OGH 10Ob29/15k

OGH10Ob29/15k19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Fellinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. F*****, vertreten durch Dr. Gerhard Horak Mag. Andreas Stolz Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. I*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte‑Partnerschaft in Wien, wegen Feststellung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 10. Februar 2015, GZ 11 R 9/15x‑10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00029.15K.0519.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger klagt den Beklagten auf Feststellung, dass ihm der Beklagte für alle (Schäden) aus und im Zusammenhang mit der Vermittlung der vom Kläger gezeichneten Kommanditbeteiligung an der ***** GmbH & Co KG hafte und verpflichtet sei, den Kläger für alle Schäden aus dieser Veranlagung schadlos zu halten und solche Schäden zu ersetzen. Er behauptet, den Vermittlungsvertrag mit dem Beklagten geschlossen zu haben und der Beklagte habe ihn fehlerhaft beraten.

Zuvor hatte der Beklagte die hier klagende Partei auf Feststellung geklagt, dass er nicht aus dem Zusammenhang mit der Vermittlung einer treuhändig gehaltenen Kommanditbeteiligung an der ***** GmbH & Co KG (Zeichnung der hier klagenden Partei über 150.000 EUR am 26. 7. 2005) hafte und insbesondere nicht verpflichtet sei, diesen aus etwaigen Schäden aus dieser Veranlagung schadlos zu halten oder solche Schäden zu ersetzen. Er habe den Vermittlungsvertrag als Geschäftsführer der Dr. M***** Vermögensberatungs‑ und Liegenschaftsentwicklungs‑GmbH geschlossen und auf die bestehenden Risken, insbesondere auch auf das Risiko eines möglichen Totalverlusts, hingewiesen. Diese Klage ist vor der Klage der hier klagenden Partei streitanhängig geworden.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Streitanhängigkeit zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist nicht zulässig.

Entgegen den Ausführungen des Rechtsmittelwerbers ist die Entscheidung des Rekursgerichts durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt.

Nach § 233 Abs 1 ZPO hat die Streitanhängigkeit die Wirkung, dass während ihrer Dauer über den geltend gemachten Anspruch weder bei demselben noch einem anderen Gericht ein Rechtsstreit durchgeführt werden darf. Eine während der Streitanhängigkeit wegen des nämlichen Anspruchs eingebrachte Klage ist auf Antrag oder von Amts wegen zurückzuweisen.

Derselbe („nämliche“) Anspruch liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn nicht nur die Parteien ident sind, sondern der in der neuen Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl im Begehren als auch im rechtserzeugenden Sachverhalt mit jenem des Vorprozesses übereinstimmt (RIS‑Justiz RS0039347; jüngst 4 Ob 52/14x). Der zugrundeliegende materielle Anspruch ist als solcher unerheblich. Denn das Gericht entscheidet im Prozess nicht über das Privatrechtsverhältnis als solches, sondern über ein daraus abgeleitetes Begehren. Der prozessuale Begriff des Streitgegenstands wird durch das Klagebegehren und den rechtserzeugenden Sachverhalt bestimmt (RIS‑Justiz RS0037419; jüngst 4 Ob 52/14x).

Streitanhängigkeit besteht nach der Rechtsprechung aber auch dann, wenn die Begehren zwar nicht ident sind, aber ‑ regelmäßig bei vertauschten Parteirollen ‑ eines das begriffliche Gegenteil des anderen ist (RIS‑Justiz RS0039246).

Eine solche Fallgestaltung liegt vor, wenn nach einer negativen Feststellungsklage zum selben (materiellen) Anspruch oder Rechtsverhältnis eine positive Feststellungsklage erhoben wird, etwa wenn nach einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen aus einem Unfall eine Klage auf Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden aus demselben Unfall erhoben wird (1 Ob 55/99s). Die Entscheidung über die erste Klage erledigt auch das zweite Verfahren vollständig. Das ist offenkundig, wenn der negativen Feststellungsklage stattgegeben wird, gilt aber auch bei Abweisung der zuerst erhobenen negativen Feststellungsklage. Denn damit steht ‑ durch die doppelte Negation ‑ auch rechtskräftig fest, dass der strittige Anspruch oder das strittige Rechtsverhältnis besteht (RIS‑Justiz RS0039157). Mehr als eine solche Feststellung könnte der Gläubiger auch im Verfahren über seine Klage auf Feststellung des Bestehens des Anspruchs oder Rechtsverhältnisses nicht erreichen. Daraus folgt, dass die Abweisung einer negativen Feststellungsklage in einem späteren Verfahren über eine positive Feststellungsklage nicht etwa ‑ wie nach der älteren Rechtsprechung (3 Ob 392/51, SZ 24/263; RIS‑Justiz RS0039157) ‑ Bindungswirkung dahin entfaltet, dass der späteren Klage stattzugeben wäre. Vielmehr steht der späteren Klage die Einmaligkeitswirkung der Rechtskraft entgegen (1 Ob 60/97y, SZ 70/261; RIS‑Justiz RS0013459, RS0039157 [T2]).

Der Kläger meint, er mache nicht denselben Anspruch wie der Beklagte mit seiner Feststellungsklage geltend. Dieser stütze sich nämlich darauf, den Vermittlungsvertrag nicht im eigenen Namen geschlossen zu haben. Er hingegen behaupte, den Vermittlungsvertrag mit dem Beklagten geschlossen zu haben.

Dem ist zu erwidern, dass die Hauptfrage in beiden Verfahren nach den zugrundeliegenden Klagebegehren ist, ob der Beklagte dem Kläger für Schäden aus der Vermittlung der Kommanditbeteiligung persönlich haftet. Ob der Vermittlungsvertrag vom Beklagten im eigenen Namen oder als Geschäftsführer der GmbH geschlossen wurde, ist in beiden Verfahren Vorfrage.

Die Berufung des Klägers auf den in RIS‑Justiz RS0039478 dokumentierten Rechtssatz geht ins Leere. Nach diesem liegt keine Identität der Ansprüche dort vor, wo in einem Rechtsstreit der vorgebrachte Tatsachenkomplex nur zur rechtlichen Beurteilung der Vorfrage, im zweiten Rechtsstreit aber zur Ableitung des Anspruchs in der Hauptsache selbst vorgebracht und erforderlich ist. Dieser Rechtssatz hat somit den Fall einer Vorfrage des Vorprozesses, die Hauptfrage des späteren Verfahrens ist, zum Gegenstand. Der Kläger hingegen vertritt in seinem Rechtsmittel den Standpunkt, dass im positiven Feststellungsprozess lediglich als Vorfrage zu prüfen sei, was Hauptfrage des früheren Verfahrens sei. Davon abgesehen sind aber wie bereits ausgeführt wurde, Haupt‑ und Vorfrage in beiden Verfahren tatsächlich nicht unterschiedlich sondern ident.

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