OGH 1Ob42/15f

OGH1Ob42/15f19.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der außerstreitigen Familienrechtssache der Antragstellerin I***** P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen den Antragsgegner F***** P*****, vertreten durch Mag. Daniela Aigner, Rechtsanwältin in Vorchdorf, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 10. Dezember 2014, GZ 21 R 200/14g‑68, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 30. Juni 2014, GZ 21 Fam 9/13y‑63, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00042.15F.0319.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Zu den Konten des Antragsgegners zum für die Aufteilung maßgeblichen Zeitpunkt hat das Rekursgericht ausgeführt, dass dem Guthaben von rund 71.000 EUR auf dem einen Konto unternehmerische Verbindlichkeiten und Rückstellungen von rund 66.000 EUR gegenüber gestanden seien, womit insgesamt lediglich ein Aktivvermögen von rund 5.000 EUR vorhanden gewesen sei; eine derartige „Reserve“ sei einem Einzelunternehmer für unvorhergesehene und außergewöhnliche Verbindlichkeiten zuzubilligen. Dies gelte auch für den Guthabensstand auf dem (weiteren) Girokonto von knapp 7.000 EUR, der aus dem Eingang von Unternehmenserträgen (Provisionen) resultiert habe; eine eindeutige Umwidmung zu privaten Zwecken sei weder erkennbar noch behauptet worden.

Diesen ‑ auf den Einzelfall bezogenen - Erwägungen des Rekursgerichts vermag die Revisionsrekurswerberin nichts Überzeugendes entgegenzusetzen. Allein der Umstand, dass eine betriebliche Notwendigkeit für ein derart hohes Guthaben auf dem Veranlagungskonto nicht feststellbar sei, rechtfertigt keineswegs per se ihre Annahme, das Guthaben sei „von Anfang an nicht unternehmerischen Zwecken gewidmet und somit aufzuteilen“. Ebensowenig ergibt sich „die aufteilungsrechtliche Relevanz“ dieser Konten daraus, dass über das Girokonto auch Zahlungen mit privater Veranlassung abgewickelt wurden. Darin kann wohl eine Umwidmung in Privatvermögen im Umfang der jeweils geleisteten Zahlungen liegen, nicht aber auch im Hinblick auf die auf den Unternehmenskonten verbleibenden Beträge, auch wenn es sich beim Kontoinhaber um einen Einzelunternehmer handelt (vgl nur RIS‑Justiz RS0057752). Auf das maßgebliche Argument des Rekursgerichts, dass den vorhandenen Aktiven Verbindlichkeiten und Rückstellungen in erheblichem Ausmaß gegenüber standen, geht das Rechtsmittel überhaupt nicht ein. Warum es sich ungeachtet dessen um „eheliche Ersparnisse“ handeln könnte, wird im Ergebnis nicht begründet.

2. Aus den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ergibt sich mit ausreichender Deutlichkeit, dass die kurz nach der Eheschließung vom Mann erworbene Eigentumswohnung ‑ zumindest ganz überwiegend ‑ Zwecken seines Unternehmens gewidmet war, nämlich als Übernachtungsmöglichkeit während seiner Tätigkeit als Handelsvertreter und zur Vermeidung von Hotelkosten. Der Kaufpreis wurde überwiegend fremdfinanziert, wobei die Zinsen des (endfälligen) Kredits aus laufenden Unternehmenserträgnissen bedient ‑ und insoweit auch steuerlich als Betriebsausgaben angesetzt ‑ wurden und andererseits die Kapitalrückzahlung mit der zu diesem Zweck gebildeten Rückstellung auf dem unter 1. erwähnten Sparkonto beglichen werden sollte; der ursprünglich bar bezahlte Kaufpreisteil stammte offenbar aus vorehelichen Ersparnissen des Antragsgegners.

Auch in diesem Zusammenhang kann dem Rekursgericht nicht der Vorwurf einer groben ‑ und somit korrekturbedürftigen ‑ Fehlbeurteilung gemacht werden, wenn es die Auffassung vertreten hat, dieses Wohnungseigentumsobjekt sei wegen seiner Unternehmenszugehörigkeit gemäß § 82 Abs 1 Z 3 EheG der Aufteilung entzogen. Warum die bloße Verwendung zu Übernachtungszwecken für eine Unternehmenswidmung nicht ausreichen sollte, ist nicht erkennbar.

Zu Unrecht vertritt die Revisionsrekurswerberin auch den Standpunkt, das Rekursgericht weiche insoweit von „der ständigen Rechtsprechung“ ab, als Sachen, die (ursprünglich) zu einem Unternehmen gehörten, grundsätzlich in die Aufteilungsmasse fielen, wenn das Unternehmen bei der gerichtlichen Aufteilungsentscheidung nicht mehr besteht. Die behauptete „ständige Rechtsprechung“ wird durch keinerlei Nachweise belegt. Entgegen der Rechtsbehauptung der Antragstellerin wurde vielmehr judiziert, dass die einem Unternehmen gewidmeten Vermögenswerte (auch) dann in die Aufteilungsmasse fallen, wenn das Unternehmen im maßgeblichen Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft gar nicht mehr existierte, also beispielsweise schon stillgelegt war (5 Ob 134/01v = RIS‑Justiz RS0115569). Im vorliegenden Fall hat das Unternehmen des Antragsgegners aber zum Zeitpunkt der Aufhebung der Gemeinschaft noch bestanden und wurde erst etwa fünf Jahre später stillgelegt. Die Auffassung des Rekursgerichts, dass für die Zugehörigkeit zur Aufteilungsmasse die Widmung zum Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft maßgeblich ist, hält sich somit im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur.

