OGH 2Ob33/15i

OGH2Ob33/15i9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr.

 Veith und Dr.

 Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig Rechtsanwalt GmbH in Wien, wider die beklagte Partei DI W***** H*****, vertreten durch Dr. Reinhard Schäfer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. Juni 2014, GZ 45 R 144/14f‑105, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. Februar 2014, GZ 4 C 26/10x‑98, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00033.15I.0409.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Das Berufungsgericht hat nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision mit der Begründung zugelassen, es halte zwar grundsätzlich an seiner Rechtsauffassung fest, erachte jedoch seine Entscheidung „nicht für irrevisibel“.

Ändert das Gericht zweiter Instanz den Ausspruch über die Rechtsmittelzulässigkeit ab, hat es den Beschluss gemäß § 508 Abs 3 iVm Abs 1 ZPO sachlich kurz zu begründen. Eine bloße Scheinbegründung ist grob gesetzwidrig (RIS‑Justiz RS0111729; ausführlich auch Danzl, „Erhebliche Rechtsfrage“ und „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung“, in FS Griss [2011] 95 [108 f FN 58 mwN]). Dieser Fall liegt hier vor, hat doch das Berufungsgericht die nachträgliche Zulassung der Revision mit der wiedergegebenen Ausführung in Wahrheit überhaupt nicht begründet.

Auch der Revisionswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Er meint, bei der hier vorzunehmenden Auslegung einer Vertragsurkunde betreffend die Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin sei auch auf den hypothetischen Parteiwillen einzugehen.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Eine ergänzende Vertragsauslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen würde voraussetzen, dass der eingetretene Fall (hier die Pensionierung des Beklagten) im Vertrag nicht geregelt wäre und demgemäß eine „Vertragslücke“ vorläge (6 Ob 56/06p; RIS‑Justiz RS0017899 [T2, T10, T19]; RS0017746 [T10]). Auch die Frage, ob im Einzelfall eine Vertragslücke vorliegt, ist nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn der zweiten Instanz eine auffallende Fehlbeurteilung bei der Auslegung unterlaufen ist (6 Ob 56/06p).

Die Vorinstanzen haben im Ergebnis eine Vertragslücke verneint, weil mit der Vertragsklausel „Dieser Punkt gilt nur für den Fall der Beibehaltung der bisherigen Tätigkeit ...“ auch die Pensionierung des Beklagten mitgeregelt sei: „Dieser Punkt“ sei seit der Pensionierung des Beklagten nicht anzuwenden, weil er dadurch seine bisherige Tätigkeit (als Aktiver) eben nicht beibehalten habe.

Dies ist jedenfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

Weiters rügt der Revisionswerber, das Berufungsgericht habe zu Unrecht auf eine Rechtsansicht verwiesen, die dem Erstgericht mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluss überbunden wurde; dabei habe es sich nicht um diejenige Rechtsansicht gehandelt, die zur Aufhebung des Urteils des Erstgerichts geführt habe.

Die Relevanz dieser Rüge für das Prozessergebnis ist nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der in erster Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Revisionszulässigkeit nicht entgegen (1 Ob 44/14y = RIS‑Justiz RS0129365; 2 Ob 100/14s).

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