European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00060.15B.0423.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Kläger begehrten die Feststellung, dass der im Jahr 2001 zwischen einer Wohnbaugesellschaft mbH und dem Rechtsvorgänger der Beklagten abgeschlossene Wasserbezugsvertrag, in den sie als Wasserkunden eingetreten seien, unverändert [Anm: und damit faktisch unter Entfall der in einem Verbandsverfahren als rechtswidrig beurteilten Mindestabnahmemenge von 350 m³] aufrecht sei, und die Beklagte schuldig zu erkennen ihnen 255,60 EUR sA an zu viel bezahlten Wasserentgelten zurückzuerstatten.
Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Dabei gelangte es unter Berufung auf die ebenfalls die Beklagte betreffende Entscheidung 1 Ob 143/10a zum Ergebnis, dass diese zur Vornahme einer Änderungskündigung berechtigt gewesen sei, weil die den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entsprechende Kalkulation sonst zu deren Insolvenz führen würde.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger, die keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO anspricht.
1.
Dauerschuldverhältnisse können durch einseitige Erklärung aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0027780; Rummel in Rummel³ § 859 ABGB Rz 27; Würth in Rummel³ § 1118 ABGB Rz 2 je mwN). Dass Monopolisten ihre faktische Übermacht grundsätzlich nicht in unsachlicher Weise ausüben dürfen (RIS‑Justiz RS0110808 [T1]), ist auch beim Gebrauch ihres außerordentlichen Kündigungsrechts zu beachten (vgl 1 Ob 88/12s mwN).
2. Bereits in der vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidung 1 Ob 143/10a, in der der Oberste Gerichtshof ebenfalls den gegenständlichen Wasserbezugsvertrag zu beurteilen hatte, hat er unter Berufung auf Vorjudikatur (1 Ob 524/85) dargelegt, dass ein Versorgungsunternehmen (selbst wenn es Monopolstellung habe) die Versorgung aufgrund der Altverträge nicht fortsetzen muss, wenn das gesamte Unternehmen aus diesem Grund nur mehr defizitär geführt werden kann. Ein Unternehmen müsse nicht erst in Insolvenz verfallen, um unwirtschaftlich gewordene Dauerschuldverhältnisse, die zur negativen wirtschaftlichen Entwicklung geführt hätten, auflösen zu können. Die Revisionswerber stellen diese Grundsätze ebenso wenig in Frage, wie den durch das Beweisverfahren erhärteten Umstand, dass das Unternehmen der Beklagten bei Beibehaltung der Altverträge und Entfall der Verrechnung einer Mindestabnahme nur defizitär geführt werden könnte. Im Kern ihrer Argumentation zielen sie darauf ab, dass der Änderungskündigung nicht eine Fehlkalkulation der Beklagten zugrunde liege, sondern der Umstand, dass ihr mit der Entscheidung 1 Ob 224/06g untersagt wurde, in ihren Wasserbezugsverträgen eine Klausel zu verwenden bzw sich darauf zu berufen, wonach sie pro Wohneinheit und Jahr eine Mindestabnahmemenge von 350 m³ verrechnen dürfe. Die Beklagte habe nicht falsch kalkuliert, sondern ihre Monopolstellung sittenwidrig ausgenützt.
3. In dem der Entscheidung 1 Ob 224/06g zugrunde gelegenen Verbandsklageverfahren waren Fragen nach einer Vertragsgestaltung, die der Beklagten eine kostendeckende (gewinnbringende) Wirtschaftsführung ermöglichen, anders als für die hier zu beurteilende außerordentliche Kündigung durch den Monopolisten, nicht von Relevanz. Schon deshalb muss die Argumentation der Kläger ins Leere gehen. Darüber hinaus übersehen sie, dass nach den Feststellungen einer Vertragsgestaltung ohne Mindestabgabemenge, also mit Verrechnung des tatsächlichen Verbrauchs, einer wirtschaftlichen Kalkulation durch die Beklagte ein Tarif von 4,34 EUR pro m³ zugrunde zu legen wäre. Ohne einen Tarif in einer solchen Höhe, erfordert daher jede Kalkulation, soll sie wirtschaftlich ein positives Ergebnis ermöglichen und nicht zwangsläufig in die Insolvenz führen, die Abrechnung einer bestimmten Abgabemenge. Die Kalkulation mit einer Mindestabgabemenge ist damit schon durch den in den Altverträgen enthalten gewesenen, deutlich niedrigeren Tarif bedingt. Bei dieser Sachlage schadet es daher entgegen der Ansicht der Kläger nicht, wenn sich die Beklagte erst durch die Entscheidung 1 Ob 224/06g zur Änderungskündigung veranlasst sah, war damit doch ihrer Kalkulationsbasis jedenfalls der Boden entzogen. Die von den Klägern vertretene Auffassung hätte vielmehr zur Folge, dass die Beklagte ihnen gegenüber auf Dauer zur Lieferung von Wasser zu einem keinesfalls kostendeckenden Tarif verpflichtet bliebe. Ein solches Ergebnis kann aber auch mit der Entscheidung 1 Ob 224/06g nicht in Einklang gebracht werden, wurde dort doch ausdrücklich betont, dass es der Beklagten überlassen bleibe, wolle sie kostendeckende (gewinnbringende) Wasserbezugsverträge mit Verbrauchern abschließen, durch das Gesetz gedeckte Geschäftsbedingungen zu finden. Das wird bei Altverträgen durch die Ausübung der Änderungskündigung ermöglicht.
4. Auch in der von den Klägern zur Stützung ihres Standpunkts herangezogenen Entscheidung 6 Ob 182/13b hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass selbst vorwerfbare, weil vorhersehbare Fehleinschätzungen (Kalkulationsfehler), die dazu führen, dass für einen kostendeckenden Betrieb zu geringe Entgelte angesetzt wurden, zu einer Änderungskündigung durch den Monopolisten berechtigen, wenn andernfalls die Insolvenz droht. Dafür, dass der wirtschaftliche Misserfolg der Beklagten aus dem Äquivalenzprinzip widersprechenden, womöglich gesetzwidrigen Maßnahmen resultierte und damit nicht auf den Kunden überwälzt werden könnte, wie in dieser Entscheidung weiter erörtert wurde, fehlen hier jede Anhaltspunkte.
5. Ob ein hinreichender Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses vorliegt, hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 383/98v = RIS‑Justiz RS0027780 [T23]), die die Vorinstanzen hier vertretbar beurteilt haben. Fragen nach der geltungserhaltenden Reduktion missbräuchlicher Klauseln stellen sich in diesem Zusammenhang entgegen der Annahme der Kläger nicht. Dass die dem Anbot der Beklagten zum Abschluss eines neuen Wasserbezugvertrags zugrunde gelegte Mindestabnahmemenge von 150 m³ pro Jahr den betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht, wird von ihnen in ihrer Revision zudem nicht in Zweifel gezogen. Soweit sie dennoch meinen, die Beklagte habe keine angemessenen gewöhnlichen Bedingungen für den Abschluss von Neuverträgen angeboten, lassen sie außer Acht, dass sich diese der Rechtsansicht der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte unterworfen und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Fassung aus Juli 2008 entsprechend deren Rechtsansicht überarbeitet hat. Inwieweit die ihnen übermittelte Fassung der AGB aus Juli 2009 den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen sollen, geben die Revisionswerber nicht zu erkennen.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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