3. Auch die Ausführungen der Revisionsrekurswerberin, sie habe zumindest mittelbare Beiträge (Entlastung des Antragsgegners von der Haushaltsführung, Pflege und Betreuung des Kindes, Konsumverzicht) zur Bildung des unternehmenszugehörigen Vermögens geleistet, weshalb in analoger Anwendung des § 91 Abs 2 EheG zu fragen wäre, welches fiktive Gebrauchsvermögen bzw Ersparnisse vorhanden wären, wenn die Erträgnisse nicht sofort wieder in das Unternehmen investiert worden wären, ist ihr entgegenzuhalten, dass die von ihr genannten „mittelbaren Beiträge“ ohnehin dadurch Berücksichtigung gefunden haben, dass das Rekursgericht ‑ entgegen der Auffassung des Antragsgegners ‑ eine Vermögensaufteilung im Verhältnis 1:1 angeordnet hat. Davon, dass Vermögen in einer der gesetzlichen Wertungen widersprechenden Weise in ein Unternehmen „verschoben bzw dort deponiert“ worden wäre, kann angesichts der von den Tatsacheninstanzen gewonnenen Sachverhaltsgrundlagen keine Rede sein. Die Rechtsmittelausführungen zeigen insbesondere nicht auf, dass der Antragsgegner zum maßgeblichen Zeitpunkt ohne wirtschaftliche Rechtfertigung unangemessen hohe Vermögenswerte in seinem Unternehmen gehalten hätte, an denen die Antragstellerin nach den Wertungen des § 91 Abs 2 EheG bei der Vermögensaufteilung zu partizipieren hätte.

4. Eine ‑ auch nur teilweise ‑ Befreiung der Antragstellerin von den auf der ihr zu übertragenden Liegenschaft haftenden Kreditverbindlichkeiten oder eine Reduktion der ihr auferlegten Ausgleichszahlung kommt auch unter Berücksichtigung ihrer bescheidenen Einkommens-verhältnisse nicht in Betracht. Sie selbst hat ‑ in Kenntnis ihrer wirtschaftlichen Lage ‑ die Übertragung des Eigentums an der Liegenschaft mit der früheren Ehewohnung beantragt. Erhält sie damit unter Einschluss der zu übernehmenden Schulden und der Ausgleichszahlung wertmäßig die ihr zustehende Hälfte des aufzuteilenden Ehevermögens, besteht kein Grund dafür, ihr geringes laufendes Einkommen zu Ungunsten des Antragsgegners ausschlagen zu lassen. Sie übersieht offenbar auch, dass sich dieser mit den ihm verbliebenen Vermögenswerten eine neue Wohnmöglichkeit schaffen muss und diese von seinen ebenfalls nicht hohen Pensionseinkünften zu finanzieren hat. Sollte es der Antragstellerin nicht möglich sein, die mit dem von ihr selbst angestrebten Eigentum an der Liegenschaft verbundenen Verbindlichkeiten zu tragen, wird sie diese zu veräußern und mit dem verbleibenden Erlös ebenfalls eine andere Wohnmöglichkeit anzuschaffen haben. Angesichts des festgestellten Werts der Liegenschaft kann auch keine Rede davon sein, dass es ihr aus dem bei einem Verkauf verbleibenden Erlös nicht möglich wäre, ihr dringendes Wohnbedürfnis ‑ etwa in einer Mietwohnung ‑ zu decken.

Entgegen ihrer Auffassung kann der Entscheidung des erkennenden Senats zu 1 Ob 241/13t keineswegs die Aussage entnommen werden, bei der Bemessung einer aufzuerlegenden Ausgleichszahlung könne der Verkehrswert einer diesem Ehegatten zugewiesenen Liegenschaft erheblich unterschritten werden, wenn er deren Veräußerung nicht beabsichtigt. In dieser Entscheidung wurde keineswegs (generell) ausgesprochen, dass „von einem entsprechend niedrigeren“ Wert auszugehen sei, wenn sich der betreffende Ehegatte eine nach dem Verkehrswert ermittelte Ausgleichszahlung nicht leisten könne, sondern im Wesentlichen lediglich die Möglichkeit eröffnet, unter den genannten Voraussetzungen statt vom Verkehrswert vom niedrigeren Sachwert auszugehen. Die Revisionsrekurs-werberin stellte und stellt insoweit auch gar keine Tatsachenbehauptungen auf. Den nicht näher qualifizierten Wert der Liegenschaft hatten die Parteien außer Streit gestellt. Auch hier ist somit dem Rekursgericht keine bedenkliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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