprache der Betroffenen mächtigen Bekannten auf die Bedürfnisse einschließlich der psychischen Verfassung der Betroffenen auswirken wird. Die Frage der Notwendigkeit dieser Maßnahme lässt sich ohne konkrete Feststellungen dazu nicht lösen (vgl 3 Ob 174/13d mwH).

Damit erweist sich eine Ergänzung des Verfahrens durch das Erstgericht als erforderlich, zumal nach der Aktenlage die Notwendigkeit einer Umbestellung auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Im fortzusetzenden Verfahren werden die Schwächen des bisherigen Sachwalters bei der Rechnungslegung, aber auch die allfällige Möglichkeit deren Verbesserung in der Zukunft, und seine offenbaren Qualitäten im Umgang mit der Betroffenen nach dem Clearingbericht des Sachwaltervereins abzuwägen sein. Dabei wird zu beachten sein, dass der Sachwalterverein einerseits Lösungsmöglichkeiten für die Probleme des bisherigen Sachwalters mit der Rechnungslegung aufzeigt, und andererseits dessen bisheriges großes Engagement für die Interessen der Betroffenen darlegt. Die Betroffene hat sich im Umbestellungsverfahren nicht geäußert, sodass sich aus der Aktenlage eine Beeinträchtigung ihrer Interessen nur durch die Versäumnisse des bisherigen Sachwalters bei der Rechnungslegung ergibt, nicht aber aus dessen sonstiger Wahrnehmung seiner Aufgaben. Der Clearingbericht weist in diesem Zusammenhang auf ein herzliches Verhältnis der Betroffenen zum bisherigen Sachwalter hin und darauf, dass dieser sich mit der Betroffenen in ihrer Muttersprache verständigen kann.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren daher gemäß § 70 Abs 3 Satz 2 AußStrG aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

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