OGH 9ObA48/15x

OGH9ObA48/15x28.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Horst Nurschinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Dr. Peter Lechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Andreas Ermacora ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2015, GZ 15 Ra 6/15t‑62, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00048.15X.0528.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die vom Revisionswerber behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Die Vorinstanzen haben im gegenständlichen Anfechtungsverfahren wegen Sozialwidrigkeit der Kündigung gemäß § 252 Abs 3 lit b der Tiroler Landesarbeitsordnung 2000 (Tir LAO 2000) sowohl die Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des zum Kündigungszeitpunkt 51‑jährigen Klägers durch die Kündigung als auch die Betriebsbedingtheit der Kündigung bejaht. Da die betrieblichen Interessen die wesentlichen Interessen des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes überwiegen, sei die Kündigung sozial gerechtfertigt.

Eine Kündigung ist dann im Sinne des § 252 Abs 3 lit b Z 1 Tir LAO 2000 (vgl § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG) durch betriebliche Erfordernisse begründet, wenn sie im Interesse des Betriebs notwendig ist (vgl 8 ObA 95/11w ua). Im Fall einer betrieblichen Rationalisierung ist die Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Maßnahmen grundsätzlich dem wirtschaftlichen Ermessen des Betriebsinhabers vorbehalten. Die Gerichte sind nicht dazu berufen, die Zweckmäßigkeit der vom Betriebsinhaber getroffenen Maßnahmen im Rahmen des Verfahrens über eine Kündigungsanfechtung zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0051649; RS0052008). Der Arbeitgeber muss sich nur gefallen lassen, dass das Gericht überprüft, ob die Kündigung eines Mitarbeiters tatsächlich zur Kostensenkung führt. Ist dies ‑ so wie hier ‑ der Fall, ist sie ein zur Zweckerzielung geeignetes Mittel und sachlich begründet (vgl RIS‑Justiz RS0051649 [T6; T12]). Von einer verpönten „Austauschkündigung“ in Bezug auf den Mitarbeiter R.M. kann hier schon deshalb nicht gesprochen werden, weil dieser beim beklagten Verband neu eingestellte Arbeitnehmer in einem Kernbereich des Beklagten eine Tätigkeit als Gestütsleiter verrichtet, die der Kläger jedenfalls mangels Ausbildung gar nicht übernehmen hätte können. R.M. hat auch nicht sämtliche Verwaltungsaufgaben des Klägers übernommen, sondern erledigt diese nunmehr gemeinsam mit anderen, beim Beklagten bereits beschäftigten Mitarbeitern. Da der Tätigkeitsbereich des Klägers zwar nicht weggefallen, aber eine Nachbesetzung wegen Rationalisierung unterblieben ist, weil seine Tätigkeit von anderen Arbeitnehmern mitübernommen wurde, liegt dennoch ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor. Mit dieser Rationalisierungsmaßnahme im Verwaltungsbereich des Beklagten trat im Hinblick auf das vom Kläger bezogene Gehalt von zuletzt rund 85.000 EUR brutto jährlich und der entsprechenden Arbeitgeberbeiträge jedenfalls eine nicht unbeträchtliche Kostenverringerung ein (RIS‑Justiz RS0051938). Darauf geht die Revision gar nicht weiter ein, weshalb sie insofern keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend macht.

Trotz Rationalisierungsmaßnahmen ist aber der Arbeitgeber im Rahmen seiner sozialen Gestaltungspflicht verbunden, alle Möglichkeiten zu prüfen, ob er den zu kündigenden Arbeitnehmer in seinem Betrieb noch weiter beschäftigen kann (RIS‑Justiz RS0051827). Die objektiv betriebsbedingte Kündigung ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn sie als letztes Mittel eingesetzt wird (9 ObA 3/07t ua). Die Frage, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist, stellt schon wegen ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0051942 [T4]). Eine krasse Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen würde, zeigt die Revision nicht auf. Weder ist im Verfahren hervorgekommen, dass der Kläger im Betrieb des beklagten Verbandes weiterbeschäftigt werden hätte können noch zeigt der Kläger in der außerordentlichen Revision eine seiner Eignung ‑ allenfalls nach Ein‑ oder Umschulung ‑ entsprechende Einsatzmöglichkeit auf (vgl 8 ObA 1/02h; 8 ObA 87/04h).

Auch wenn bei Prüfung der Frage, ob der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist, ganz besonders bei älteren und im Betrieb lange beschäftigten Arbeitnehmern ein strenger Maßstab anzulegen ist, begründet die Regelung des § 252 Abs 4 vorletzter Satz Tir LAO 2000 (vgl § 105 Abs 3 vorletzter Satz ArbVG) nicht automatisch die Sozialwidrigkeit der Kündigung eines älteren Arbeitnehmers. Das Berufungsgericht hat diesem strengen Maßstab in seiner ausführlich vorgenommenen Interessenabwägung (RIS‑Justiz RS0051994; RS0116698) ausreichend Rechnung getragen. Das Ergebnis der von den Vorinstanzen auf Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalls vorgenommenen Interessenabwägung ist jedenfalls vertretbar.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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